26.09.2014
Die Rheinpfalz

In neuem Fenster öffnen

Alle sprechen von einem Skandal

Die Debatte dümpelt so vor sich hin. Zu großen Emotionen lässt sich kein Abgeordneter mehr hinreißen. Das ändert sich, als es um 16 Uhr um Zweibrücken geht. Plötzlich kommt Leben ins Mainzer Parlament. Regierung und Opposition attackieren sich. Fritz Presl ist anwesend.
Von Andreas Ganter

Auf Antrag der Regierungsfraktionen (SPD/Grüne) hat der Mainzer Landtag gestern über die Regionalentwicklung Zweibrückens nach dem drohenden Aus für den Flughafen debattiert. SPD und Grüne unterstützen mit dem Antrag das bisherige Vorgehen der Regierung und deren 25-Punkte-Plan (wir berichteten).Der Dahner SPD-Abgeordnete Alexander Fuhr fordert die CDU auf, den Weg der Regierung mitzugehen und „endlich die Ablehnungsstrategie“ aufzugeben. Im Plenum reißt das niemanden vom Hocker. Gleiches gilt für Fuhrs vorherige Aneinanderreihung von historischen Ereignissen und Verdiensten der Landesregierung in der Region.

Dann läuft Susanne Ganster (CDU) ans Rednerpult. Die Erfweilerin beherrscht die Kunst der Rede. Sie weiß, wie man Spannung aufbaut und verbale Attacken reitet. Los geht es ganz gemächlich – mit einem Seitenhieb auf die „mangelnde Sorgfalt“ von SPD und Grünen beim Verfassen des Antragstextes. Dann schlägt sie die Brücke zu den „nackten Tatsachen“. Stück für Stück analysiert, nein, zerpflückt sie den Antragstext. Sie geißelt ihn als Ansammlung von „Worthülsen“. Konkret kritisiert die CDU-Politikerin, dass vom Flughafen „nicht mehr die Rede ist“. SPD und Grünen wirft sie vor, dass die Parteien ihn schon „abgeschrieben“ hätten. Ihre Partei hingegen halte weiterhin am Flugbetrieb fest und wolle für den Erhalt kämpfen.

In ihre Fraktion kommt Leben rein, Ganster erntet Applaus. Auch die Sozialdemokraten erwachen. Ihr Vizefraktionschef Fuhr hat das vorher nicht geschafft. Egal, jetzt zeigen sie deutlich, was sie von Gansters Argumenten halten: nichts. Fuhr reagiert darauf mit einer sogenannten „Kurzintervention“. Das bedeutet, er geht ans Rednerpult und spricht außerhalb der vorgesehenen Redeordnung. Der Dahner wirft Ganster einen „kleinspektrischen Blick auf formale Dinge“ vor. Was er damit meint, wissen weder der Duden noch die Abgeordneten, bei denen Zuschauer Fragezeichen auf den Gesichtern zu erkennen glauben. Fuhr erklärt dann, dass der Insolvenzverwalter den ausdrücklichen Wunsch geäußert habe, dass sich die Politik nicht zum Flugbetrieb und dessen Zukunft äußern soll. Das hätten sowohl SPD als auch Grüne in ihrem Antragstext respektiert. Sich trotzdem dazu zu äußern, sei „weder redlich noch sachgerecht“. Der CDU wirft er „Skandalisierungsmethoden“ vor.

Nach Fuhr ergreift der Käshofer Fred Konrad (Grüne) das Wort – ebenfalls in Form einer Kurzintervention. Er spricht über den Ausbau der B 10, die S-Bahn nach Homburg sowie den Flughafen und erklärt, warum die Grünen aus seiner Sicht für die aktuelle Situation nicht verantwortlich sind. Dann wird er konkret und fordert: „Mittel, die bisher in die Region flossen, sollen weiterhin in gleicher Höhe zur Unterstützung in die Region fließen.“

Der eigentliche Redner der Grünen-Fraktion ist Ulrich Steinbach, ihr wirtschaftspolitischer Sprecher. Er wirft der Opposition vor, dass sie der Region Zweibrücken das Gefühl vermittele, schlecht zu sein. „Daraus saugt die CDU politischen Honig.“ Die Landesregierung habe im Gegensatz dazu die Region stets unterstützt. Allerdings, räumt Steinbach ein, sei seine Partei schon immer skeptisch gewesen, was die fliegerische Nutzung des Flughafengeländes in Zweibrücken angehe. Genau wie Fuhr ist er der Ansicht, dass die CDU eine Skandalisierung betreibe.

Dieser Vorwurf ruft Ganster erneut auf den Plan. Sie sagt zu Steinbach: „Die CDU skandalisiert nichts. Der eigentliche Skandal ist, dass Sie sprechen – als Abgeordneter, der mit der Region nichts zu tun hat. Der zweite Skandal ist, dass sich der Zweibrücker Kollege der SPD, Fritz Presl, nicht zu Wort meldet.“ Dafür gibt's heftigen Applaus von den eigenen Leuten, die andere Seite quittiert die Aussage mit lautem Gemurre und Zwischenrufen. Innenminister Roger Lewentz (SPD) erklärt anschließend staatstragend, dass die Regierung weiterhin an dem Ziel festhalte, 2030 in der Region mehr Arbeitsplätze zu haben als bisher. Der Sozialdemokrat rechtfertigt erneut den 25-Punkte-Plan der Regierung: „Wir kümmern uns um die Region, wir nehmen unsere Verantwortung wahr.“ Dann dankt Lewentz „ausdrücklich“ den Kommunalpolitikern – und zwei Parteifreunden: „Alexander Fuhr und Fritz Presl haben mir viele wichtige Hinweise gegeben. Sie waren mir zwei gute Ratgeber.“

Die Landtagsabgeordneten beschließen den Antrag gegen die CDU-Stimmen. Fritz Presl sitzt derweil in der hintersten Reihe und lächelt.

Kommentar
Presls Schweigen
VON ANDREAS GANTER

Die Landtagsdebatte um die Zukunft der Region war lebhaft.

Es ist völlig unverständlich, warum Fritz Presl nicht das Wort ergriffen hat.

Eine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie war die Diskussion vielleicht nicht, aber sie war lebhaft – und ernsthaft zugleich. Alexander Fuhr (SPD) hat sich abgemüht, seiner angriffslustigen Kontrahentin Susanne Ganster (CDU) Paroli zu bieten. Die Erfweilerin war bestens vorbereitet und hatte ihre Fraktion hinter sich.

Die freie Rede gehört nicht zu Fuhrs großen Stärken. Abseits von Versprechern und Floskeln ist es aber hanebüchen, den Wunsch des Insolvenzverwalters als Argument zu nennen, warum die Regierungsparteien sich im Landtag nicht mehr zu der Zukunft des Zweibrücker Flughafens äußern wollen. Schließlich informierte der Insolvenzverwalter beispielsweise diese Woche persönlich, dass es Interessenten gibt.

Fred Konrad (Grüne) will am Sonntag Oberbürgermeister von Trier werden. Schön, dass er kurz davor noch Zeit hatte, einer Plenardebatte beizuwohnen. Spaß beiseite: Sein Auftritt im Landtag lässt noch Luft nach oben. Es mag sein, dass er in Gedanken in Trier oder sonst wo war. Als heimischer Abgeordneter hat er sich davor gedrückt, Stellung zu beziehen. Das musste sein Fraktionskollege übernehmen, der wirtschaftspolitische Sprecher Ulrich Steinbach. Er unterstrich, dass die Grünen nie die größten Freunde des Flugbetriebs in Zweibrücken waren.

Die CDU attackierte Fritz Presl persönlich. Dass er sich dem politischen Diskurs im Landtag verweigert, nannte sie einen Skandal. Innenminister Lewentz (SPD) sah sich daraufhin genötigt, seinen Parteifreund für dessen Unterstützung zu loben. Das spricht Bände.

ZITIERT
„Menschen waren stolz“
„Die Menschen waren stolz, einen Flughafen zu haben.“
Alexander Fuhr (SPD)

„Wer Neues erwartet hat, wird enttäuscht.“
Susanne Ganster (CDU) zum Antrag von SPD und Grünen.

„Die Leute verlieren die Hoffnung, dass sich in der Region strukturpolitisch etwas ändert.“
Susanne Ganster (CDU)

„Unser Antrag zeigt Konkretes, Sie nur Negatives.“
Ulrich Steinbach (Grüne)

„Alexander Fuhr und Fritz Presl haben mir viele wichtige Hinweise gegeben. Sie waren mir zwei gute Ratgeber.“
Innenminister Roger Lewentz (SPD) über seine beiden Parteifreunde aus der Region. (gana)