31.05.2024 - Die Rheinpfalz 2024 -

Zum Artikel

Leitartikel: Die Pfalz als Takt-Pionier

Von Eckhard Buddruss
Viel Aufsehen erregte Rheinland-Pfalz vor 30 Jahren durch zwei sehr spezielle Deutschland-Premieren: die Reaktivierung einer stillgelegten Bahnstrecke und einen Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild. Beides hat Schule gemacht. Die deutsche Bundesregierung bekennt sich zum Ziel eines Deutschland-Takts nach Schweizer Vorbild. Weithin bekannt geworden ist dieses Projekt allerdings vor allem dadurch, dass der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), für dessen Realisierung etwa 50 Jahre veranschlagte. Bei dem ganzen Ärger über den real existierenden Zugverkehr in Deutschland wird meist vergessen, dass es in Teilbereichen einen Bahnfahrplan nach Schweizer Modell schon gibt, nur leider meist nicht mit der bei den südlichen Nachbarn üblichen Zuverlässigkeit.

Auch in der Pfalz bestimmen viel zu oft Verspätungen oder Zugausfälle das Bild, bis hin zur Sperrung ganzer Strecken, weil es an Personal für Stellwerke fehlt. Hinzu kommen Bauarbeiten mit drastischen Einschränkungen des Zugverkehrs wie nun wieder am kommenden Wochenende in der Westpfalz. Dass die Züge des Rheinland-Pfalz-Takts weitgehend pünktlich fahren, war früher einmal die Regel, heute ist es leider für viele zumindest gefühlt eher die Ausnahme.

Die Pfalz hat aber immerhin einen Bahn-Regionalfahrplan auf Schweizer Niveau. Entwickelt wurde das Takt-Konzept vom einschlägig ausgewiesenen Schweizer Unternehmen SMA. Dass Rheinland-Pfalz hier vor 30 Jahren eine Pionierrolle spielte, gehört auch im Rückblick zu den Sternstunden der Mainzer Landespolitik. Möglich wurde dies in den 1990er-Jahren durch eine glückliche Konstellation. Für Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), dessen Heimatgemeinde Steinfeld an der 1997 reaktivierten Bahnstrecke von Winden ins elsässische Weißenburg liegt, war der regionale Bahnverkehr ein Herzensthema. Genauso wichtig war aber, dass die FDP (Koalitionspartner der SPD von 1991 bis 2006) dabei ähnlich engagiert war. Die Lorbeeren für den Rheinland-Pfalz-Takt erntete durchaus zu Recht vor allem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Die entscheidende Figur im operativen Geschäft war aber Karl Geert Kuchenbecker, den Brüderle zum Leiter der Verkehrsabteilung in seinem Ministerium berufen hatte. Eine wichtige Rolle spielte auch der bei dem Thema besonders engagierte Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans Hermann Dieckvoß aus Kaiserslautern. Nach Brüderles Wechsel in den Bundestag 1998 war Staatssekretär Günter Eymael in Mainz der für den Rheinland-Pfalz-Takt wichtigste FDP-Politiker.

Angesichts dieser bedeutenden Verdienste der Liberalen um den regionalen Bahnverkehr wirkt es grotesk, dass sich im Programm der rheinland-pfälzischen FDP für die Kommunalwahlen am 9. Juni der Satz findet: „Die Bahnhöfe der Zukunft brauchen keine Schienen.“ Dabei geht es um die Aufwertung von Mitfahrerparkplätzen etwa durch Ladesäulen und sichere Fahrradplätze. Das kann sinnvoll sein, aber ein Ersatz für echte Bahnhöfe ist es nicht. Und so den Eindruck zu vermitteln, dass die FDP mit dem Rheinland-Pfalz-Takt einen ihrer größten landespolitischen Erfolge völlig vergessen hat, ist, gelinde gesagt, nicht sehr clever. In dieses Bild passt, dass der FDP-Landesvorsitzende und damalige rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing vor fünf Jahren das Jubiläum „25 Jahre Rheinland-Pfalz-Takt“ völlig ignorierte. Stattdessen präsentierte er „Rolph“ als neue Nahverkehr-Dachmarke , die sich inzwischen als völliger Flop erwiesen hat.

Immerhin soll in diesem Jahr das Rheinland-Pfalz-Takt-Jubiläum im Oktober mit Dampfzugfahrten gefeiert werden – ein spezifisch rheinland-pfälzischer Bahn-Marketing-Knüller, der zur Zeit des FDP-Staatssekretärs Günter Eymael besonders gepflegt wurde.