16.09.2023 - Die Rheinpfalz -

Sanierung bringt Sperrungen
Deutsche Bahn startet 2024 größtes Infrastrukturprogramm der Geschichte

Von Thomas Wüpper
Frankfurt. Nun steht die Reihenfolge fest. Die Deutsche Bahn AG hat erstmals offiziell mitgeteilt, wann 40 Hauptstrecken bis 2030 modernisiert und dafür monatelang gesperrt werden sollen. Die Region ist mehrfach betroffen.

Der Ausbau und die Digitalisierung von 4000 Kilometer Strecken sei das größte Infrastrukturprogramm seit der Bahnreform 1994, betonte DB-Chef Richard Lutz beim „Schienengipfel“ mit Verkehrsminister Volker Wissing in Frankfurt. Der Bund will zusätzlich 40 Milliarden Euro Steuergeld allein bis 2027 bereitstellen. Lange Zeit wurde das deutsche Schienennetz unterfinanziert und vernachlässigt. Nun soll ein 9000 Kilometer langes „Hochleistungsnetz“ entstehen. Die Generalsanierung beginnt nächsten Sommer direkt nach der Fußball-Europameisterschaft mit einem der meistbefahrenen Abschnitte in Europa: Vom 15. Juli bis 14. Dezember wird die 74 Kilometer lange Strecke Frankfurt-Mannheim komplett gesperrt. Dafür müssen täglich 300 Züge umgeleitet werden. Bis zu 15.000 Reisende pro Tag sollen Bus-Ersatzverkehr nutzen. Modernisiert werden Gleise, Weichen, Signalanlagen, Stellwerke und Bahnhöfe.

Stuttgart 21 wird Nagelprobe

Der Einbau des digitalen Steuersystems ETCS werde bis zu 30 Prozent mehr Kapazität durch dichtere Zugfolgen ermöglichen, betont der DB-Konzern, was Kritiker indes bezweifeln. Pilotprojekt bei ETCS ist der Bahnknoten Stuttgart, der mit dem Projekt Stuttgart 21 unter die Erde verlagert wird. Die Kosten der Großbaustellen am Neckar sind bereits auf rund 10 Milliarden Euro explodiert, S21 lief der DB komplett aus dem Ruder. Ende 2025 sollen der neue unterirdische Hauptbahnhof und knapp 60 Kilometer Tunnelstrecken im Stadtgebiet mit langer Verspätung eröffnet werden, weitere Ergänzungen sind aber noch nötig. Die mit S 21 gebaute und rund 4 Milliarden Euro teure ICE-Piste nach Ulm ging Ende 2022 in Betrieb. In den nächsten Jahren sollen die veralteten Schienenwege fit gemacht werden. 2025 wird als nächstes Großprojekt die mit täglich 30.000 Reisenden meistgenutzte Städteverbindung Berlin-Hamburg (278 km) folgen. 2026 soll die Hauptstrecke Hamburg-Hannover (189 km) angepackt werden. Für 2027 sind sieben Generalsanierungen geplant, darunter die Main-Neckar-Bahn von Frankfurt nach Heidelberg (92 km).

Für 2028 stehen sogar acht Generalsanierungen im DB-Plan, darunter die zentrale Nord-West-Verbindung Bremen-Hamburg (181 km).

Sperrung mitten in der Pfalz

2029 sollen weitere Projekte folgen, eines davon betrifft die Pfalz stark: die im zweiten Halbjahr 2029 geplante Sanierung der Strecke Forbach-Ludwigshafen, die quer durch die Pfalz führt und fünf Monate dicht sein soll. Das kann auch Behinderungen auf anderen Verkehrswegen bedeuten, zumal auch Brücken betroffen sind. Dann ist die Modernisierung der 90 Kilometer langen Strecke der Filstalbahn Stuttgart-Ulm vorgesehen. Für 2030 sind die letzten neun Großbaustellen gelistet, darunter Aus- und Umbau der Rheinbahn Mannheim-Karlsruhe (75 km) sowie der Abschnitt Ulm-Augsburg (92 km).

Der DB-Konzern ist seit der Bahnreform 1994 für das bundeseigene Schienennetz verantwortlich, erhält dafür jedes Jahr hohe Milliardenzuschüsse und steht nun unter Druck, den Sanierungsstau endlich aufzulösen. „Es ist jetzt an uns, zusammen mit der Bauindustrie die Ärmel hochzukrempeln“, sagte Konzernchef Lutz. Man erarbeite mit den Bahnunternehmen und den im Nahverkehr zuständigen Aufgabenträgern „ein leistungsstarkes Verkehrskonzept“ mit Umleitungsstrecken. Ziel sei, Einschränkungen für Reisende und den Güterverkehr während der Bauzeit „möglichst gering zu halten“.

Verkehrsminister Wissing räumte ein, die Schieneninfrastruktur sei „jahrzehntelang vernachlässigt und an ihre absoluten Grenzen gebracht“ worden. Das sei „nicht mehr hinnehmbar und einer fortschrittlichen Wirtschaftsnation unwürdig“.