20.09.2014
Die Rheinpfalz

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Europas Marktführer steigt aus

National-Express-Tochter City2city stellt deutschen Fernbusbetrieb ab Mitte Oktober ein

Frankfurt (dpa). Auf dem noch jungen deutschen Fernbusmarkt streicht ausgerechnet der europäische Branchenprimus sein Angebot, weil kein Geld zu verdienen sei.

2,5 Millionen Euro Verlust pro Jahr waren dann offenbar doch zu viel: Mit dem Frankfurter Unternehmen City2city gibt der erste größere Fernbus-Anbieter in Deutschland Mitte Oktober sein Geschäft auf (wir berichteten). Die Begründung: Auf dem deutschen Markt lasse sich wegen der anhaltend niedrigen Preise auf Sicht kein Geld verdienen. „Wir gehen davon aus, dass wir das erste, aber sicherlich nicht das letzte Unternehmen sind, das den Betrieb einstellen wird“, verabschiedete sich City2city aus dem deutschen Markt, an dem es zuletzt als Nummer sechs noch etwa 3 Prozent hielt. Dass es ausgerechnet die deutsche Tochter des europäischen Branchenriesen National Express als erste erwischen würde, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Schließlich vermutete man bei dem britisch-spanischen Verkehrskonzern entsprechendes Know-how und ausreichend Kapital, um es mit dem bis dahin größten deutschen Fernbusanbieter, der Deutschen Bahn (DB), und Newcomern wie Mein Fernbus und Flixbus oder dem ebenfalls kapitalstarken Duo ADAC und Deutsche Post aufnehmen zu können.

In dem vor nicht einmal zwei Jahren geöffneten Markt bekämpfen sich die Anbieter, die in der Regel ihre Verbindungen von regionalen Busfirmen als Subunternehmen fahren lassen, mit Kampfpreisen. Marktführer mit einem Anteil von 45 Prozent ist nach Erhebungen des Beratungsunternehmen Iges die Berliner Mein Fernbus GmbH mit einem Anteil von 45 Prozent. „Wir können demnächst unseren 7-millionsten Fahrgast begrüßen und erreichen unsere selbstgesteckten Ziele sehr gut“, sagte ein Mein Fernbus-Sprecher. Schweigsam wird das Unternehmen aber, wenn nach dem Zeitpunkt gefragt wird, an dem erstmals Gewinne fließen.

Gerade noch 4 Cent zahlte im September ein Branchenkunde pro Kilometer im Schnitt, wenn er eines der günstigen Aktionstickets erwischt hat, berichtet Iges-Experte Christoph Gipp. Der durchschnittliche Normalpreis sei in der Zweijahresfrist um 2 auf rund 9 Cent gefallen. Nur auf einzelnen, möglichst von einem Unternehmen allein angebotenen Destinationen und auf Flughafenanbindungen lassen sich höhere Preise durchsetzen.

Vor City2city haben bereits kleinere Busunternehmen ihren eigenen Fernlinienbetrieb eingestellt oder ihn in eine Kooperation mit einem der nationalen Anbieter eingebracht, berichten Gipp und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) übereinstimmend. Beispiele gibt es aus Schleswig-Holstein ebenso wie aus dem fränkischen Hof oder der deutsch-französischen Grenzregion. Von einer Krise will BDO-Vertreter Matthias Schröter aber keinesfalls reden. Die Stimmung der Branche habe sich mit dem Fernbus-Boom aufgehellt, die Unternehmen müssten aber derzeit hohe Investitionen schultern. „Es gibt keine Pleitewelle“, versichert Schröter.

Zur tatsächlichen Nutzung der Fernbusse fehlen bislang verlässliche Zahlen, weil die neuen Unternehmen sämtlich noch nicht an das Statistische Bundesamt berichten mussten. Es gibt aktuell 255 Linien mit mehr als 7500 Fahrten in der Woche. Der Verband BDO war für 2013 von 9 Millionen „Beförderungsfällen“ ausgegangen und erwartet für dieses Jahr eine Steigerung in unbekannter Höhe. Gipp legt sich zumindest darauf fest, dass es über 10 Millionen sein werden. Zum Vergleich: Die Fernzüge der DB nutzten im vergangenen Jahr 131 Millionen Passagiere.

Für die Gewerkschaft Verdi stehen mit den Fahrern der Subunternehmer bereits die ersten Verlierer des scharfen Wettbewerbs fest. Sie stünden unter einem zu großen Druck seitens ihrer Unternehmen, sagt das für Verkehrsfragen zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Sie weist auf die zahlreichen Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten hin, die jüngst bei Polizeikontrollen in Hannover zu Tage kamen.