20.05.2019
Saarbrücker Zeitung

Studie über Reaktivierung von Bahnstrecken : Wie stillgelegte Gleise Lücken füllen könnten

Saarbrücken/Berlin Die Bundesregierung will mehr Menschen auf die Schiene bringen. Dazu wäre unter anderem ein dichteres Schienennetz nötig, besonders auch im Saarland, sagen Experten.

(dpa/SZ) Dem Saarland und vielen anderen vom Schienenverkehr abgehängten Regionen dürfte diese Deutschlandkarte Hoffnung machen: Zwei Verkehrsverbände haben darauf die 186 stillgelegten Schienenabschnitte eingezeichnet, die aus ihrer Sicht wieder in Betrieb gehen sollten. Im Saarland geht es um fünf Bahnstrecken mit einer Gesamtlänge von 65 Kilometern. Bundesweit sind es mehr als 3000 Kilometer Gleise, die den gebeutelten Personennahverkehr der Bahn verbessern könnten, wenn sie wieder befahrbar wären. Das behaupten der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Allianz pro Schiene, die am gestrigen Montag ihre Ergebnisse in Berlin vorgestellt haben.

Es gebe zahlreiche Lücken im deutschen Schienennetz – manche einen, andere mehrere Dutzend Kilometer lang. Nicht alle ehemaligen Schienenwege ließen sich wieder in Betrieb nehmen, viele aber schon, und das ohne allzu großen Aufwand. Die meisten davon sind für den Personenverkehr gedacht. Aber auch Güterverkehrsstrecken sind dabei.

Im Saarland könnten laut Studie die Strecken Lebach-Jabach-Wadern, Merzig-Losheim am See und Völklingen-Walpershofen-Etzenhofen bislang vom Nahverkehr unterversorgte Regionen erschließen. Zu Entlastungen bisheriger Verkehrswege könnte die Reaktivierung der Strecken Homburg-Zweibrücken und (Saarbrücken-)Abzweig Saardamm-Saarbrücken Messe-Überherrn-Bundesgrenze (-Thionville/Frankreich) beitragen, heißt es. Mit Letzterer würde außerdem eine fehlende grenzüberschreitende Verbindung hergestellt. Der saarländische Bundestagsabgeordnete und Grünen-Landeschef Markus Tressel verlangte dazu gestern in einem ersten Schritt „Kosten-Nutzen-Analysen, um fundiert über mögliche Wiederinbetriebnahmen entscheiden zu können“.

Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Liberalen-Landesvorsitzende, Oliver Luksic, forderte, sich bei einer Reaktivierung auf die Bahnstrecken Homburg-Zweibrücken und Saarbrücken-Überherrn-Thionville zu konzentrieren – diese seien für die Region besonders wichtig. „Hier muss dringend eine Investitionsoffensive gestartet werden“, so Luksic. Thomas Lutze, saarländischer Linken-Bundestagsabgeordneter, sieht im Aufruf zu Streckenreaktivierungen für das Saarland ein „Wecksignal an die Landesregierung, endlich ihre Schwerpunkte in der Verkehrspolitik neu zu definieren“ – gerade auch mit Blick auf die Klimaziele.

Derweil verwies Saar-Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) darauf, dass die Reaktivierung der Strecke Homburg-Zweibrücken bereits beschlossen sei: „Hier rollt nach derzeitiger Planung ab 2025 der erste Zug“, teilte sie mit. Außerdem kündigte sie an, dass im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans ÖPNV auch noch andere Strecken auf ihre Nachfrage und die erforderlichen Investitions- und Betriebskosten untersucht würden. Allerdings sei weder ein deutlicher Kapazitätsausbau noch eine Reaktivierung stillgelegter Strecken ohne massive Investition des Bundes denkbar. Mit Landes-Geld allein sei dies nicht finanzierbar.

Das sehen offenbar auch die Verbände VDV und Allianz pro Schiene so: „Wir fordern ein Bundesprogramm Reaktivierung, bei dem der Bund 100 Prozent der Infrastrukturkosten der reaktivierten Strecken trägt“, sagte Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege. Denn die meisten der ausgedienten Strecken seien vorher Bundesschienenwege gewesen. „Deswegen ist es jetzt auch Aufgabe des Bundes, diese Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.“

Gegen den Vorwurf wehrte sich das Bundesverkehrsministerium und teilte mit, dass Strecken immer nur dann stillgelegt worden seien, wenn es keine Nachfrage mehr gegeben habe und wenn kein Dritter – etwa ein privater Betreiber – die Strecke habe übernehmen wollen. Außerdem stelle der Bund bereits ausreichend Mittel für den SPNV zur Verfügung – zwischen 2016 und 2031 mehr als 150 Milliarden Euro. Auch die Deutsche Bahn erklärte, dass mangelnde Nachfrage über eine Stilllegung entscheide. Das bedeute aber auch: „Wenn Leistungen in einem Umfang bestellt werden, die dem Infrastrukturbetreiber einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, kann durchaus eine Reaktivierung in Erwägung gezogen werden“. Es sei unstrittig, „dass wir mehr Kapazitäten brauchen, um die Verkehre von heute und morgen zu bewältigen.“