21.02.2020
Die Rheinpfalz

Mehr Fahrgäste in Bahnen, weniger in Bussen

Gegenläufige Trends im öffentlichen Nahverkehr – Sondereffekte in Stuttgart durch Preissenkung
Von Eckhard Buddruss

Berlin/Ludwigshafen. Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr sind 2019 auf einen Rekordwert gestiegen. Einen Rückgang gab es allerdings bei den Bussen, dagegen stiegen die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr.

Wie der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf der Basis vorläufiger Daten mitteilte, stieg die Anzahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen 2019 bundesweit um 0,3 Prozent auf rund 10,413 Milliarden.

Dabei entwickelten sich die drei Segmente, die der VDV in seiner Statistik unterscheidet, ganz unterschiedlich. Im Busverkehr, der mit rund 40 Prozent der Fahrgäste immer noch den größten Anteil hat, gab es einen Rückgang um 0,5 Prozent. Beim rund 39 Prozent der Fahrgäste ausmachenden Segment Straßenbahn (dem auch Stadt- und U-Bahnen zugerechnet werden) gab es einen leichten Anstieg um 0,1 Prozent. Einen deutlich höheren Zuwachs verzeichnete mit 2,2 Prozent der Bereich Eisenbahn (im Fachjargon SPNV für Schienenpersonennahverkehr genannt). Diesem Segment, das bundesweit für rund 21 Prozent der Fahrgäste steht, werden auch die S-Bahnen zugerechnet.

Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), zu dessen Tarifgebiet die komplette Pfalz gehört, veröffentlicht seine Fahrgastzahlen für das abgelaufene Jahr meist im März oder April. Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor. 2018 ging die Fahrgastzahl im VRN-Bereich entgegen dem bundesweiten Trend um 1,05 Prozent auf 305,9 Millionen zurück. Grund dafür waren vor allem die sinkenden Schülerzahlen, die sich durch zusätzliche Fahrgäste bei Berufspendlern nicht vollständig ausgleichen ließen. Die Anzahl der VRN-Maxx-Tickets für Schüler und Auszubildende sank 2018 im Jahresdurchschnitt im Vergleich zum Vorjahr um 3,43 Prozent auf 140.506.

Erfolg für Stuttgarter Tarifreform Ungewöhnlich positiv haben sich im vergangenen Jahr die Fahrgastzahlen im Bereich des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) entwickelt. Dort stieg die Anzahl der Fahrgäste um 2,8 Prozent auf 394,5 Millionen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte eine Anfang April in Kraft getretene Tarifreform sein, die das Preissystem stark vereinfacht und in vielen Fällen zu deutlichen Preissenkungen geführt hat.

Während es im ersten Quartal 2019, ähnlich wie im bundesweiten Trend, beim VVS nur eine geringfügige Steigerung der Fahrgastzahlen gab, ist das relativ hohe Nachfrageplus vor allem auf den Zeitraum nach der VVS-Tarifreform im April zurückzuführen. Seit diesem Zeitpunkt ist die Anzahl der beförderten Personen in den Bahnen und Bussen der Verkehrsunternehmen im VVS um 3,2 Prozent gestiegen.

Laut VVS betrugen 2019 die reinen Fahrgeldeinnahmen 511,4 Millionen Euro, das sind 5,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Dieser Rückgang sei vor allem auf die Preissenkungen durch die Tarifreform zurückzuführen. Für die einkalkulierten Mindereinnahmen leisteten die Finanzierungsträger der Tarifreform (die Stadt Stuttgart, die VVS-Landkreise und das Land Baden-Württemberg) den Verkehrsunternehmen einen Ausgleich von 31,8 Millionen Euro.

Die vergleichsweise hohe Bereitschaft in der Region um die baden-württembergische Landeshauptstadt, Mittel für eine VVS-Tarifreform mit Fahrpreissenkung bereitzustellen, erklärt sich wohl vor allem durch die in Stuttgart und Umgebung besonders massiven Luftqualitätsprobleme, die auch zu Dieselfahrverboten geführt haben.

Kommentar: Zugverkehr zieht

Von Eckhard Buddruss Ein attraktiver Schienenverkehr ist mehr denn je gefragt. Rheinland-Pfalz war Pionier bei Bahn-Reaktivierungen. Nun gerät das Land aber ins Hintertreffen.

Hinter dem leichten Zuwachs, den der öffentliche Nahverkehr bundesweit verzeichnet, gibt es zwei gegenläufige Trends. Im Busverkehr, bei dem Schüler eine dominierende Rolle spielen, sinken die Fahrgastzahlen. Dagegen lassen sich mit einem attraktiven Bahnverkehr Autofahrer zum Umsteigen bewegen, was zu mehr Fahrgästen führt. Es ist deshalb verdienstvoll, wenn sich Bürger – wie in Zweibrücken und Umgebung – engagiert, geduldig und letztlich erfolgreich für einen attraktiven Schienenverkehr einsetzen. Für die S-Bahn nach Zweibrücken stehen die Signale auf Grün.

Die Klimaschutzdiskussion hat dem Trend zur Reaktivierung von Bahnstrecken erheblichen Rückenwind verschafft. Fortschritte gibt es derzeit besonders in Baden-Württemberg. Das lange strittige Projekt Calw–Weil der Stadt, für das sich der zugkräftige Begriff „Hermann-Hesse-Bahn“ eingebürgert hat, ist nun definitiv auf gutem Weg.

Ronald Pofalla, früherer CDU-Kanzleramtsminister und jetzt Infrastrukturchef der Deutschen Bahn, sagte kürzlich: „Wir brauchen in Deutschland jeden Kilometer Gleis, um den wachsenden Verkehr zu bewältigen und das System Schiene robuster zu machen.“ Vor diesem Hintergrund spielen sich in Rheinland-Pfalz groteske Dinge ab.

Das Land war in den 1990er-Jahren mit dem FDP-Verkehrsminister Rainer Brüderle Pionier und Trendsetter beim Thema Bahn-Reaktivierungen. Nun wächst die Gefahr, dass sich das Land mit der nordpfälzischen Zellertalbahn zum Gespött macht. Die Strecke steht nun schon das dritte Jahr nicht zur Verfügung – weder für den regulären Ausflugsverkehr, noch für Sondersituationen, bei denen sie wichtig wäre wie 2018 beim Rheinland-Pfalz-Tag in Worms und nun Ostern 2020, wenn die Pfälzer Ost-West-Hauptstrecke gesperrt ist. Der Landesrechnungshof versucht, mit unsinnigen Behauptungen und Forderungen die anstehenden Erneuerungsinvestitionen zu sabotieren, und das Mainzer Verkehrsministerium traut sich offenbar nicht, die überfälligen Entscheidungen zu treffen. Wenn Brüderle sich so verhalten hätte, gäbe es heute keinen Rheinland-Pfalz-Takt.