21.12.2023 - Pfälzischer Merkur -

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Bald erste Arbeiten für Bahn-Reaktivierung

Zweibrücken/Südwestpfalz Damit sich die Verlängerung der S-Bahn-Strecke von Homburg nach Zweibrücken nicht nochmal um ein Jahr verzögert, soll im Frühjahr mit Vorarbeiten begonnen werden. Dabei geht es zunächst aber nur um Haselmäuse. Ein Auf und Ab gibt es derweil bei den von den Kommunen zu tragenden Kosten. Aber drohen womöglich neue Probleme durch den plötzlichen Haushalts-Sparkurs der Bundesregierung?
Von Lutz Fröhlich und Bastian Meyer

„Wir sind seit über 20 Jahren unterwegs, um den Fehler, den Bahn-Streckenabschnitt Zweibrücken–Homburg stillzulegen, rückgängig zu machen.“ Mit diesen Worten begann der neue VRN-Geschäftsführer Michael Winnes (Verkehrsverbund Rhein-Neckar, zu dem auch die Westpfalz gehört) seine Präsentation im Zweibrücker Stadtrat – der jetzt eine wichtige finanzielle Weiche zu stellen hatte.

Die Stadt musste nämlich zustimmen, dass sich ihr Kostenanteil gegenüber der letzten Schätzung massiv erhöht. Und der Beschluss am vergangenen Mittwochabend war eilbedürftig – denn bereits diesen Donnerstag folgt die Entscheidung über die entsprechende Sonderumlage in der VRN-Zweckverbandsversammlung ZRN. Würde diese abgelehnt oder auch nur vertagt, müsste die schon mehrfach verschobene Inbetriebnahme des Streckenabschnitts erneut um ein Jahr verschoben werden.

Warum so lange? Es geht um Haselmäuse, die wohl entlang der teils zugewucherten Strecke leben und die deshalb umgesiedelt werden müssen, erläuterten Winnes und der Zweibrücker Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD). Der Naturschutzbund Nabu schreibt im Internet über die unter strengem Naturschutz stehenden Winterschläfer: „Haselmäuse sind sehr scheu und dämmerungsaktiv. Am liebsten halten sie sich in dichtem Brombeergestrüpp auf, weshalb man sie fast nie zu Gesicht bekommt.“ Winnes erläuterte, dem im Frühjahr vorgelegten Umweltbericht zufolge müssten die Haselmäuse entlang der künftigen Bahnstrecke zwei Jahreszeiten lang beobachtet werden. „Das Thema muss im Frühjahr angegangen werden, sonst gibt es ein weiteres Jahr Verzögerung“, betonte Wosnitza die „gewisse Dringlichkeit“.

Die eigentlichen Bauarbeiten am Gleisbett sollen nach derzeitiger Planung im Oktober 2025 beginnen, die ersten Züge im Dezember 2028 fahren.

Dass es schon mehrfach Zeitverzögerungen gab, sei ein größeres Problem als die Kostensteigerung, so die Einschätzung von VRN-Geschäftsführer Winnes. Denn zwar gebes es seit der letzten Schätzung beträchtliche Mehrkosten wegen der allgemein steigenden Baukosten und auch wegen nachträglicher saarländischer Sonderwünsche wie für Bahnübergänge. Aber bei den Zahlen habe es „ein Auf und Ab“ gegeben. So liege der nun erwartete Kostenanteil für die Stadt Zweibrücken zwar mit 1,55 Millionen Euro 1,09 Millionen Euro über dem letzten Beschluss von Ende 2020 – aber kaum über dem ersten Beschluss von 2015 (1,44 Millionen Euro). Grund, dass die Mehrkosten für Zweibrücken nicht stärker durchschlage: Rheinland-Pfalz hat sich ausnahmsweise bereit erklärt, die Mehrkosten abzufedern. Die westpfälzischen Städte und Landkreise (die für ÖPNV-Maßnahmen eine Solidargemeinschaft bilden und abhängig von Einwohnerzahl und Nutzen zahlen) hätten gegenüber 2020 eigentlich Mehrkosten von 3,55 Millionen Euro – davon übernimmt das Land 1,58 Millionen. Zudem finanziert der Bund 90 Prozent der Reaktivierungs-Gesamtkosten. Diese werden derzeit auf 77 Millionen Euro geschätzt.

Der Zweibrücker Stadtrat billigte die Mehrkosten einstimmig. Zuvor hatte Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann wohl vielen aus der Seele gesprochen: „Wir haben lange gekämpft, jetzt endlich ist die Reaktivierung in greifbarer Nähe. Da darf sich Zweibrücken nicht abhängen lassen.“ Walter Rimbrecht (SPD) erinnerte an die „immer neuen Forderungen aus dem Saarland“, die das Projekt verteuerten: „Aber wir profitieren am meisten davon, deshalb stimmen wir natürlich zu.“ Rimbrecht fügte an – wobei unklar blieb, wie ernst er das meinte: „Wir können uns ja dadurch am Saarland rächen, dass wir die Strecke zum Outlet hoch verlängern.“

Die einzige Sorge im Stadtrat äußerte Rolf Franzen (CDU): Ob auch die anderen Westpfalz-Kommunen zustimmen? Viele, darunter Pirmasens, hätten dies schon getan, auch bei den anderen habe er keine Zweifel, antwortete Wosnitza.

Am Montag tagte der Kreistag Südwestpfalz. Auch dort wurde die Steigerung des eigenen Kostenanteils einstimmig akzeptiert. Die Mehrkosten betragen im Landkreis 200 000 Euro gegenüber dem letzten Beschluss vor drei Jahren.

Landrätin Susanne Ganster (CDU) sprach von einem „großen Projekt“. Neben Zweibrücken habe auch der Landkreis Südwestpfalz einen direkten Nutzen aus dem Projekt. Damit meinte Ganster offenbar: Zwar führt die Verlängerung der (aus dem Raum Heidelberg über Kaiserslautern und Homburg künftig nach Zweibrücken verlängerten) S-Bahn nicht durch Südwestpfalz-Gebiet – aber die Regionalbahn von Zweibrücken nach Pirmasens hält bekanntlich an mehreren Stationen in der Südwestpfalz.

Insgesamt hat Zweibrücken mit 1,55 Millionen Euro den höchsten kommunalen Anteil zu schultern. Es folgen: Landkreis Südwestpfalz (489 000 Euro), Kreis Kaiserslautern (449 000 Euro), Stadt Kaiserslautern (444 000), Kreis Kusel (313 000), Stadt Pirmasens (180 000 Euro) und Donnersbergkreis (130 000 Euro).

Info:
Mehrkosten durch Bundes-Haushaltsnot?

Für Beunruhigung sorgte diese Woche die Nachricht, dass neue Details zur Haushalts-Spar-Einigung der Ampel-Bundesregierung bekanntgeworden sind. Der Merkur berichtete unter Berufung auf die Deutsche Presse-Agentur: „Weniger Geld für die Länder: Der Bund kürzt 350 Millionen Euro bei den Regionalisierungsmitteln, die die Bundesländer zur Finanzierung des Schienenverkehrs erhalten.“ Steht nun zu befürchten, dass der gerade erste beschlossene Eigenanteil Zweibrückens für die S-Bahn-Verlängerung erneut steigt? Auf Merkur-Anfrage beruhigte Stadtsprecher Jens John am Mittwoch: Nach Informationen der Stadtverwaltung werde die Finanzierung wie im Stadtrat vorgestellt umgesetzt. (lf)