12.01.2019
Die Rheinpfalz

Dort die Verträge, hier die Realität

Rheinland-Pfalz gibt nach einem Jahr die Präsidentschaft der Oberrheinkonferenz ab
Von Dagmar Gilcher

Ein Jahr lang trinationale Zusammenarbeit am Oberrhein unter rheinland-pfälzischer Führung: Nachdem am 1. Januar die Schweiz die Stafette übernommen hat, zieht der scheidende Präsident der Oberrheinkonferenz, der Neustadter Werner Schreiner, eine positive Bilanz. Wenige Tage vor der Unterzeichnung eines neuen Élysée-Vertrages, der ganz besonders die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern soll, weiß er allerdings auch, warum manchmal Stillstand herrscht.

Stillstand allerdings ist für einen Verkehrsexperten wie den langjährigen Geschäftsführer des Verkehrsverbands Rhein-Neckar ein unzumutbarer Zustand, vor allem, wenn es um die Weiterentwicklung des Schienenverkehrs geht. Weswegen ihn der Ausbau von Bahnverbindungen auch in seiner Eigenschaft als Beauftragter der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin für grenzüberschreitende Zusammenarbeit – ein Amt, das er 2014 übernahm – weiter antreibt. Und er hat eine Vision, von der er mittlerweile überzeugt ist, dass es keine bleibt: Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 sollen die Züge im Stundentakt von Neustadt nach Straßburg rollen, mit einer Fahrzeit von 1 Stunde 45 Minuten. Und auch von Wörth aus wird die elsässische Hauptstadt dann regelmäßig per Bahn erreichbar sein.Es geht dabei nicht nur um ein viertes Gleis von Wissembourg nach Haguenau – die Voraussetzung dafür, dass mehr Züge fahren können –, dessen Finanzierung mit Hilfe europäischer Fördergelder die Elsässer zusicherten. Oder um den Umbau der Einfahrt in den Bahnhof von Wissembourg, den auch Rheinland-Pfalz unterstützt. Kernthema für Schreiner ist und bleibt das, was er als „nachhaltige Mobilität“ bezeichnet und keineswegs isoliert betrachtet: Wie etwa sollen Jugendliche, was erwünscht ist und gefördert wird, ihre Ausbildungsplätze im andern Land erreichen, wenn die Bus- oder Bahnverbindung an der Grenze endet? Nicht nur an mangelnden Sprachkenntnissen junger Elsässer scheitern also oft Ausbildungsverträge mit deutschen Arbeitgebern, die händeringend Nachwuchs suchen. „Im Ärger vereint“ mit seinen Kollegen am Oberrhein, sieht Werner Schreiner die Hauptstadt-Handelnden mitunter doch weit entfernt von der Realität. Aus dem Bundesverkehrsministerium sei jedenfalls bislang noch kein Signal zu vernehmen gewesen, das auf die Berücksichtigung grenznaher Belange schließen ließe. Und der neue Élyséevertrag? Bislang habe man noch nicht in Erfahrung bringen können, was die Passagen enthalten, die – so der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ – „Bundesländern, Kommunen und Regionen größere Spielräume“ eröffnen sollen. Von „Experimentierklauseln“ spricht auf Anfrage der RHEINPFALZ auch ein Mitarbeiter der Mainzer Bundestagsabgeordneten Ursula Groden-Kranich (CDU), eine von neun deutschen Mitgliedern der 18-köpfigen Arbeitsgruppe, die ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen erarbeiten. Und auch davon, dass der Informationsfluss zwischen Regierung und Parlament nicht immer optimal sei. Eine Aussage, die durch die nun bekannt gewordenen Termin-Geplänkel um die Vorstellung der erarbeiteten Papiere zwischen Kanzleramt (Merkel) und Bundestagspräsidium (Schäuble) bestätigt wird.

Werner Schreiner verlässt sich da lieber auf die Realität vor Ort – und auf seine Kollegen in Baden-Württemberg, dem Saarland, der Nordwest-Schweiz und dem Elsass. Und er ist überzeugt: „Wir waren noch nie so gut in der Kooperation wie heute!“ Die Frage nach dem Warum ist schnell beantwortet: Es geht nichts über gute persönliche Kontakte. Das Jahr, das hinter ihm liegt, war angefüllt mit vielen Reisen und Begegnungen und mit ebenso vielen Gegenbesuchen aus dem Mandatsgebiet von Oberrheinkonferenz und Großregion (in der neben Frankreich auch Luxemburg und Belgien zu den rheinland-pfälzischen Partnern gehören). Man kennt sich und man vertritt gemeinsame Interessen. Und wenn dann in Brüssel alle gemeinsam auftreten, steigen die Chancen, grenzüberschreitende Projekte auch zu realisieren. Das dauert zwar lange, aber manchmal ist der Stillstand auch nur scheinbar. Experten aus den deutschen Bundesländern und der Region Grand Est für „missing links“, fehlende Stücke in Bahnverbindungen, trafen sich alle 14 Tage, um ihr Vorgehen abzustimmen. Und bis zum Stundentakt Neustadt-Straßburg wird es auch noch dauern. In der Zwischenzeit versucht Werner Schreiner, weitere Projekte auf die Schienen zu bringen: Leiter der deutschen Delegation in der Oberrheinkonferenz wird er bleiben.

Zur Sache: 30 Jahre Pamina

Ganz im Süden von Rheinland-Pfalz liegt der nördlichste der Eurodistrikte am Oberrhein mit dem musikalischen Namen „Pamina“. Das hat nichts mit Mozart zu tun, sondern ist eine Abkürzung für die Teilgebiete Palatinat (Pfalz), Mittlerer Oberrhein (Baden), Nord Alsace (Nordelsass): Der offizielle Startschuss für die Zusammenarbeit im pfälzisch-badisch-elsässischen Grenzgebiet fiel am 12. Dezember 1988 mit der Unterzeichnung der „Willenserklärung von Wissembourg“. Bei einer Feier zum 30. Geburtstag im Kulturzentrum von Weißenburg waren auch „Männer der ersten Stunde“ vertreten: Hans Kistenmacher, emeritierter Professor für Raumplanung und Regionalentwicklung an der Universität Kaiserslautern, der elsässische Politiker Daniel Hoeffel, der am 23. Januar seinen 90. Geburtstag feiert, und der frühere Direktor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein, Dietrich Schmidt aus Karlsruhe. Aus dem von Staatsminister Michael Roth in einer Videobotschaft so bezeichneten „Laboratorium“ grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit vorwiegend touristischen und raumplanerischen Aufgaben ist mittlerweile ein grenzüberschreitender Zweckverband geworden, der die Bürger der Region berät und Interreg-Gelder für kleinere Projekte selbstständig verwaltet. gil


Oberrheinkonferenz