24.03.2022 - Die Rheinpfalz

Ob grün, gelb oder dunkelrot: Alle müssen zittern

Das Saarland ist anders als der Rest der Republik. Hier sind CDU und SPD noch echte Volksparteien. Und die kleinen Parteien sind wirklich klein. Deshalb müssen am kommenden Sonntag sowohl die Grünen als auch die FDP und die Linken bangen. Das erste Ziel lautet: irgendwie über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Von Georg Altherr

SAARBRÜCKEN. In Deutschland sind die Grünen zur wichtigen politischen Macht geworden. Auf Bundesebene waren sie in Umfragen zeitweise stärkste Partei, seit elf Jahren stellen sie den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Die Grünen sitzen in allen deutschen Länderparlamenten. In allen – außer im Saarland. Dort flogen sie 2017 aus dem Landtag.

Der FDP erging’s noch schlechter. Die Liberalen stellen schon seit zehn Jahren keine Abgeordneten mehr im Saar-Parlament. Damals, 2012, holten sie bei der Landtagswahl unterirdische 1,2 Prozent der Stimmen, fünf Jahre später 3,3 Prozent.

Die Misere von Gelb und Grün hat einen gemeinsamen Grund: Das Scheitern der ersten Jamaika-Koalition in Deutschland vor zehn Jahren. Diese war 2009 im Saarland geschlossen worden. Das Bündnis platzte wegen der FDP. Die damals führenden Saar-Liberalen bekriegten sich gegenseitig und leisteten sich eine Affäre nach der anderen. Aber auch die Grünen hatten mit einer Politik voller Widersprüche zum Fiasko beigetragen. Einerseits setzten sie radikale Positionen durch, andererseits verhinderte die grüne Verkehrsministerin mit allen Tricks die Reaktivierung der Bahnstrecke von Homburg nach Zweibrücken.

Danach hatten die Saarländer die Nase von FDP und Grünen gestrichen voll. Die FDP war im Saarland so gut wie tot, musste sich personell und programmatisch ganz neu aufbauen. Und die Grünen verfielen in eine in diesem Landesverband altbekannte Gewohnheit: Machtspielchen spielen. Der größte Strippenzieher heißt Hubert Ulrich, 64 Jahre alt, skandalumwittert, aber er hat bis heute den mitgliedermächtigsten Kreisverband Saarlouis hinter sich. Ulrich schaffte es im vergangenen Jahr irgendwie, sich an die Spitze der saarländischen Grünen-Liste zur Bundestagswahl 2021 wählen zu lassen, obwohl der erste Listenplatz bei den Grünen immer einer Frau zusteht. Das löste einen Rechtsstreit und riesiges Theater aus – mit dem Ergebnis, dass am Ende die Grünen im Saarland bei der Bundestagswahl nicht antreten durften.

Erst im Januar, zwei Monate vor der Landtagswahl, haben es die Grünen geschafft, sich zusammenzuraufen und mit Lisa Becker aus Blieskastel (31) eine respektable Spitzenkandidatin zu präsentieren. Ein ganz frisches Gesicht, das nicht in die alten Grabenkämpfe verwickelt ist und nun im Wahlkampf verkündet: „Die Grünen sind wieder wählbar.“

Auch die Liberalen haben mit Angelika Hießerich-Peter (58) eine politisch unverbrauchte Spitzenkandidatin nominiert. Sie ist Quereinsteigerin, führt ein Hotel in Mettlach, vis-à-vis dem Porzellan- und Keramikhersteller Villeroy & Boch, und trat lange nach Jamaika in die Partei ein. Während Grüne und FDP frisch und fröhlich mit unbefangenem Personal aus der außerparlamentarischen Opposition heraus am Landtag anklopfen, sieht es bei den Linken umgekehrt aus.

Mit Oskar Lafontaine als Zugpferd war die Linkspartei im Saarland immer bärenstark. Nirgendwo sonst in der alten Bundesrepublik erzielte die Linke so gute Ergebnisse wie im Saarland: seit 2009 immer zweistellig und damals mit 21 Prozent nur knapp hinter der SPD. Doch der Stern Lafontaines sank gemächlich, zudem zerfielen die Linken an der Saar in mindestens zwei Lager. Zuletzt spaltete sich die zuvor siebenköpfige Landtagsfraktion sogar. Seit November sitzen zwei Links-Fraktionen im saarländischen Parlament: die Linke, sozusagen das Original, und die Saar-Linke, die Abspaltung.

Zur Landtagswahl tritt die Abspaltung an: die Saar-Linke, die zum Original werden will. Die Alt-Linken um Oskar Lafontaine tun derzeit allerdings alles dafür, damit im nächsten Landtag gar keine Linken mehr sitzen: Sie treten nach und nach mit viel Palaver aus der Partei aus – nicht ohne die Linkspartei für nicht mehr wählbar zu erklären. Dies könnte am Ende tatsächlich dazu führen, dass die Linken die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr überspringen. Streit, Machtkämpfe, Riesentheater bei Linken und Grünen: Das sieht eine Wählervereinigung als Chance für sich. „Bunt.saar“ heißt dieser neue Verein. Er empfiehlt sich als Sammelbecken für enttäuschte Linke, Grüne, aber auch für Frei-, Sozial- und Christdemokraten.

Ganz chancenlos gehen die Bunten nicht in die Wahl. Je mehr Federn die anderen lassen, desto eher könnte der neuen Formation der Sprung ins Parlament an der Saar gelingen.