11.09.2019
Die Rheinpfalz

ICE und Nahverkehr in Einklang bringen
Guter Kompromiss in Nordrhein-Westfalen – BASF-Arbeitsdirektor stellt Paris-Züge über Kaiserslautern in Frage

Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Im Kontext der Klimaschutz-Diskussion wächst die Kritik an klimaschädlichen Inlandsflügen. In diesem Zusammenhang werden auch mehr schnelle ICE-Verbindungen zwischen den Metropolen gefordert. Die sind allerdings oft nicht so einfach umzusetzen, weil wichtige Hauptstrecken schon jetzt stark frequentiert sind.

Die deutsche Luftfahrtbranche hat mehr schnelle ICE-Verbindungen zwischen den Metropolen zu einer Bedingung für eine Reduzierung der derzeit viel kritisierten Inlandsflüge gemacht – wenn auch möglicherweise in der Hoffnung, dass sich die Forderung nicht so leicht erfüllen lässt.

Ein gutes Beispiel dafür, wie der Wunsch nach neuen Schnellverbindungen mit vorhandenen Regional-Taktsystemen in Konflikt geraten kann, aber auch dafür, wie sich solche Konflikte lösen lassen, ist der von der Deutschen Bahn (DB) geplante ICE-Sprinter von Berlin nach Köln. Derzeit fährt von Berlin stündlich ein ICE ins Rhein-Ruhr-Gebiet, der aus zwei Teilen besteht. In Hamm wird der Zug geteilt; der eine Teil fährt durchs Ruhrgebiet nach Düsseldorf, der andere über Wuppertal nach Köln.

Um der wachsenden Nachfrage insbesondere auf der Strecke von Berlin ins Ruhrgebiet gerecht zu werden, plante die DB, künftig alle zwei Stunden auf die Zugteilung in Hamm zu verzichten und den kompletten Zug durchs Ruhrgebiet zu fahren. Von Berlin nach Köln sollte zusätzlich alle zwei Stunden ein Sprinter-ICE mit Halt nur in Hannover fahren.

Probleme durch Sprinter-ICE Dadurch hätten Wuppertal und Hagen rund die Hälfte ihrer Direktzüge nach Berlin verloren. Wegen dieser Angebotsverschlechterungen und Konflikten des geplanten Sprinter-ICE mit Taktzügen des Regionalverkehrs gab es in Nordrhein-Westfalen erheblichen Widerstand gegen die Pläne der DB. Schließlich einigten sich die DB und die Nahverkehrs-Aufgabenträger auf einen Kompromiss, der weithin als gute Lösung anerkannt wird. Der geplante Sprinter-ICE hält nun künftig außer in Hannover auch in Bielefeld, Hagen und Wuppertal. Die Fahrzeit von Berlin nach Köln ist damit zwar etwas länger als ursprünglich von der DB geplant, aber immer noch rund zehn Minuten kürzer als bisher. Konflikte mit dem Regionalverkehr können weitgehend vermieden werden und es gibt bei der Fernverkehrsbedienung keine Verlierer. Hagen und Wuppertal behalten ihre Züge nach Berlin, Bielefeld bekommt sogar alle zwei Stunden einen zusätzlichen. Das neue Konzept soll Ende 2023 eingeführt werden. Eine Voraussetzung dafür ist die Lieferung weiterer ICE 4.

Der Fall zeigt vor allem, wie problematisch es ist, Fernverkehrshalte zu reduzieren. Normalerweise kommen solche Ideen niemals aus der betroffenen Region. Überraschend ist deshalb die Forderung von BASF-Arbeitsdirektor Michael Heinz, einen Teil der Züge von Mannheim über Kaiserslautern nach Paris zu streichen, um Platz für S-Bahn-Züge zu schaffen.

Heinz: ICE-Verkehr verlagern In einem Interview mit dem „Mannheimer Morgen“ sagte Heinz im Kontext der Ludwigshafener Hochstraßenproblematik: „Wenn man einen Teil der ICE-Verkehre nach Paris auf die Route über Karlsruhe verlagern würde, könnten mehr S-Bahnen fahren. Das würde den Autoverkehr entlasten.“ Von derzeit sechs ICE oder TGV von Frankfurt nach Paris fahren vier über Kaiserslautern und zwei über Karlsruhe. Keiner der Züge über Kaiserslautern fährt in einer Zeitlage, die den BASF-Berufsverkehr tangiert. Der einzige Zug, bei dem das der Fall sein könnte, ist der TGV um 17.40 Uhr ab Mannheim. Dieser Zug fuhr früher über Kaiserslautern, fährt aber seit Inbetriebnahme des zweiten Abschnitts der französischen Ost-Schnellbahn (LGV Est) im Jahr 2016 über Straßburg. Die Züge nach Paris über Kaiserslautern fahren ab Mannheim vor (13.40 Uhr) oder deutlich nach (19.39 Uhr) dem nachmittäglichen Berufsverkehr. In der Gegenrichtung kommt der erste Zug aus Paris über Kaiserslautern erst um 12.16 Uhr in Mannheim an.

Kommentar: Paris-ICE ist wertvoll für die Westpfalz

Von Eckhard Buddruss

Der ICE-Verkehr durch die Westpfalz nach Paris steht einem attraktiveren S-Bahn-Angebot in der Metropolregion Rhein-Neckar nicht im Weg.

Es ist gut, dass sich BASF-Arbeitsdirektor Michael Heinz Gedanken darüber macht, wie man die Straßen durch eine Verbesserung des S-Bahn-Verkehrs entlasten kann. Der Vorschlag, der S-Bahn zuliebe einen Teil des ICE-Verkehrs nach Paris über Karlsruhe statt über Kaiserslautern und Saarbrücken zu führen, zeugt allerdings nicht von hoher Sachkenntnis.

Heinz unterschätzt offenbar die Bedeutung, die der ICE-Verkehr nach Paris für Kaiserslautern und Saarbrücken hat. Als das Saarland 2016 einen von fünf ICE-Paaren nach Paris verlor, galt das vor allem in Saarbrücken schon als schmerzlicher Verlust. Manager der Deutschen Bahn (DB) haben seitdem immer wieder versichert, dass es bei den gegenwärtigen vier Zugpaaren auch künftig bleiben wird.

Zusätzliche S-Bahnen würden am ehesten im Berufsverkehr gebraucht. In keiner Zeitlage gibt es dabei in der Pfalz einen Konflikt mit einem ICE von oder nach Paris. Morgens ist eine S-Bahn an der Kapazitätsgrenze, die bereits als Dreifach-Einheit gefahren wird und deshalb nicht weiter verstärkt werden kann. Hier könnte am ehesten der Bedarf nach einem zusätzlichen Zug bestehen. In ähnlicher Zeitlage fährt ein Fernzug, nämlich der Euro-City (EC) 217 von Saarbrücken nach Graz. Dieser EC ist nicht nur als Direktverbindung nach München interessant, sondern auch sehr wichtig für Pendler aus der Westpfalz nach Ludwigshafen und Mannheim und deshalb unverzichtbar. Eine Reduzierung des Fernzug-Angebots auf der Strecke Saarbrücken–Mannheim ist keinesfalls ein probates Mittel zur Entschärfung der Verkehrsprobleme in Ludwigshafen.