29.10.2022 - Die Rheinpfalz

ÖPNV: Wo hakt’s in der Pfalz?

Leser-Aktion: Ein 49-Euro-Ticket soll den Öffentlichen Personen-Nahverkehr in Deutschland dauerhaft preiswert machen. Wir wollen heute wissen: Was müsste in der Pfalz bei Bussen und Bahnen besser werden, damit die Menschen tatsächlich einsteigen?

Das 9-Euro-Ticket hat in diesem Jahr den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) in Deutschland stärker denn je in den Fokus gerückt. 52 Millionen Mal hat sich das vergünstigte Ticket in den Sommermonaten verkauft, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in seiner Abschlussbilanz meldete. Dazu kamen noch einmal etwa zehn Millionen Abonnenten von Zeitkarten, die im Aktionszeitraum ebenfalls nur neun Euro pro Monat kosteten.

Wir erinnern uns: Mit den 9-Euro-Tickets konnte jeder und jede im Juni, Juli und August für neun Euro monatlich alle Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr nutzen, so oft er oder sie das wollte. Und an diesen Erfolg soll jetzt angeknüpft werden: In dieser Woche haben das Bundesverkehrsministerium und die Vertreter der Bundesländer über ein 49-Euro-Ticket als Nachfolge-Konzept verhandelt. Es ging dabei vor allem um die Finanzierung: Wer übernimmt die Kosten dafür, dass die Menschen die „Öffentlichen“ preiswerter nutzen können, als das bislang der Fall war?

Um die Qualität des ÖPNV im Land ging es bei der Debatte weniger. Wir wollen das Thema ÖPNV daher heute von einer anderer Seite angehen. Was, wenn gar nicht die Kosten das größte Problem darstellen, das Menschen an der Nutzung des ÖPNV hindert? Was, wenn es die weitreichende Unzulänglichkeit des Öffentlichen Personennahverkehrs zum Beispiel in der ländlichen Pfalz wäre, der die Menschen davon abhält, ihre Autos stehen zu lassen und in Busse oder Bahnen umzusteigen? Vor diesem Hintergrund wollen wir heute von unseren Leserinnen und Lesern wissen: Wo hakt es aus Ihrer Sicht beim Nahverkehr in der Pfalz? Wo kommt man nicht – und schon gar nicht schnell – von A nach B, wenn man das Auto stehen lässt? Wir wollen zum Beispiel erfahren: Ergeht es Ihnen als Bahnfahrer regelmäßig wie dem Kollegen, der für die kurze Strecke von Neustadt nach Ludwigshafen in dieser Woche wieder einmal anderthalb Stunden gebraucht hat, weil die S-Bahn in Neustadt-Böbig einfach nicht gekommen ist?

Gleiches berichtet übrigens auch ein weiterer Kollege, der im Bereich der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH RNV unterwegs ist: „Es fallen zu Pendlerzeiten (bei meiner Frau vor 7 Uhr, bei mir gegen 9 Uhr) Straßenbahnen auf den Linien 4/4a/9 zwischen Oggersheim und Ludwigshafen/Mannheim einfach aus“ – oder sie seien so sehr verspätet, dass es einem Ausfall gleichkomme. Der Kollege wundert sich auch, dass die S-Bahn 6, die meist ab Mannheim in Richtung Worms startet, am ersten Bahnhof nach Mannheim, also in Ludwigshafen-Mitte, zu Nach-Hause-Fahrzeiten am Nachmittag oft um 10 bis 15 Minuten verspätet ist. Er fragt sich: „Hä? Wie kann ein Zug innerhalb von einem Kilometer Bahnstrecke 15 Minuten verspätet sein?“

Aber es soll natürlich nicht nur um Verspätungen gehen, die derzeit aufgrund von Personalmangel bei den Verkehrsbetrieben besonders häufig aufzutreten scheinen. Es geht auch um strukturelle Mängel. Nehmen wir das jahrzehntelange und bislang vergebliche Warten auf die S-Bahn-Verbindung Zweibrücken–Homburg. Oder was sagen Landauer, die sonntags aus ihrem Stadtdorf gerade einmal im Zweieinhalb-Stunden-Rhythmus mit dem Bus in die Kernstadt kommen? Oder wie sieht es in der Nordpfalz aus? Die Redaktion der Donnersberger Rundschau berichtete in dieser Woche über einen Familienvater, der sich seit Jahren für eine bessere Schulbusverbindung im Appeltal einsetzt: Fast drei Stunden Schulweg am Tag müsse sein Sohn auf sich nehmen, wenn er von Gerbach aus in die Schule im 21 Kilometer entfernten Winnweiler kommen will (einfache Autofahrt laut Routenplaner: 23 Minuten). Kein Wunder, dass viele Eltern lieber Fahrgemeinschaften mit Autos bilden, als ihre Kinder per ÖPNV in die Schule zu schicken. Immerhin fährt, wie zu lesen war, ein Schulbus jetzt probeweise eine andere Strecke, was den Schülern wenigstens morgens 15 Minuten Fahrzeit erspart.

Also: Wir wollen heute von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wissen, wo es aus Ihrer Sicht beim ÖPNV hakt. Oder andersrum gefragt: Was müsste in Ihrem Ort oder auf Ihrem Weg zur Arbeit passieren, damit Sie wegen des 49-Euro-Tickets umsteigen würden? Schreiben Sie uns! mk

Die Adresse
Schreiben Sie uns bis 3. November unter dem Stichwort „ÖPNV“ an ras-aktion@rheinpfalz.de oder an RHEINPFALZ am SONNTAG, Amtsstraße 5-11, 67059 Ludwigshafen.ras


Dazu ein Leserbrief am 12.11.2022
Nahverkehr in der Pfalz Vernachlässigt Zum Artikel „Nahverkehr in der Pfalz – der Fahrpreis ist nicht alles“: Die Briefe in der letzten Ausgabe zu dem Thema Nahverkehr charakterisieren eine einseitige Verkehrspolitik. Zwischen Landau und Pirmasens reißt man seit Jahrzehnten für Hunderte von Millionen die Landschaft auf, damit die Fahrzeit zwischen den beiden Städten um etwa zehn Minuten verkürzt werden kann. Die parallel verlaufende Bahnstrecke bleibt eingleisig und ist nicht elektrifiziert. Landauf, landab wird der Nahverkehr vernachlässigt – nicht nur auf der Schiene, sondern auch bei Straßen für Ortsumgehungen, wie auf der B 271 nördlich von Bad Dürkheim. Gelder für prestigeträchtige Objekte, wie Stuttgart 21, den neuen Flughafen Berlin und ganz allgemein für autobahnähnliche Straßen stehen unbegrenzt zur Verfügung. Wieso diese Fehlentwicklungen im Wesentlichen zu Lasten der ländlichen Bevölkerung? Die Antwort lautet: Erfolgreicher Lobbyismus der finanzkräftigen Automobil- und Verkehrsindustrie, die kein Interesse an einer guten Bahnverbindung zwischen Dörfern und Kleinstädten hat. Nur ein Beispiel: Matthias Wissman war von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister. Anschließend bekleidete er mehrere Ämter als Lobbyist in Diensten der Automobilindustrie. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Joachim Kuntz, Haßloch