03.01.2019
Die Rheinpfalz

Wissing will Elektrifizierung 2019 klären

Rheinland-pfälzischer Verkehrsminister wartet auf Förderkriterien des Bundes für das geplante Regionalstrecken-Programm
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will ein Zielkonzept für die Elektrifizierung von Bahnstrecken in Rheinland-Pfalz erst dann vorlegen, wenn die Förderkriterien für das geplante Elektrifizierungsprogramm des Bundes bekannt sind. Für dieses Elektrifizierungsprogramm hat der Branchenverband „Allianz pro Schiene“ ein überarbeitetes Konzept vorgelegt.

Wissing schreibt in einem Brief an die Südpfalz-Kreisgruppe des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND): „Wegen der Unklarheit bezüglich der Auswahlkriterien für das Bundesförderprogramm hat das Land bisher noch keine detaillierte Untersuchung einzelner Strecken in Auftrag gegeben.“ Der BUND gehört in der Südpfalz seit Jahren zu den engagiertesten Befürwortern einer Elektrifizierung der Bahnstrecke von Neustadt über Landau nach Wörth. Die Strecke gilt als besonders aussichtsreicher Kandidat für die Aufnahme in das angekündigte Elektrifizierungsprogramm des Bundes, weil sie mit abschnittsweise drei Zugpaaren pro Stunde sehr dicht befahren ist.Wie berichtet, schien das Südpfälzer Elektrifizierungsprojekt im November einen wichtigen Schritt vorangekommen zu sein, nachdem einem Haushaltstitel im Bundeshaushalt 2019 der folgende Satz angefügt worden war: „Aus dem Titel können Planungsleistungen u.a. bei folgenden Projekten finanziert werden: Dresden–Görlitz, Cottbus–Görlitz, Neustadt–Landau–Wörth.“ Vor allem von den Südpfälzer Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD wurde dies als entscheidender Durchbruch gewertet. Ein – vorsichtig ausgedrückt – etwas anderes Bild vermittelt eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums an das Mainzer Wirtschaftsministerium. Darin heißt es: „Die Finanzierung der Planungsleistung steht unter dem Vorbehalt, dass die Projekte ins Elektrifizierungsprogramm aufgenommen werden können und eine ausreichende Mittelausstattung vorhanden ist.“ Eine „prioritäre Einstufung“ der genannten Projekte lasse sich aus der Erwähnung im Haushaltstitel nicht ableiten. Der Haushaltstitel sei gesperrt, bis ein Förderkonzept vorgelegt und vom Bundesfinanzministerium freigegeben sei. Die Förderrichtlinie solle voraussichtlich bis Ende 2019 in Kraft treten.

Laut Wissing hat das Bundesverkehrsministerium zudem mitgeteilt, dass derzeit mögliche Kriterien für ein Elektrifizierungsprogramm entwickelt werden. Im ersten Quartal 2019 solle der Dialog mit den Ländern darüber gestartet werden. Wissing kündigte an, dass Rheinland-Pfalz sich aktiv in diesen Dialogprozess einbringen werde. Da konkrete Listen und Karten seitens der Bundesregierung zum Thema Elektrifizierung auf sich warten lassen, finden derzeit die Vorschläge des Branchenverbands „Allianz pro Schiene “ einige Beachtung. Die „Allianz pro Schiene“ ist ein Bündnis, das vor allem von Gewerkschaften, Umweltorganisationen sowie Verkehrs- und Verbraucherverbänden getragen wird. Das Spektrum der Mitglieder reicht vom Autoclub Europa (ACE) bis zum Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure (VDEI). Als Förderer gehören der Organisation diverse Unternehmen aus der Eisenbahnbranche an. Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege sagte zu der aktualisierten Streckenliste: „Unsere Karte zeigt: Es gibt einen großen Bedarf und viele sinnvolle Projekte aus den Ländern.“

Wie berichtet, hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Anteil der elektrifizierten Strecken am Schienennetz des Bundes von derzeit rund 60 Prozent bis 2025 auf 70 Prozent zu erhöhen. Laut Berechnungen der Allianz pro Schiene wird mit den Projekten, die im Bundesverkehrswegeplan stehen und zusammen auf 2060 Streckenkilometer kommen, ein Wert von 67 Prozent erreicht. Zum Erreichen des 70-Prozent-Ziels fehlen dann noch 1120 Kilometer. Die Liste der Allianz pro Schiene umfasst allerdings 3321 Kilometer. Die größte Veränderung in Rheinland-Pfalz gegenüber einer im vergangenen Februar vorgelegten Liste ist die Aufnahme der Strecke von Gau Algesheim über Bad Kreuznach nach Neubrücke im Kreis Birkenfeld. Diese Strecke, die zum großen Teil entlang der Nahe verläuft, ist 89 Kilometer lang. Sie schließt aber eine Lücke auf der 204 Kilometer langen Regional-Express-Linie von Frankfurt nach Saarbrücken. Durch den Lückenschluss könnten also auf einer mehr als doppelt so langen Strecke Züge von Diesel- auf elektrischen Betrieb umgestellt werden.

In der Pfalz ist die Strecke von Neustadt nach Wörth, deren Fortsetzung nach Karlsruhe bereits elektrifiziert ist, 44 Kilometer lang. Auf der Liste steht auch die zwölf Kilometer lange Strecke von Wörth nach Berg, deren Elektrifizierung allerdings nur dann sinnvoll wäre, wenn auch der in Frankreich anschließende Abschnitt nach Straßburg elektrifiziert würde.

Verzeichnet ist auf der Liste auch die Alsenzbahn. Die Entfernung zwischen Bingen und Hochspeyer beträgt 69 Kilometer, die Abkürzung von Enkenbach nach Kaiserslautern ist 13 Kilometer lang. Für die elf Kilometer lange Strecke von Homburg nach Zweibrücken laufen schon die Planungsarbeiten. Ihre Elektrifizierung wird aber über das Bundesprojekt S-Bahn Rhein-Neckar finanziert und ist deshalb nicht von einem Sonderelektrifizierungsprogramm des Bundes abhängig.

Kommentar: Mehr Tempo dringend geboten

Von Eckhard Buddruss

Das Programm zur Elektrifizierung regionaler Bahnstrecken kommt nur im Schneckentempo voran. Das ist gerade für die Pfalz ärgerlich.

Dass es angesichts Dieselkrise und nicht erreichter Klimaschutzziele dringend geboten wäre, endlich mehr für die jahrzehntelang vernachlässigte Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes zu tun, ist weitgehend unstrittig. Dennoch geht es mit dem im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Programm zur Elektrifizierung regionaler Bahnstrecken nur äußerst mühsam voran.

Als die Südpfälzer Bundestagsabgeordneten im November einen wichtigen Erfolg für das Projekt Neustadt–Landau–Wörth verkündeten, lag von Anfang an ein Verdacht nahe: Die Strecke Neustadt–Wörth war wegen der großen Beachtung, die das Thema in der Südpfalz findet, in ein Trostpaket für im Bundesverkehrswegeplan nicht berücksichtigte Elektrifizierungsprojekte in Sachsen und Brandenburg aufgenommen worden, das primär eine Beruhigungspille in Vor-Landtagswahl-Zeiten mit zweifelhafter Relevanz ist. Ein Schreiben aus dem Bundesverkehrsministerium erweckt nun den Eindruck, dass der als Durchbruch gefeierte Satz im Bundeshaushalt 2019 de facto wertlos ist.

Dieser Eindruck wäre aber falsch. Allein dass die vier Südpfälzer Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, FDP und Grünen in dieser Frage gemeinsam agieren, ist schon viel wert – gerade in den absehbaren Verteilungskämpfen um die wahrscheinlich viel zu knappen Mittel. Ein breiter politischer Konsens ist da besonders wichtig. In der Sache gibt es für die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Neustadt nach Wörth sehr gute Argumente. Die gibt es allerdings für andere Projekte auch. Falls der Bund bei seinen Kriterien den Faktor Lückenschluss hoch gewichtet, hat die Strecke von Gau Algesheim nach Neubrücke den großen Trumpf, mit nur 89 Kilometer Streckenelektrifizierung über 200 gefahrene Kilometer einer sehr stark frequentierten Regional-Express-Linie umstellen zu können.


Allianz pro Schiene