20.07.2019
Die Rheinpfalz

Blickpunkt: Schienenverkehr in Stadt und Land
Viel mehr als nur Nostalgie

Museums- und Touristikbahnen sind nicht nur eine Spielwiese für Eisenbahn-Nostalgiker. Sie fördern auch eine umweltschonende Freizeit-Mobilität und beleben die regionale Wirtschaft – meist auf dem Lande. Erfolgreiche Beispiele dafür gibt es auch in der Pfalz.
Von Sonja Hoffmann

Würzburg/Ludwigshafen. Das Heft 86 der „Würzburger Geographischen Manuskripte“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Perspektiven solcher Freizeitbahnen aufzuzeigen. Die meisten von insgesamt 112 in Deutschland fahren in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dazu kommen Draisinen, die mit Muskelkraft betrieben werden und auf stillgelegten Bahnstrecken fahren.

Pfalz stark vertretenDie Pfalz trägt zur Gesamtstatistik zwar nur weniger als fünf Prozent bei, ist aber in dem Band mit der Museumsbahn Kuckucksbähnel von Neustadt nach Elmstein, der Wieslauterbahn von Hinterweidenthal nach Bundenthal, der Zellertalbahn von Monsheim nach Langmeil und den Draisinenstrecken in der Südpfalz (Bornheim–Westheim) sowie im Glantal (Altenglan–Staudernheim) besonders stark vertreten.

Kein Wunder, sind doch zwei der drei Herausgeber Pfälzer Nahverkehrsfachleute: Werner Schreiner, früherer Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN), und Michael Heilmann, Direktor des Zweckverbands Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Süd in Kaiserslautern. Gemeinsam mit Dieter Hofherr und RHEINPFALZ-Wirtschaftsredakteur Eckhard Buddruss stellen sie das pfalz-spezifische Angebot in dem Buch vor.

Die Autoren skizzieren die Historie der Bahnstrecken vom 19. Jahrhundert mit seinem stetig wachsenden Schienennetz bis zur Einstellung des Personen- und Güterverkehrs auf vielen Nebenstrecken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die Initiatoren der Museums- und Touristikbahnen werden somit auch zu Kämpfern für Erhalt und Wiederbelebung des ökologisch bedeutsamen Schienennetzes in ländlichen Regionen. Und es gibt Erfolgsgeschichten: Das Kuckucksbähnel dampft gut ausgebucht vom Frühjahr bis zum Herbst und im Advent ins Elmsteiner Tal und befördert so rund 27.500 Fahrgäste pro Jahr. Die Fahrrad-Draisinen in der Südpfalz sollte man für die Wochenenden schon drei bis vier Monate im Voraus buchen, so stark ist die Nachfrage. Aus den Beiträgen wird aber auch deutlich, dass der Fahrbetrieb und der Erhalt von Loks, Wagen und Bahnstrecken eine kostspielige Angelegenheit ist. Der ehrenamtliche Einsatz von Eisenbahnfreunden, etwa als Zugpersonal, kann dies nur teilweise auffangen. Auf der Kuckucksbähnel-Strecke sieht ein langfristiger Sanierungsplan die Erneuerung von mehreren hundert Metern Strecke in jedem Jahr vor. Ohne Fördermittel des Landes wäre dies nicht möglich.

Besonders wichtig, so heben die Autoren aus der Pfalz hervor, ist die Einbindung der Museums- und Touristikbahnen in das bestehende Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs. Beispielsweise können Fahrgäste mit dem Ziel Bundenthal im Dahner Felsenland bereits in Neustadt oder Karlsruhe (dort in den „Felsenland-Express“) einsteigen. Und auch der Kuckucksbähnel-Fahrplan (mit einem eigenen Tarif) ist auf den Rheinland-Pfalz-Takt abgestimmt. Nur eine gute Vernetzung der verschiedenen Mobilitätsangebote „von der Draisine und dem Dampfzug über vertaktete Bus- und Regionalbahnstrecken“ führe langfristig zum Erfolg, stellen die Verkehrsexperten Konrad Schliephake und Werner Schreiner fest.

So ergeben sich auch gute Möglichkeiten zum Streckenwandern. Während der mit dem Auto anreisende Wanderer auf Rundwege angewiesen ist, weil er schließlich zum geparkten Auto zurückkehren muss, sind beim Streckenwandern Start- und Zielpunkt nicht identisch.

Streckenwandern mit der Bahn Ein Fan solcher Streckenwanderungen ist auch Manuel Andrack. Der 54-Jährige wurde vor allem durch „Die Harald-Schmidt-Show“ bekannt, an der er als Redakteur, aber auch als Co-Moderator von Harald Schmidt mitwirkte. In den vergangenen Jahren widmete sich Andrack vermehrt seiner Leidenschaft – dem Wandern. 2005 veröffentlichte der gebürtige Kölner sein erstes Buch „Du musst wandern“. Es folgten weitere Bücher sowie Artikel unter anderem im Wandermagazin und im Geo Spezial. Den Vorteil von Streckenwanderungen sieht Andrack darin, dass die Wanderer sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie der Bahn fortbewegen können, statt einen Rundwanderweg zu nehmen und anschließend wieder mit dem Auto nach Hause zu fahren.

Voraussetzung dafür sind Wanderwege, deren Start- und Zielpunkte gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind. Wie RHEINPFALZ-Redakteur Eckhard Buddruss in seinem Beitrag im Heft der Würzburger Geographischen Manuskripte erläutert, bietet der Pfälzerwald besonders günstige Voraussetzungen für solche Streckenwanderungen. So können von Elmstein, der Endstation des Kuckucksbähnels, verschiedene Wanderwege angesteuert werden, die zu S-Bahn-Stationen an der Strecke Neustadt–Kaiserslautern oder Bahnhöfen der Queichtalbahn führen. Weitere Beispiele sind Wanderungen vom Wieslauterbahn-Endbahnhof Bundenthal-Rumbach zum Bahnhof Bad Bergzabern und vom Zellertalbahn-Haltepunkt Göllheim-Dreisen nach Ramsen an der Eistalbahn.

Der Band der Geographie-Reihe stellt darüber hinaus auch Museums- und Touristikbahnen in der Rhön, auf dem Thüringer Rennsteig und in Franken vor. Und er weitet den Blick auf das Ausland: In Polen hat sozialistische Planwirtschaft eine rasche Erneuerung der Bahntechnik behindert. Für Museumsbahnen ergibt sich daraus aber ein positiver Aspekt: Historische Heizhäuser, Stellwerke und Bahnhöfe blieben erhalten. Im Norden Englands sind über 30 historische Bahnen auf Kurzstrecken unterwegs. Die populärste dieser „Heritage Railways“, die North Yorkshire Moors Railway, befördert alleine 280.000 Fahrgäste pro Jahr.

Lesezeichen Museumsbahnen – Strukturen und Perspektiven touristischer Schienen-Infrastrukturen im räumlichen Zusammenhang (Würzburger Geographische Manuskripte, Heft 86). Herausgegeben von Werner Schreiner, Michael Heilmann und Konrad Schliephake. Würzburg 2018, 144 Seiten, 28 Euro.


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