15.03.2014
Die Rheinpfalz
Leitartikel

Kooperation nützt Kunden

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Von Eckhard Buddruss

Für Bahnkunden ist es besser, wenn Europas Bahnen gut kooperieren statt sich Konkurrenz zu machen. Das zeigt besonders der Vergleich der Situation auf den Linien von Paris nach Köln und Frankfurt.

Wer als guter Europäer einen Termin in Brüssel hat und hin mit dem ICE der Deutschen Bahn (DB) und zurück von Brüssel bis Köln mit dem TGV-ähnlichen Zug des französisch geprägten Unternehmens „Thalys“ fährt, kann eine unangenehme Überraschung erleben: An einem DB-Fahrkartenschalter beispielsweise in Ludwigshafen oder Mannheim erhält er keine Fahrkarte für die Rückfahrt. Für die Fahrt mit dem Zug von Bonn nach Paris bekommt man am Bahnhof überhaupt keine Fahrkarte, die über Köln hinausführt. Die DB verkauft keine Tickets für den „Thalys“ mehr, unabhängig davon, ob sie – wie zwischen Köln und Brüssel – mit dem ICE in Konkurrenz zum „Thalys“ fährt, oder ob sie – wie zwischen Köln und Paris – überhaupt keine Alternative anzubieten hat. So wird vor der Nutzung eines durchaus attraktiven Bahnangebots eine hohe Hemmschwelle aufgebaut. Noch absurder als diese schon reichlich abstruse Situation selbst ist, dass sie groteskerweise den Wunschvorstellungen der EU-Kommission von Europas Eisenbahnverkehr entspricht.

Die EU-Kommission meint, dass es im Interesse der Verbraucher liegt, wenn sich die Eisenbahnunternehmen untereinander so Konkurrenz machen wie es die Fluggesellschaften tun. Bei denen verkauft beispielsweise die Lufthansa auch keine Air-France-Tickets.

Der Unterschied zwischen beiden Branchen ist aber, dass Züge viel stärker in ein dichtes Netzwerk integriert sind, und dabei nicht nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bedienen. Die Vernetzung mit dem Regional- und Nahverkehr spielt deshalb im Bahnverkehr eine viel bedeutendere Rolle als im Flugverkehr. Grenzüberschreitende Fernzüge sind oft – etwa in der Verbindung von Saarbrücken oder Kaiserslautern nach Frankfurt – auch für Reisen im Binnenverkehr wichtig.

Im Vergleich zu der verkorksten Situation beim „Thalys“ ist aus Kundensicht die Lage im deutsch-französischen Hochgeschwindigkeitsverkehr von Mannheim, Kaiserslautern und Karlsruhe nach Paris trotz aller Probleme mit der Fahrzeugzuverlässigkeit fast schon paradiesisch. Hier kooperiert die DB mit der französischen Staatsbahn SNCF über die gemeinsame Tochter Alleo in vorbildlicher Weise – wodurch beide in Brüssel in zumindest latenten Kartellverdacht geraten. Die Probleme im ICE-Verkehr nach Paris wären noch viel größer, wenn sich die beiden Bahnen nicht gegenseitig helfen würden – wobei allerdings die SNCF dank der zuverlässigeren und zahlreicheren Fahrzeuge der DB sehr viel öfter hilft als umgekehrt.

Solange die Bahn-Infrastrukturgebühren in Deutschland hoch bleiben oder sogar noch weiter steigen, besteht kaum Hoffnung, dass andere Bahnanbieter im Fernverkehr zu ernsthaften DB-Konkurrenten werden. Die ohnehin schon kleine Nische ist noch viel kleiner geworden, seit Fernbusse, die überhaupt keine Infrastrukturgebühren zahlen, das Billigsegment besetzt haben. Während die ersten privaten Fernzüge von Connex vor gut zehn Jahren – unter großem Beifall des Publikums, aber leider ohne ausreichenden wirtschaftlichen Erfolg – gezielt vom DB-Fernverkehr abgehängte Städte wie Gera oder Siegen bedienten, fahren die wenigen privaten Fernzüge heute auf stark frequentierten Strecken mit gutem DB-Angebot lediglich etwas billiger neben der DB her. Eine echte Perspektive für mehr Wettbewerb gäbe es in Deutschland wohl nur dann, wenn der Bund auf Linien mit problematischer Rentabilität Fernzüge bestellen würde – so wie das in Frankreich mit den TET geschieht, die in etwa mit früheren deutschen D-Zügen vergleichbar sind. Solche Verkehre ließen sich analog der heutigen Praxis im Regionalverkehr ausschreiben und im Wettbewerb vergeben.

Noch absurder als die abstruse Situation beim Thalys ist, dass die EU glaubt, derlei diene den Kunden.