19.01.2024 - Die Rheinpfalz -

Land setzt auf Ausbau des Bahnverkehrs

Die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Katrin Eder will weitere Schienenstrecken reaktivieren. Es gibt nun eine offizielle Liste des Ministeriums von zwölf dafür in Frage kommenden Strecken. Deren Realisierungschancen sind aber sehr unterschiedlich. Wer nun gute Karten hat und wer eher nicht.
Von Eckhard Buddruss

Wenn Ministerin Katrin Eder (Grüne) über die Prioritäten bei den Reaktivierungsplänen spricht, vermeidet sie derzeit sorgfältig, etwas über den Vorrang konkreter Strecken zu sagen. Publik gemacht wurden mittlerweile immerhin die Kriterien, nach denen im Laufe des Jahres ein Ranking erstellt werden soll. Zu dem umfangreichen Katalog gehören unter anderem die zu erwartenden Fahrgastzahlen, die Einspareffekte beim Treibhausgas CO2, die Anbindung des ländlichen Raums (Stichwort: Daseinsvorsorge) sowie die Einbindung in das bestehende Schienennetz, insbesondere die Fähigkeit einer reaktivierten Strecke als Umleitungsmöglichkeit zu dienen. Dieser Faktor wird nun oft mit dem Stichwort Resilienz bezeichnet, weil sich immer wieder zeigt, dass das deutscher Schienennetz in dieser Hinsicht große Defizite hat.

Eder betont dabei, dass sie Projekte planerisch vorantreiben will, auch wenn es noch keine konkrete Finanzierungsperspektive gibt, um so einen „Planungsvorrat“ zu schaffen. In der Vergangenheit ist der Schienenverkehr häufig leer ausgegangen, wenn plötzlich Geld zur Verfügung gestellt wurde (etwa um die Konjunktur zu beleben), weil es einen solchen Planungsvorrat nicht gab.

Eder betonte, die Entscheidung, welche Projekte Vorrang bekommen, solle nach objektiven Kriterien erfolgen, nicht nach politischen Opportunitäten. Eine zentrale Rolle spielt dabei die vom Bund geforderte Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU). Nur wenn sich hier ein Wert von höher als 1 ergibt, ist eine Finanzierung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) möglich.

In der von Eders Ministerium erstellten Liste stehen zwei Strecken bereits in der Kategorie „Reaktivierung in Umsetzung“. Dazu gehört die Strecke von Homburg nach Zweibrücken, die früher einmal vor allem im Saarland sehr umstritten war, inzwischen aber von einem breiten Konsens getragen wird. Das zweite Projekt ist die Weststrecke Trier. Hier gibt es die Besonderheit, dass diese Strecke nie stillgelegt war, sondern wegen ihrer großen Bedeutung für den Güterverkehr sogar elektrifiziert ist. Hier ging es also vor allem darum, Bahnsteiginfrastruktur zu errichten.

Von zwölf Strecken, die nun offiziell als „Reaktivierungskandidaten“ gelten, liegen sechs in der Pfalz. Offizielle Aussagen des Ministeriums zu ihren Chancen gibt es nicht. Teilweise liegen aber bereits NKU-Ergebnisse vor, bei den anderen Strecken läuft eine derartige Untersuchung.

Schon beim gegenwärtigen Sachstand zeichnen sich auch ohne offizielle Aussagen aus dem Ministerium Trends zu den Erfolgsaussichten ab.

Landau–Herxheim Von den sechs Pfälzer Projekten hat diese Strecke wohl die schlechtesten Karten. Als im vergangenen Oktober bei der Versammlung des für den regionalen Schienenverkehr zuständigen Zweckverbands in Bad Dürkheim die Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Untersuchung vorgestellt wurden, wurde deutlich, dass es auch bei den Politikern im Kreis Südliche Weinstraße kaum noch Hoffnung auf eine Umsetzung in absehbarer Zeit gibt.

Eiswoog–Enkenbach Bei einem Blick auf die Karte sieht es so aus, als ob die Schließung der kurzen Lücke zwischen dem aktuellen Endpunkt der Eistalbahn am Haltepunkt Eiswoog (Donnersbergkreis) und Enkenbach (Kreis Kaiserslautern) nahe liegt. Auf diesem Abschnitt befinden sich aber aufwendige Kunstbauten (ein Tunnel und zwei Talbrücken, darunter die große Brücke am Eiswoog). Den hohen Kosten, die mit einer Wiederinbetriebnahme verbunden wären, steht nur ein geringes Verkehrspotenzial gegenüber. Für die Aufnahme von überlokalem Verkehr ist die parallel verlaufende und topografisch deutlich einfachere Zellertalbahn viel besser geeignet.

Wieslauterbahn Bei der Wieslauterbahn von Hinterweidenthal Ost nach Bundenthal-Rumbach im Kreis Südwestpfalz sind zwei Projekte zu unterscheiden. Am 8. Januar übergab Ministerin Eder in Dahn den dort seit Jahren sehnsüchtig erwarteten Förderbescheid zur Erneuerung der Schienenstrecke samt einem Gleisanschluss zu einem früheren Nato-Tanklager, auf dessen Gelände ein Holzverladeterminal entstehen soll. Eine Nutzen-Kosten-Untersuchung läuft nun für eine Vollintegration der Strecke in den Rheinland-Pfalz-Takt. Ein vorderer Platz im Landesranking dafür gilt als nicht sehr wahrscheinlich. Denkbar sind aber Zwischenlösungen wie Züge, die werktags bis nach Dahn Süd fahren. Bisher gibt es auf der Strecke nur einen saisonalen touristischen Verkehr mit den Ausflugszügen „Bundenthaler“ und „Felsenland-Express“.

Glantalbahn Bei der Glantalbahn liegen bereits NKU-Ergebnisse vor. Für den Abschnitt zwischen Altenglan und Lauterecken sind sie ernüchternd, für den Abschnitt zwischen Lauterecken und Staudernheim dagegen gut genug, dass der zuständige Zweckverband im Oktober schon die Vergabe weiterer Planungsaufträge beschlossen hat.

Zellertalbahn Bei der bis 2017 von Ausflugszügen befahrenen Zellertalbahn von Monsheim (Kreis Alzey-Worms) nach Langmeil (Donnersbergkreis) hat die Landesregierung schon 2020 Mittel für die Erneuerung der Gleisanlagen bewilligt. Unter anderem wegen Problemen mit den Bahnübergängen wird die Strecke aber immer noch nicht befahren. Untersucht wird nun eine Integration in den Rheinland-Pfalz-Takt. Die Strecke hat weit über das lokale Verkehrsaufkommen hinaus Bedeutung als kürzeste Verbindung von Worms nach Kaiserslautern, über die früher einmal sogar ein internationaler Fernschnellzug fuhr. Das illustriert ihre potenzielle Bedeutung als Entlastungs- und Umleitungsroute für die Strecke Ludwigshafen–Kaiserslautern. Hoch relevant wird das spätestens 2029, wenn die Hauptstrecke durch den Pfälzerwald monatelang für eine Generalsanierung gesperrt werden soll. Das Thema Wert für die Netzresilienz ist bei keinem Reaktivierungskandidaten so relevant wie bei der Zellertalbahn.

Landau–Germersheim Als im Oktober die NKU-Ergebnisse für die beiden Südpfälzer Reaktivierungsprojekte vorgestellt wurden, sorgte Landau–Herxheim für lange Gesichter und Landau–Germersheim für große Freude. Der NKU-Wert war so gut, dass gleich die Vergabe weiterer Planungsaufträge beschlossen wurde. Auch bei dieser Strecke ergeben sich willkommene Netzlückenschlusseffekte, wenn auch nicht von so eminenter Bedeutung wie bei der Zellertalbahn.

Kommentar: Top-Priorität für die Zellertalbahn

Von Eckhard Buddruss
Zwei Pfälzer Reaktivierungsprojekte haben den großen Vorteil, dass sie Lücken im Bahnnetz schließen. Das dürfte erhebliche Bedeutung haben.

Vor 30 Jahren war Rheinland-Pfalz schon einmal Vorreiter bei der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken. Die Wiederaufnahme des Personenverkehrs von Grünstadt nach Eisenberg im Mai 1994 war eine Deutschlandpremiere. Bundesweit Aufsehen erregte dabei nicht zuletzt, dass der FDP-Minister Rainer Brüderle hier bahnpolitische Pionierarbeit leistete. Allerdings ging damals vieles nur deshalb so schnell, weil es etwas gab, was heute im Management-Jargon „low hanging fruits“ genannt wird – niedrig hängende Früchte, die sich ohne großen Aufwand pflücken ließen. Zwischen Grünstadt und Eisenberg lag ein noch im Güterverkehr befahrenes Gleis, der Aufwand für den Neustart des Personenverkehrs war relativ klein.

Bei einigen der aktuellen Reaktivierungskandidaten ist der Aufwand viel größer. Zwei Pfälzer Projekte haben dennoch hohe Priorität verdient – nicht zuletzt wegen eines Faktors, dessen Bedeutung mehr und mehr erkannt wird. Wenn nun viel von „Resilienz“ des Bahnnetzes die Rede ist, geht es darum, dass beim Ausfall von Strecken geeignete Umleitungsmöglichkeiten gebraucht werden. Dieser Faktor spricht für den Lückenschluss zwischen Landau und Germersheim ebenso wie für die Aufwertung der Zellertalbahn. Die hatte schon in den 1960er-Jahren als Umleitungsroute große Bedeutung, als auf der Hauptstrecke durch den Pfälzerwald die Elektrifizierungsarbeiten liefen. Mehrfach hätte sie in den vergangenen Jahren gute Dienste leisten können. Sie hat allein schon deswegen die Top-Priorität unter den Reaktivierungskandidaten verdient.