22.05.2020
Die Rheinpfalz

Bahn tut mehr für saubere Züge

In den nächsten Wochen dürften wieder mehr Menschen mit dem Zug unterwegs sein. Damit sie dabei in der Corona-Krise kein mulmiges Gefühl haben müssen, stockt die Deutsche Bahn beim Reinigungspersonal kräftig auf. In Frankfurt testet sie zudem eine spezielle Methode.

Berlin. Die Deutsche Bahn (DB) will in Zeiten der Corona-Pandemie mehr für Hygiene und Sauberkeit in Zügen und an Bahnhöfen tun. Dafür will der bundeseigene Konzern bis Juli die Anzahl der Reinigungskräfte in den Fernverkehrszügen auf 500 verdoppeln, teilte das Unternehmen mit. Im August sollen dann 600 dieser „Unterwegsreiniger“ in den ICE- und IC-Zügen im Einsatz sein, hieß es. Alles in allem seien bundesweit 4300 Mitarbeiter für die Reinigung in Fahrzeugen und an Bahnhöfen zuständig.

Schwerpunkt der Reinigung liege nun auf den sogenannten Kontaktflächen, also Türdrücker, Griffe und Haltestangen. Auch Waschräume und Toiletten gehörten dazu. Fernverkehrszüge werden demnach bei der Bereitstellung in den Werken gereinigt sowie alle zwei Stunden während der Fahrt. Regionalzüge „werden im Durchschnitt drei Mal pro Tag gesäubert“, hieß es. „Bei Linien mit vielen Reisenden auch häufiger.“

Im Bordbistro sind Masken erhältlich In den Zügen wiesen die Beschäftigten kontinuierlich auf die Hygienevorschriften wie das Tragen von Stoffmasken hin, sagte ein Sprecher. Wer keine Maske besitze, könne für 1,50 Euro im Bordbistro der Fernzüge eine kaufen. Die Bahn hat dafür nach eigenen Angaben 19 Millionen Stück erworben.

Die DB will an rund 180 Bahnhöfen und den 150 Service Stores künftig auch Desinfektionsmittel aus Spendern kostenlos anbieten. Außerdem könne dann an den 20 großen Bahnhöfen – wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Köln – die Waschräume kostenlos genutzt werden, um sich die Hände zu waschen.

UV-Licht reinigt Rolltreppen-Handlauf Am Frankfurter Hauptbahnhof testet die DB zudem künftig an zwei Rolltreppen die Reinigung mit UV-Licht.

Gereinigt werden die Handläufe der Treppen, die von den unterirdischen S-Bahnsteigen hinauf in die Bahnhofshalle führen, sagte Bahnhofsmanager Hartmut Schwarz. Die Methode werde zunächst für vier Wochen getestet, bevor sie an anderer Stelle in Frankfurt oder an anderen Bahnhöfen eingesetzt werden könne.

Hermann: Ab Mitte Juni wieder Normalfahrplan In Baden-Württemberg fahren die Bahnunternehmen ähnlich wie in der Pfalz nach der coronabedingten Ausdünnung des Fahrplans das Angebot wieder nach und nach auf das Normalmaß hoch. Zum Fahrplanwechsel Mitte Juni sollen im Regionalverkehr, von Ausnahmen etwa durch Baustellen abgesehen, wieder 100 Prozent der Verbindungen angeboten werden, wie Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Vertreter der Betreiber Abellio, DB Regio, Go-Ahead und SWEG ankündigten. Um einen stabilen Verkehr gewährleisten zu können, war der Fahrplan im März je nach Netz um bis zur Hälfte ausgedünnt, Anfang Mai aber schon wieder etwas erweitert worden. „Wir haben die letzten zwei Monate im öffentlichen Verkehr gut gemeistert“, sagte Hermann. Die Pünktlichkeit habe durchweg deutlich über 90 Prozent gelegen, die Ausfallquote unter 1 Prozent. Allerdings lag auch die Auslastung der Züge anfangs bei unter 20 Prozent. Inzwischen ist auch sie wieder höher geworden, liegt aber noch weit unter den gewohnten Werten. Was Pünktlichkeit und Ausfälle angeht, hoffen die Unternehmen, die Werte halten zu können. So seien Abläufe und Absprachen verbessert und Wartungstermine vorgezogen worden.

„Wir haben nahezu unter Laborbedingungen Eisenbahn betreiben können“, sagte der Chef der DB Regio Baden-Württemberg, David Weltzien. „Wir wollen das gute hohe Niveau halten“, betonte Hermann.

Ferlemann bekräftigt Ziele für Bahnverkehr Der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), hat Befürchtungen zurückgewiesen, dass wegen der Corona-Krise ein Stellenabbau bei der DB droht. „Wir stehen klipp und klar zur Strategie der Bahn“, sagte Ferlemann der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Fahrgastzahlen im Personenverkehr sollten bis 2030 verdoppelt werden und 70 Prozent mehr Güter auf der Schiene befördert werden. „Wenn das Bahnmanagement diese Ziele erfüllen soll, dann können wir keine Stellen abbauen, sondern brauchen das Personal, das die Bahn derzeit einstellen möchte.“ dpa/ebu

Kommentar: Bloß kein neues Desaster à la 2003!

Von Eckhard Buddruss

Für ein attraktives Bahnangebot ist es in Deutschland nötig, dass die Züge frei zugänglich sind. Das hat die Preissystem-Pleite von 2003 gezeigt.

Die Bundesregierung hält an ihren ambitionierten Zielen für die Entwicklung des Schienenverkehrs in Deutschland fest. Es ist gut, dass Staatssekretär Enak Ferlemann das klargestellt und sich gegen Personalabbau bei der Deutschen Bahn (DB) ausgesprochen hat. Der Test auf die Glaubwürdigkeit dieser Aussagen ist allerdings die Bereitstellung der dafür nötigen Mittel im Bundeshaushalt.

Unverzichtbar für die Attraktivität des Bahnverkehrs in Deutschland ist, dass die Fernzüge frei zugänglich sind. Ab und zu wird zwar eine ICE-Reservierungspflicht in die Diskussion gebracht und dabei meist auf den TGV verwiesen. Die französische Staatsbahn SNCF mit ihrem reservierungspflichtigen TGV ist aber kein geeignetes Vorbild. Frankreich ist gewissermaßen das eine Extrem, die Schweiz das andere. In der Schweiz sind alle Züge zu einem einheitlichen Tarif nutzbar, auch die ausländischen Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV. In Frankreich ist der TGV dagegen ein separates System mit einem Preisgefüge ähnlich wie im Flugverkehr. Der deutsche Bahn-Fernverkehr bewegt sich zwischen diesen Extremen, aber er ähnelt mehr der Schweiz als Frankreich, weil vom ICE viel mehr Bahnhöfe bedient werden als im französischen System, das stark von oft nonstop fahrenden Zügen von und nach Paris geprägt ist.

Bei der DB ist zum Glück immer noch unvergessen, welches Desaster Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn 2003 mit einem Airline-orientierten Preissystem erlebt hat. Dabei wurde damals noch nicht einmal die freie Zugänglichkeit der Züge abgeschafft, sondern nur die Möglichkeit, ohne Zugbindung zum halben Preis zu fahren. Das reichte aber schon, um das neue Preissystem spektakulär scheitern zu lassen. Seitdem ist die DB dafür besonders sensibilisiert, wie heikel es ist, die freie Zugwahl einzuschränken und wie wichtig gerade in der Konkurrenz zum Auto die freie Zugänglichkeit der Züge ist.