22.08.2022 - Die Rheinpfalz - Zum Artikel, mit Bild, Text nur R-Plus

Seepferdchen verscheucht das triste Grau

Erst hinterm Sichtschutz wartet das Vergnügen. Deshalb sind Besucher auch stets achtlos an der Betonwand vorbei geeilt. Jetzt schauen viele hin: Putzige Wasserbewohner grüßen vorm Freibad in Miesau. Hingezaubert hat sie ein rappender Lebensretter aus Contwig.
Von Christian Hamm
Contwig/BRUCHMÜHLBACH-MIESAU

Da freut sich das Seepferdchen, und es staunt der Kugelfisch: Die beiden – und viele weitere drollige Bewohner einer fantasierreichen Unterwasserwelt – blicken all jenen entgegen, die mit dem Auto angebraust, angeradelt oder gelaufen kommen, um es sich im Wasser des Waldfreibads bei Miesau gutgehen zu lassen.

Zu übersehen ist das nicht: Vom Parkplatz kommend hat rechts des Eingangs bislang eine dröge Betonwand die Blicke nicht auf sich gezogen, sondern eher von sich weg gelenkt. Schmutziges Grau will schließlich keiner sehen. Weil nun direkt dahinter Liegewiese und Becken schon in Sicht sind, mithin das Vergnügen wartet, hat die Beschaffenheit der Trenn-Elemente wohl niemanden sonderlich gestört. Nur einen Schwimmbad-Mitarbeiter. Jetzt ist die Wand ein echter Hingucker – seit sich Thomas Sosebee an ihr ausgetobt und die Außenseite mit farbenfrohen Motiven versehen hat.

Ist der Grafitto-Mann ein Künstler? Iwo. Solcherlei Ambitionen hegt der in Contwig beheimatete 45-Jährige nicht. Die Schwimmbad-Motive sind ohnehin – im wahrsten des Wortes kinderleicht erkennbar – der Unterwasserwelt eines Animations-Klassikers nachempfunden. „Ich kenne ja diese Figuren, habe sie mir auch angesehen, sie aber nicht eins-zu-eins abgebildet“, sagt Sosebee, der etwa in puncto Farbgebung nicht mehr auf Vorlagen geachtet, sondern nach Geschmack und Gutdünken gemalt hat.

Sosebees Absicht war schlicht und einfach, das Schwimmbad ein wenig aufzuhübschen, eine bis dato wenig ansehnliche Stelle attraktiv zu gestalten. Das hat geklappt, das kommt gut an. Vor allem Kinder sind entzückt, wenn sie goldige Fische und weitere Unterwassergeschöpfe zu Gesicht kriegen. Den Effekt kennt der Hobby-Maler („ich hab’ vielleicht ein Händchen dafür, habe das schon immer gern gemacht“) nur zu gut: Denn er hat sich anderswo vor langer Zeit bereits verewigt.

Seestern und Qualle auf der WunschlisteIm Schwimmbad in Zweibrücken sind seine Figuren bis heute zu sehen, wie Betriebsleiterin Johanna Papa bestätigt. Bald 20 Jahre ist es schon her, dass sich Sosebee an seinem damaligen Arbeitsplatz verewigt hat. Damals hat er als Fachangestellter für Bäderbetrieb in der Rosenstadt gearbeitet. Dort war er auf die Idee gekommen, triste Wände aufzupeppen. Das kam gut an. Sosebee ließ die Malereien hinter sich, als er vor gut vier Jahren von Zweibrücken aus zum Schwimmbad in seiner Wahlheimat Contwig wechselte.

Dort blieb er für ein Jahr, wanderte dann weiter von der Südwest- in die Westpfalz. Denn 2019 hat er seine berufliche Heimat in Miesau gefunden, gehört dort seither zum Fachpersonal des Waldfreibads. Die Idee, auch dort einige Farbtupfer zu setzen, hat während der Jahre wohl in ihm geschlummert. Jetzt hat er sie umgesetzt.

Dabei war es mit Malen nicht getan. Ehe er den Pinsel eintauchen konnte, hat Sosebee erst einmal die Mauer „sanieren“ müssen. Die hat er abgekratzt, schadhafte Stellen ausgebessert, Rost an eisernen Stützteilen entfernt. Danach war eine Grundierung fällig, bis dann der Untergrund in Blau strahlte und Wasser vorgaukelte. Nach und nach hat er dann die kleine Wasserwelt mit Leben gefüllt.

Vor allem bei Frühschichten und wenig Betrieb hat er an der Mauer arbeiten können. Gut 15 Quadratmeter sind nun bemalt und bilden vorm Bad einen Hingucker. „Vor allem die Kinder sind angetan davon“, freut sich Sosebee, dass er seinerseits kleinen Badegästen damit eine Freude bereiten konnte. Der Contwiger, selbst auch Vater eines fast zweijährigen Söhnchens, hat sogar Anregungen bekommen: Kinder hätten sich, während sie das Werk im Entstehen bestaunt haben, weitere Bewohner gewünscht. Dem will er Rechnung tragen. Tintenfisch, Seestern und Qualle stehen aktuell noch auf der Wunschliste junger Schwimmbadbesucher. Es ist aber auch noch reichlich Platz. Nicht nur, dass außen ein Stück unverziert ist. Auch im Innern ist genügend triste Wandfläche, die einer Bemalung harrt. An Ideen dafür fehlt’s nicht. Sosebee schwebt vor, nahe des Drehkreuzes am Ausgang einen riesigen Fisch mit einer noch größeren Sprechblasen abzubilden, der die Besucher mit guten Wünschen verabschiedet, dies dann in mehreren Sprachen. Ach ja: Am Sprungturm könnte man ja auch noch ... Vielleicht Delfine, die in hohem Bogen eintauchen?

Die putzigen Figuren gefallen übrigens nicht nur Kindern. Annie Pfeiffer besucht das Miesauer Bad schon seit vier Jahrzehnten, zählt zu den treuesten Stammbadegästen. Die passionierte Frühschwimmerin fand die Aktion vorbildlich und hatte eigens die RHEINPFALZ darauf hingewiesen. „Ich find’s toll“, sagt die in Hütschenhausen beheimatete Badbesucherin. Das gilt auch für den Schöpfer der Figuren, auf den Pfeiffer offenbar große Stücke hält. Auch schon mal als Held gefeiert Sosebee ist übrigens Zweibrücker, allerdings in Chicago aufgewachsen, von dort später mit seiner Mutter – eine Homburgerin – wieder in die Südwestpfalz gekommen. „Mitgebracht“ hat er die Liebe zum Rap. Dieser Musikrichtung frönt er nicht nur, seine Fertigkeiten hat er auch an einer Musikschule als Referent vermittelt.

In seinem Beruf geht Sosebee auf. Wobei er den nicht nur hinter den Kulissen beherrscht, wo sich das Gros der Arbeit abspielt. Auch an vorderster Front: In Zweibrücken ist Sosebee vor Jahren schon mal als Held gefeiert worden. Mit Urkunde und Sonderurlaub würdigte damals die Stadt sein beherztes Eingreifen, nachdem er im Sommer 2014 im Zweibrücker Freibad ein vierjähriges Mädchen vorm Ertrinken gerettet hatte.


Eine solche Bemalung würde sich auch an der Betonwqand gegenüber dem neuen Bahnhaltepunkt Rosengarten machen. Vorschlag: Betonwand verschönern