31.12.2019
Die Rheinpfalz

Bund braucht bedeutend bessere Bahn

Die Klimaschutzdiskussion wertet den Schienenverkehr deutlich auf – Trotz ambitionierter Ziele aber nur halbherzige Maßnahmen
Von Eckhard Buddruss

Der Klimaschutz ist das dominierende Thema des Jahres 2019. Das US-Magazin „Time“ hat die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg zur „Person des Jahres“ gekürt. Die 16-jährige Schwedin reiste zu ihrem ersten großen internationalen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum im Januar 2019 von Stockholm nach Davos mit dem Zug an, weil sie Flüge wegen der damit verbundenen Klimabelastung vermeidet. Die Bahn ist so verstärkt als klimaschonendes Verkehrsmittel im Gespräch.

In der Schweiz hat der Auftritt von Greta Thunberg in Davos wohl erheblich dazu beigetragen, dass das Thema Klimaschutz die Wahlen des Jahres 2019 prägte und zu für Schweizer Verhältnisse erdrutschartigen Gewinnen der beiden grünen Parteien führte.

Schon einmal hat in der Schweiz eine umweltpolitische Diskussion für Bewegung in der Bahnpolitik gesorgt. 1984 beriet der Nationalrat (das Parlament) in einer Sondersession Maßnahmen gegen das Waldsterben. Zwei der verabschiedeten Aufträge betrafen den Bahnverkehr und mündeten in die Einführung eines günstigen Halbtaxabonnements (vergleichbar mit der späteren deutschen Bahncard 50) und das Ausbaukonzept Bahn 2000 für einen landesweiten integralen Taktfahrplan. Das Konzept Bahn 2000, das die Schweiz zum europaweit beachteten Vorbild machte, wurde 1987 in einer Volksabstimmung beschlossen und bis Ende 2004 umgesetzt.

In Deutschland ist die Situation nun auf den ersten Blick ähnlich wie 1984 in der Schweiz. Union und SPD haben schon 2018 in ihrem Koalitionsvertrag ambitionierte bahnpolitische Ziele vereinbart. Dazu gehören ein Deutschland-Takt nach Schweizer Vorbild, eine Verdoppelung der Bahn-Fahrgastzahlen bis 2030 und eine forcierte Bahnstrecken-Elektrifizierung.

Es ist weitgehend unstrittig, dass die Schiene wegen des im Vergleich zur Straße geringeren Rollwiderstands das energieeffizienteste und daher umweltschonendste motorisierte Verkehrsmittel ist. Dies gilt auch beim Einsatz von Dieselfahrzeugen. Hinzu kommt aber noch der Vorteil der leichten Elektrifizierbarkeit des Bahnverkehrs über Leitungen. Die Leitungselektrifizierung ist sehr effizient und vermeidet die ökologischen Probleme, die sich bei Batterien ergeben.

Gerade beim Thema Bahn-Elektrifizierung ist die Bilanz rund zwei Jahre nach Bildung der Großen Koalition aber ernüchternd. Es gibt bisher keinerlei konkrete Fortschritte. Im Bundeshaushalt sind dafür nur Mittel in lächerlich geringer Höhe vorgesehen. Dieses Beispiel ist leider symptomatisch für die Differenz zwischen ambitionierten Zielen und völlig unzureichenden Maßnahmen.

Die Deutsche Bahn (DB) befindet sich nach jahrzehntelanger finanzieller Vernachlässigung in einer heiklen Situation. Die Bundesregierung will schnelle Erfolge sehen, die aber in der gegebenen Situation kaum zu schaffen sind. Stattdessen wird das Bild oft von Verspätungen und Zugausfällen geprägt.

Nachdem Investitionen in neue Fahrzeuge viel zu lange hinausgezögert worden sind, leidet der DB-Fernverkehr seit Jahren unter akutem Fahrzeugmangel. Gleichzeitig steigt die Nachfrage – nicht nur auf der ICE-Linie zwischen München und Berlin.

Zu den Gründen für die Störanfälligkeit des Betriebs und die vielen Verspätungen gehören die zahlreichen Baustellen im DB-Netz, in dem ein riesiger Sanierungsrückstau aufzuarbeiten ist.

Immerhin gibt es Hoffnung, dass sich die Lage nach und nach bessert. Die Klimaschutzdiskussion hat auch einige positive Entwicklungen angestoßen oder beschleunigt. Dazu gehört, dass die Mehrwertsteuer auf Fernzug-Tickets gesenkt und zur Finanzierung die Luftverkehrssteuer erhöht wird. Mit der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bekommt die DB in den kommenden zehn Jahren deutlich mehr Mittel für die Erneuerung des Bestandsnetzes. Die werden allerdings wohl bestenfalls dafür reichen, den Nachholbedarf abzuarbeiten.

Das am 20. September von der Bundesregierung beschlossene Klimapaket sieht auch vor, das Eigenkapital der DB elf Jahre lang um jährlich eine Milliarde Euro aufzustocken. Ein großer Teil dieser Summe wird allerdings dafür gebraucht, die Auswirkungen des Milliardengrabs Stuttgart 21 auf die Bilanz der DB zu bewältigen. Mit dem Klimapaket werden auch die Regionalisierungsmittel leicht aufgestockt, die die Länder vom Bund für den Regionalverkehr erhalten. Damit kann das Nahverkehrsangebot verbessert werden. Jedoch wird ein großer Teil der Zusatzmittel durch höhere DB-Infrastrukturgebühren aufgefressen. Auch hier gilt, dass es zwar eine Bewegung in die richtige Richtung gibt, aber die Schritte viel zu klein sind, um die von der Bundesregierung selbst gesetzten Ziele in absehbarer Zeit zu erreichen.