09.10.2014
Die Rheinpfalz

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Soll „Lex Stuttgart 21“ das Tiefbahnhofsprojekt retten?

Bundesverkehrsministerium plant Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – Stilllegung von Infrastruktur würde deutlich einfacher
Von Thomas Wüpper, Berlin

„Stuttgart 21“-Kritiker sind empört: Mit einer Gesetzesänderung will die Bundesregierung im Eiltempo die Stilllegung von Bahnhöfen und Strecken erleichtern – und damit eine drohende folgenschwere Schlappe vor Gericht verhindern. Im Rechtsstreit um die Weiterführung des bestehenden Hauptbahnhofs, die Wettbewerber der Deutschen Bahn (DB) durchsetzen wollen, droht der DB eine schwere Schlappe, die das gesamte Milliardenprojekt noch zu Fall bringen könnte.Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) soll Paragraf 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) an entscheidenden Stellen verändern. Damit liefe die vor drei Jahren angestrengte Klage der Stuttgarter Netz AG zum Erhalt und Weiterbetrieb des bestehenden Stuttgarter Kopfbahnhofs ins Leere. Die DB will die Anlage durch eine unterirdische Tunnelstation ersetzen und hat bereits Teile davon abgerissen.

Bisher ist der im Rahmen von „Stuttgart 21“ beabsichtigte Rückbau des Bahnhofs und der Gleisanlagen jedoch nicht genehmigt. Der vorliegende Planfeststellungsbeschluss reicht dazu nicht aus. Es sind getrennte Verfahren zur Stilllegung und Entwidmung nötig. Bisher schreibt das AEG zum Schutz der Infrastruktur und des Schienenverkehrs zweifelsfrei vor, dass wichtige Bahnhöfe und Strecken nur stillgelegt werden dürfen, wenn sich niemand mehr für deren Weiterbetrieb findet. Deshalb müssen beabsichtigte Stilllegungen im Bundesanzeiger und im Internet veröffentlicht werden. Außerdem hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) den Rückbau genau zu prüfen und zu genehmigen.

Dieser strenge Schutz, den die Bundesländer nach der Bahnreform durchsetzten, soll nun fast ersatzlos wegfallen. Stattdessen soll der Betreiber der Infrastruktur – zumeist also die DB – weitgehend freie Hand bei Stilllegungen von Bahnhöfen und Strecken erhalten. Der Gesetzentwurf vom 12. September sieht dazu die Streichung wichtiger Vorschriften des Paragraf 11 vor. Konkret soll ein Angebot an Dritte künftig „entbehrlich“ sein, wenn Anlagen nicht gesondert betrieben werden können oder „Kapazitätsreduzierungen in geeigneter Weise kompensiert werden“. Die Stilllegung müsste zudem dem EBA nur noch angezeigt werden. Eine Prüfung durch die Behörde entfiele.

Eine Sprecherin von Verkehrsminister Dobrindt sagte auf Anfrage, der Gesetzentwurf sei auf Wunsch der Bundesländer entstanden. Auf Fachebene werde derzeit geprüft, inwieweit Änderungen am Paragraph 11 AEG umgesetzt werden können. Die Vorschläge stünden aber „in keinem Zusammenhang zu dem Vorhaben Stuttgart 21“. Diese Behauptung ist nachweislich falsch. Auf Seite 11 des Gesetzesentwurfes beziehen sich die Erläuterungen zu Änderungen am Paragraph 11 Absatz 1 Satz 5 (Kapazitätsverringerung) sogar direkt auf den Ersatz eines Kopf- durch einen Durchgangsbahnhof wie bei „Stuttgart 21“. „Stuttgart 21“-Gegner sind empört über das Vorgehen. „Offenkundig will die Bundesregierung die absehbare juristische Schlappe im Prozess gegen die Stuttgarter Netz AG verhindern, indem man vor dem Urteil das entscheidende Gesetz entschärft“, kritisiert Matthias Lieb vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).