11.09.2021
Die Rheinpfalz

Neue Perspektive für Neustadt–Karlsruhe

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Der Verkehr auf der stark frequentierten und dicht befahrenen Bahnstrecke von Neustadt über Landau nach Karlsruhe leidet schon seit langer Zeit erheblich unter dem eingleisigen Nadelöhr zwischen Winden und Wörth. Nun gibt es eine neue Initiative, um diesen Engpass zu beseitigen.
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Die Strecke zwischen Neustadt und Karlsruhe gehört zu den neuralgischen Punkten im Pfälzer Bahnverkehr. Durch den Rheinland-Pfalz-Takt wurde das Zugangebot zwar sukzessive deutlich verbessert, aber die Zuverlässigkeit des Betriebs lässt immer wieder stark zu wünschen übrig. Häufig kommt es zu Störungen an Bahnübergängen. Ein besonderes Problem ist das völlig veraltete Stellwerk im Eisenbahnknotenpunkt Winden, wo die Strecken nach Bad Bergzabern und ins elsässische Weißenburg abzweigen. Ärger machen auch immer wieder die störanfälligen „Desiro“-Triebwagen (Baureihe 642), die kaum irgendwo in Deutschland in so anspruchsvollen Dienstplänen eingesetzt werden wie auf der Linie RE 6 von Karlsruhe über Landau nach Neustadt (und teilweise weiter nach Kaiserslautern)

. Auf dem durchgehend zweigleisigen Abschnitt von Neustadt nach Winden fahren drei Zugpaare pro Stunde. Außer dem RE 6 (der als einzige RE-Linie der Pfalz durchgehend im Stundentakt verkehrt) gibt es eine stündliche Regionalbahn-Linie RB 51 von Neustadt nach Karlsruhe, die alle Halte bedient und zudem die Regionalbahn-Linie von Neustadt nach Weißenburg, die ab Ende 2024 stündlich weiter nach Straßburg fahren soll.

RE 6 und RB 51 fahren in Karlsruhe in halbstündlichem Abstand ab, so dass sich zu den nahe an Karlsruhe gelegenen Halten (vor allem Kandel) kein lupenreiner, aber doch ein angenäherter Halbstundentakt ergibt.

Eingleisiges Streckenstück behindert den Betrieb Der 13 Kilometer lange Abschnitt von Winden nach Wörth ist nur eingleisig, das früher einmal vorhandene zweite Gleis wurde nach dem Zweiten Weltkrieg demontiert. Wegen des eingleisigen Streckenstücks mit einer Kreuzungsmöglichkeit nur in Kandel übertragen sich die leider nicht seltenen Verspätungen häufig auf Züge der Gegenrichtung. Ein besonderes Ärgernis ergibt sich dann, wenn Reisende aus einem RE-6-Zug wegen dessen Verspätung in Karlsruhe ihren Anschlusszug verpassen. Dort fahren viele Züge jeweils wenige Minuten nach der vollen Stunde ab, der RE 6 kommt planmäßig zur Minute 54 an. Schon bei wenigen Minuten Verspätung sind die Anschlüsse gefährdet, zumal die RE-6-Züge meist auf den im Eisenbahnerjargon „Pfälzer Bahnhof“ genannten Gleisen mit Hunderter-Nummern (wie 101) außerhalb der Haupthalle ankommen, von denen längere Wege zurückzulegen sind.

Seit langem wird gefordert, dass zweite Gleis zwischen Winden und Wörth wiederaufzubauen, meist im Zusammenhang mit einer Elektrifizierung der Strecke von Neustadt nach Wörth. Konkrete Fortschritte gab es bisher nicht. Zuletzt ist eine Aufnahme in das Projekt „Elektrische Güterbahn“ knapp an einem zu geringen Nutzen-Kosten-Wert gescheitert. Der für den regionalen Schienenverkehr in der Pfalz zuständige Zweckverband hat nun eine neue Initiative ergriffen, um das Problem anzugehen.

Machbarkeitsuntersuchung für kompletten Abschnitt Die jüngste Versammlung des Zweckverbands am 17. August hat beschlossen, die DB Netz AG als Infrastrukturbetreiberin mit einer Machbarkeitsuntersuchung für einen zweigleisigen Ausbau zwischen Wörth und Winden zu beauftragen, wobei auch eine mögliche Elektrifizierung berücksichtigt werden soll. Dabei fließen Ergebnisse zur bereits früher in Auftrag gegebenen Untersuchung zum zweigleisigen Ausbau eines Teilabschnitts östlich von Winden ein.

Der Auftrag für eine Untersuchung des kompletten Abschnitts ist einerseits ein Fortschritt, anderseits aber auch ein Stück Ernüchterung. Hinter der zunächst mit Vorrang untersuchten Variante einer kürzeren Ausbaustrecke östlich von Winden stand die Hoffnung, dass sich der Ausbau auf diesem vergleichsweise einfachen Abschnitt relativ schnell und kostengünstig realisieren lassen könnte. Möglich wäre mit dieser kleinen Lösung immerhin eine Modifizierung der RE-6-Fahrzeiten, die die Anschlüsse in Karlsruhe zuverlässiger machen würde. Zur Finanzierung wurde dabei der Topf angepeilt, der im Zusammenhang mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Deutscher Bahn steht. Bei diesem im Fachjargon als „LuFV 8.7“ bezeichneten Topf handelt es sich um Bundesmittel, über deren Verwendung aber de facto die Länder entscheiden können. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass auch der kürzere Ausbau östlich von Winden den Rahmen des nur bescheiden dotierten LuFV 8.7-Topfes sprengen würde. Zur Finanzierung kommt deshalb wohl nur der Topf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) in Frage, der in den kommenden Jahren deutlich aufgestockt wird. Der Zugang zu diesen Mitteln ist aber schwieriger, zudem ist eine kommunale Mitfinanzierung erforderlich.

Baldige Verbesserungen der Infrastruktur zwischen Winden und Wörth sind deshalb zunächst nicht in Sicht. Nächster bedeutender Fortschritt zumindest in puncto Umweltfreundlichkeit ist hier der Einsatz von Akku-Hybrid-Triebwagen, der auf den beiden Linien von Neustadt nach Karlsruhe Ende 2025 beginnen soll.

Das Ausschreibungsverfahren, mit dem der künftige Betreiber der Züge auf diesen Linien ermittelt werden soll, steht kurz vor seinem Abschluss. Bisher gibt es noch keine offizielle Entscheidung. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass hier auch künftig (wie bisher) DB Regio, die Regionalverkehrssparte der Deutschen Bahn, fahren wird.

Kommentar: Endlich Licht am Ende des Tunnels?

Von Eckhard Buddruss

Für den zweigleisigen Ausbau des Abschnitts Winden–Wörth wird nun der erste Schritt getan. Noch völlig ungeklärt ist aber die Finanzierung. Die Bahnstrecke von Neustadt über Landau nach Karlsruhe war von den jüngsten GDL-Streiks besonders gebeutelt. Aber auch ohne Streik gibt es auf dieser Strecke immer wieder Probleme, die durch den eingleisigen Abschnitt zwischen Winden und Wörth erheblich verschärft werden.

Die jüngste Entscheidung, eine Machbarkeitsuntersuchung für den kompletten zweigleisigen Ausbau in Auftrag zu geben, ist eine Art Flucht nach vorn. Zuvor war nämlich beabsichtigt, mit einem kleineren Vorhaben einen Einstieg in den Ausbau zu finden und so den jahrzehntelangen Stillstand bei der Streckeninfrastruktur zu überwinden. Leider hat sich aber inzwischen herausgestellt, dass der im Fachjargon „LuFV 8.7“ genannte Finanzierungstopf, der hierfür vorgesehen war, zu gering dotiert ist, um das Projekt in absehbarer Zeit umzusetzen.

Wie die Perspektiven für die nun in Angriff genommene größere Variante aussehen, wird entscheidend davon abhängen, wie viel Geld zu welchen Konditionen künftig für solche Projekte bereit steht. Das wiederum hängt stark davon ab, wer die nächste Bundesregierung bilden wird. Schöne Worte über die Bedeutung der Bahn für den Klimaschutz finden sich in den Programmen aller relevanten Parteien. Klare Aussagen, dass erheblich mehr Geld für den Ausbau des umweltschonenden Schienenverkehrs zur Verfügung gestellt werden soll, machen dagegen nur die Grünen.