01.08.2020
Die Rheinpfalz

Fahrten ins Ungewisse

Neues von Nebenan: „Krisendestillation“ erstmals auch im Elsass – Alstom-Mitarbeiter bangen um die Zukunft des Werks in Reichshoffen Desinfektionsmittel statt Wein? Ein Teil der noch in Kellern lagernden Weine wird im Elsass derzeit zu Alkohol destilliert. 78 Cent pro Liter erhalten die Betriebe als Entgelt vom Staat. Umstritten ist, ob die Auswirkungen der aktuellen Krise damit einzudämmen sind.

Von „Krisendestillation“ ist in Frankreich die Rede. Überschüssige Weinmengen zu Industriealkohol verbrennen ...

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Fusionsopfer Reichshoffen? Für die 780 Mitarbeiter am Alstom-Standort im nordelsässischen Reichshoffen war es ein Schock: Anfang Juli kündigte der französische Bahnhersteller an, sein Werk dort verkaufen zu wollen. Der Konzern will damit Zugeständnisse an die EU-Kommission machen, um die Transportsparte des kanadischen Zugherstellers Bombardier übernehmen zu können. Den EU-Kartellwächtern ist vor allem die so entstehende Marktmacht von Alstom und Bombardier in der Signaltechnik, bei Hochgeschwindigkeits-, Intercity- und Regionalzügen ein Dorn im Auge. Alstom und Bombardier zusammen würden zum weltweit zweitgrößten Hersteller hinter dem chinesischen Konzern CRRC werden.

Die Verkaufsabsichten des Alstom-Werkes Reichshoffen löst im Elsass bei Gewerkschaften wie Regionalpolitikern große Sorge aus. Nach Gewerkschaftsangaben ist der Standort Reichshoffen leichter als andere Alstom-Werke zu verkaufen, weil im Elsass nur ein Produkt hergestellt wird: der für den französischen Markt bestimmte Regionalzug Regiolis. „Alle anderen Stätten zeichnen sich durch Produktdifferenzierung aus“, sagt Betriebsrat Daniel Dreger. Bestürzung auch bei Hubert Walter, dem Bürgermeister von Reichshoffen. Er könne nicht verstehen, warum ein Werk zur Disposition stehe, das an innovativen Projekten für den öffentlichen Nahverkehr der Zukunft arbeite. Dazu gehöre etwa die Weiterentwicklung des Alstom-Triebwagen Regiolis zu einem Fahrzeug, das auch in Deutschland fahren kann. „Entsprechende Übereinkünfte sind schon unterzeichnet“, betont Walter. Werner Schreiner, Beauftragter für grenzüberschreitende Beziehungen des Landes Rheinland-Pfalz, teilte aus laufenden Gesprächen mit, dass die Region Grand Est die Lieferung der Fahrzeuge zugesagt habe. Sie sollen auf den zukünftigen grenzüberschreitenden Verbindungen zum Einsatz kommen. orey/gil