16.03.2019
Die Rheinpfalz

In der Pfalz hat die Bahn Nachholbedarf
Warum es mit der Elektrifizierung von Strecken früher viel schneller voranging als heute

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Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Seit die Bundesregierung vor knapp einem Jahr ein Bahn-Elektrifizierungsprogramm vereinbart hat, ist das Thema in der Pfalz ein politischer Dauerbrenner. Für die Strecke Neustadt–Wörth wurde im Herbst ein Durchbruch verkündet, bald danach folgte Ernüchterung. Angesichts des heutigen Schneckentempos bei dem Thema liegt die Frage nahe, warum es vor 50 Jahren viel schneller ging.

„Bahnstrecke Neustadt–Landau–Wörth kann elektrifiziert werden“, kündigte am 9. November 2018 der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart an, der bei dem gemeinsamen Engagement der Südpfälzer Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, FDP und Grünen eine Art informelle Federführung hat. Kurze Zeit später kamen aus dem von Andreas Scheuer (CSU) geleiteten Bundesverkehrsministerium Aussagen, die die zuversichtliche Ankündigung von Gebhart als – gelinde gesagt – sehr mutig erscheinen ließen. Welche Chancen die Strecke Neustadt–Wörth tatsächlich hat, wird wahrscheinlich vor allem davon abhängen, welche Mittel in Zukunft für die Bahnstrecken-Elektrifizierung im Bundeshaushalt zur Verfügung stehen.

825 Kilometer in einem Jahr

Vor gut 50 Jahren legte die viel geschmähte Behördenbahn beim Thema Elektrifizierung ein Tempo vor, das heute als spektakulär gelten würde. Im Laufe des Jahres 1968 wurden 825 Streckenkilometer des Bundesbahn-Netzes auf elektrischen Betrieb umgestellt. Schon vier Jahre zuvor war mit der Strecke von Ludwigshafen durch den Pfälzerwald nach Kaiserslautern die Lücke im elektrischen Betrieb zwischen Rhein und Saar geschlossen worden. Damals brauchte sich die Pfalz nicht als Nachzügler zu fühlen. Nachdem schon 1958 der elektrische Betrieb auf der Strecke von Mannheim nach Worms aufgenommen worden war, waren 1964 die beiden wichtigsten Pfälzer Hauptstrecken elektrifiziert.Danach tat sich in der Pfalz allerdings jahrzehntelang abgesehen von der Strecke Karlsruhe–Wörth gar nichts, bis Ende 2003 mit der Aufnahme des S-Bahn-Betriebs der Abschnitt von Schifferstadt nach Speyer elektrifiziert wurde. Bis 2010 wurde dann in zwei Etappen die Lücke zwischen Speyer und Wörth geschlossen. Der Nachholbedarf in der Pfalz ist damit aber sicher noch lange nicht befriedigt. Auf der Wunschliste ganz oben steht nach der – schon grundsätzlich vereinbarten – Verlängerung der S-Bahn Rhein-Neckar nach Zweibrücken die Strecke von Neustadt über Landau nach Wörth.

Hohe Rationalisierungseffekte

Das Tempo, das die Bundesbahn 1968 bei der Elektrifizierung vorlegte, erklärt sich auch dadurch, dass der Übergang zum elektrischen Betrieb besonders hohe Rationalisierungseffekte hatte, wenn dabei Dampflokomotiven abgelöst wurden. Auf der Strecke von Osnabrück nach Hamburg, die 1968 als letzter Abschnitt des künftigen Intercity-Netzes elektrifiziert wurde, trugen bis zum September 1968 noch Dampfloks die Hauptlast des Betriebs. Doch auch heute ist der elektrische Betrieb deutlich kostengünstiger als der mit Dieselfahrzeugen – wenn erst einmal die Investitionen für die Oberleitung getätigt sind. Die Bundesbahn profitierte selbst von der Investition in den Fahrdraht. Durch die Bahnreform hat sich die Lage geändert.

 

 

 

 

Leitartikel: Scheuer steht auf der Leitung

Von Eckhard Buddruss

Der Verkehr wird immer mehr zum Stressfaktor für das Klima. Je später etwas dagegen getan wird, desto drastischer werden die Einschnitte sein müssen. Bundesverkehrsminister Scheuer scheint das nicht begreifen zu wollen.

Gestern hat die „Fridays for Future“- Bewegung, mit der Schüler in immer mehr Ländern für den Klimaschutz demonstrieren, einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Schüler stoßen auf viel Sympathie, teilweise aber auch auf aggressive Kritik. Dazu gehört auch die Forderung, die Schüler sollten erst einmal ihren eigenen Lebensstil ändern, bevor sie Forderungen an andere stellen. Greta Thunberg, Initiatorin und Idol der Fridays-for-Future-Bewegung, kann man mangelnde Konsequenz im eigenen Leben sicher nicht vorwerfen. Die 16-jährige Schwedin hat für ihre Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos eine 33-stündige Zugfahrt nicht gescheut, um einen klimaschädlichen Flug zu vermeiden.

Das Beispiel Flugreisen verdeutlicht in besonders eklatanter Weise das Politikversagen beim Kampf gegen den Klimawandel. Wer mit dem vergleichsweise umweltschonenden ICE von Frankfurt nach Paris fährt, bezahlt für seine Fahrkarte 19 Prozent Mehrwertsteuer. Das Ticket für einen umweltschädlichen Flug ist von der Mehrwertsteuer befreit. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie durch politische Fehlentscheidungen klimafreundliches Verhalten nicht belohnt, sondern bestraft wird. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) tut so, als ob ihn das Thema Klimaschutz nichts angeht. Vorschläge, die ohne nennenswerte Kosten leicht umzusetzen wären wie ein Tempolimit auf Autobahnen, hat er in rüdem Ton abgebügelt. Ähnlich schlecht sieht es dort aus, wo sich durch Infrastrukturinvestitionen klimapolitisch etwas bewegen ließe. Geld für forcierten Fernstraßenbau ist in Scheuers Etat reichlich eingeplant, für das angekündigte Bahnstrecken-Elektrifizierungsprogramm sind dagegen bisher nur lächerlich geringe Beträge vorgesehen.

Die Bahn-Elektrifizierung ist von tristem Symbolwert dafür, dass selbst in den Bereichen viel zu wenig getan wird, die politisch weitgehend unstrittig sind. Der Schienenverkehr ist wegen seiner Energieeffizienz per se umweltschonender als der Straßenverkehr. Durch die Umstellung auf elektrischen Betrieb kann er noch nachhaltiger und gleichzeitig attraktiver werden. Dabei ist es ein großer Vorteil, dass die besonders effiziente Leitungselektrifizierung auf der Schiene viel einfacher ist als auf der Straße. Beim Thema Bahn-Elektrifizierung hängt viel mehr als früher von politischen Entscheidungen ab. In den 1960er-Jahren wurden wichtige Teile des Bundesbahnnetzes in einem Tempo elektrifiziert, das heute atemberaubend erscheint. Allein im Verlauf des Jahres 1968 wurden über 800 Streckenkilometer auf elektrischen Betrieb umgestellt. Der Hauptgrund für den Unterschied ist, dass sich für die Bundesbahn die Investitionen schnell dank der hohen Rationalisierungseffekte amortisierten, die sich durch den Übergang vom Dampf- zum elektrischen Betrieb ergaben. Heute ist die Situation durch die rechnerische Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn (DB) völlig anders. Investieren muss für eine Elektrifizierung DB Netz. Die positiven Effekte durch Kostenvorteile des elektrischen Betriebs treten aber nicht bei DB Netz auf, sondern bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die teilweise gar nicht zum DB-Konzern gehören, oder, wenn sie Teil des DB-Konzerns sind, trotzdem separat rechnen. Elektrifiziert wird deshalb inzwischen nur noch, wenn die öffentliche Hand – und das heißt de facto vor allem der Bund – die Investitionen finanziert. Dafür wird ein kompetenter und engagierter Bundesverkehrsminister gebraucht, der sich bei diesem Thema auch mit seiner Kollegin an der Spitze des Umweltressorts einig sein könnte. Leider sieht es derzeit nicht danach aus, dass Andreas Scheuer diesen Anforderungen gerecht wird.