13.07.2024 - Die Rheinpfalz -

Leitartikel: Das Riedbahn-Dilemma

Von Eckhard Buddruss
Eine so stark befahrene Bahnstrecke wie die von Mannheim nach Frankfurt fünf Monate lang zu sperren, wirkt auf den ersten Blick wie ein Stück aus dem Tollhaus. Aber die Alternativen, die es nun gäbe, wären wohl noch schlimmer.

Der Korridor zwischen Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Region gehört schon seit Jahrzehnten zu den Flaschenhälsen im deutschen Schienennetz. Bei der Riedbahn ist das Problem noch gravierender als die schon ungewöhnlich hohen Zugzahlen vemuten lassen. Schlimmer als die Anzahl der Züge selbst sind nämlich die hohen Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Regional- und Güterverkehr auf der einen Seite und den Fernzügen, die hier abschnittsweise mit bis zu Tempo 200 fahren, auf der anderen Seite. Seit mindestens 25 Jahren ist klar, dass hier so dringend wie kaum irgendwo sonst im Netz der Deutschen Bahn (DB) eine neue Strecke gebraucht wird, durch die sich schnelle und langsame Züge separieren lassen. Das Planungsverfahren für dieses Projekt ist nur äußerst zäh vorangekommen, nun droht es wegen der Kürzungen bei Mitteln für den Bahn-Ausbau auf die lange Bank geschoben zu werden.

Statt Entlastung durch eine neue Strecke kommt nun für fünf Monate der Totalausfall einer der drei vorhandenen, von denen mindestens zwei chronisch überlastet sind. Dadurch verschärft sich der Mangel an Kapazitäten in diesem stark frequentierten Korridor nochmals dramatisch. Dabei ist den Angebotsplanern zu bescheinigen, dass sie in der Mangelsituation einen gut durchdachten Sonderfahrplan ausgearbeitet haben, der für das Gros der Fahrgäste auch im Regionalverkehr ein noch relativ gutes Angebot vorsieht. Es gibt allerdings einige Härtefälle, wozu in der Pfalz vor allem die Verbindung von Speyer und Germersheim nach Mainz gehört.

Wie sich Anfang 2024, als die Riedbahn schon einmal drei Wochen lang gesperrt war, gezeigt hat, kann dieser Sonderfahrplan in der Praxis tatsächlich funktionieren – aber nur, wenn es keine Störungen, gibt und das ist inzwischen leider eher die Ausnahme. Der Sonderfahrplan ist extrem fragil, und wenn durch eine der häufigen externen Störungen eine der nur noch zwei befahrbaren Strecken ausfällt, werden die Folgen noch viel gravierender sein als sonst. Zu leiden hat unter den Engpässen gerade auch der Güterverkehr. Nun rächt sich, dass versäumt wurde, geeignete Umleitungsstrecken wie die Alsenzbahn von Bingen nach Hochspeyer rechtzeitig zu elektrifizieren.

Einer so wichtige Strecke monatelang zu sperren ist alles andere als vorbildlich. Eisenbahnen müssten es eigentlich schaffen, ihre Infrastruktur rechtzeitig und kontinuierlich zu erneuern. Die nun bei der Riedbahn geplante Generalsanierung, die es erlaubt, viele Bauarbeiten in großem Stil zu bündeln, ist aber angesichts des Zustands, in dem sich das DB-Netz nach jahrzehntelanger Vernachlässigung befindet, wohl ein geringeres Übel als ein Versuch, das bisher Versäumte nun jahrelang bei laufendem Betrieb nachzuholen. Allerdings gilt das möglicherweise nur bei Strecken wie der Riedbahn, für die immerhin zwei leistungsfähige (wenn auch überlastete) Umleitungsstrecken zur Verfügung stehen. Bei anderen Strecken – etwa der von Nürnberg über Regensburg nach Passau – dürften die Probleme, die eine monatelange Totalsperrung verursacht, noch weit größer sein als bei der Riedbahn. Das Gleiche gilt auch für die Strecke von Ludwigshafen über Kaiserslautern nach Saarbrücken.