19.09.2018
Die Rheinpfalz

Bund knausert bei Bahn-Elektrifizierung

Für Regionalstrecken-Programm stehen 2019 nur 5 Millionen Euro bereit – Hoffnungen für Südpfälzer Projekt damit zunächst geplatzt
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen/Berlin. Das angekündigte Sonderprogramm zur Elektrifizierung von regionalen Bahnstrecken, das vor allem in der Südpfalz große Hoffnungen geweckt hat, ist im Entwurf für den Bundeshaushalt 2019 nur mit 5 Millionen Euro dotiert.

In der Pfalz käme, wie mehrfach berichtet, vor allem die Strecke von Neustadt über Landau nach Wörth für ein solches Regionalstrecken-Elektrifizierungsprogramm in Frage. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthält den Satz: „Bis 2025 wollen wir 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrifizieren.“ Dafür müssten noch über 3000 Streckenkilometer elektrifiziert werden. In den Jahren 2005 bis 2015 kamen bundesweit lediglich rund 600 Streckenkilometer zusammen, darunter waren immerhin in der Pfalz die Abschnitte von Speyer nach Germersheim (2006, 14 Kilometer) und von Germersheim nach Wörth (2010, 27 Kilometer). Mit einem Elektrifizierungsanteil von lediglich 60 Prozent steht Deutschland im europäischen Vergleich alles andere als gut da (siehe Grafik).Der breite Konsens beim Thema Bahn-Elektrifizierung sowie seine prominente und konkrete Aufnahme in den Koalitionsvertrag ließen eigentlich erwarten, dass die Bundesregierung das Thema nun mit Vorrang angeht, zumal im Koalitionsvertrag auch noch der Satz steht: „Mit einer neuen Förderinitiative wollen wir regionale Schienenstrecken elektrifizieren.“ Die Dotierung des Haushaltstitels spricht nun aber nicht dafür, dass dieses Thema ernsthaft angegangen wird.

Nicht erfüllt hat sich auch die Hoffnung, dass die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) motivieren könnten, in deren Vorfeld für Fortschritte beim Thema Bahn-Elektrifizierung zu sorgen. Wie mehrfach berichtet, hat sich die bayerische Landesregierung beim Thema Bahn-Elektrifizierung besonders engagiert. Das im Wahlkreis der Landesverkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) liegende Bayerische-Oberlandbahn-Netz mit den Strecken nach Bayrischzell, Tegernsee und Lenggries, das als Bayerns vorrangigster Regionalstrecken-Elektrifizierungskandidat gilt, bekommt nun erst einmal neue Dieseltriebwagen. Die Ablösung der dort gegenwärtig eingesetzten Integral-Triebwagen ist besonders dringlich, weil deren Herstellerfirma nicht mehr existiert und die Ersatzteilbeschaffung deshalb äußerst schwierig ist. Der für den regionalen Schienenverkehr in der Pfalz zuständige Zweckverband in Kaiserslautern hält, wie berichtet, die Elektrifizierung der Strecke von Neustadt nach Wörth für wünschenswert, falls dank eines Sonderprogramms des Bundes genügend Mittel dafür zur Verfügung stehen. Ansonsten setzt er bei der Ausschreibung des Betriebs auf den meisten heute mit Dieseltriebwagen befahrenen Strecken der Pfalz auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge. Dies könnten entweder Brennstoffzellenfahrzeuge wie der I-Lint von Alstom sein oder Akku-Hybrid-Triebwagen, die Strom sowohl aus einem Akku als auch aus der Oberleitung ziehen können. Bei beiden Technologien gibt es aktuell Aufsehen erregende Fortschritte.

In dieser Woche begann der planmäßige Einsatz des von Alstom produzierten I-Lint bei dem niedersächsischen Unternehmen EVB auf der Strecke von Cuxhaven über Bremerhaven nach Buxtehude. Zunächst werden dort zwei I-Lint eingesetzt, weitere 14 sollen ab Ende 2021 fahren. Dass Niedersachsen beim Einsatz des I-Lint eine Vorreiterrolle übernimmt, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass das Fahrzeug im niedersächsischen Salzgitter hergestellt wird. Bei der Fachmesse Innotrans in Berlin hat der kanadische Verkehrstechnik-Konzern Bombardier erstmals die Akku-Hybrid-Version des Talent-3-Triebwagens vorgestellt, an dessen Entwicklung das Mannheimer Bombardier-Werk maßgeblich beteiligt war. Der in Hennigsdorf vorgestellte Prototyp ist mit vier Bombardier Mitrac Traktionsbatterien ausgerüstet und kann ohne Oberleitung Strecken von rund 40 Kilometern zurücklegen.

Wie berichtet, dauert nach Bombardier-Angaben das Aufladen des Akkus unter einer Oberleitung lediglich sieben Minuten. Bombardier kündigte außerdem an, dass die nächste Version des Fahrzeuges, die 2019 ausgeliefert werden soll, nicht elektrifizierte Strecken von bis zu 100 Kilometern befahren kann. Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, sagte zu dem Bombardier-Triebwagen: „Wir wollen den Bahnverkehr weiter elektrifizieren. Ein Zug, der seine Batterien im Fahren an der Oberleitung aufladen kann, ist hierfür ein Riesenschritt und Innovation pur. Auf nicht- oder nur teilelektrifizierten Strecken heißt es dann: weg vom Diesel auf der Schiene – hin zu sauberer und umweltfreundlicher Mobilität.“

Nils erklärt: Nicht alle Züge fahren elektrisch

Euch ist vielleicht schon mal aufgefallen, dass von den vielen Zügen, die zum Beispiel in Neustadt oder in Kaiserslautern abfahren, manche mit Strom fahren, andere dagegen nicht. Elektrisch angetrieben werden zum Beispiel alle S-Bahnen in der Pfalz und alle Fernzüge wie der ICE. Auf den Strecken von Neustadt nach Landau und von Kaiserslautern nach Pirmasens gibt es dagegen keine elektrischen Züge. Die Triebwagen, die dort fahren, haben einen Dieselmotor genauso wie ein Bus oder ein Lkw.

Diese Unterschiede haben einen einfachen Grund. Züge elektrisch zu fahren, ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch deutlich billiger als der Antrieb mit einem Dieselmotor. Das gilt besonders dann, wenn schwere Güterzüge zu befördern sind. Der Bau der Leitungen, die die Züge mit Strom versorgen, ist aber teuer. Eine Elektrifizierung (so nennt man die Ausrüstung einer Strecke mit einer Leitung für Strom) lohnt sich am meisten dort, wo viele Züge fahren. Deshalb wurden zuerst die Strecken mit besonders viel Verkehr elektrifiziert. In der Pfalz waren das die Süd-Nord-Hauptstrecke von Mannheim über Ludwigshafen nach Mainz und die Ost-West-Hauptstrecke von Ludwigshafen über Neustadt und Kaiserslautern nach Saarbrücken. ebu

Kommentar: Ein schlechter Witz

Von Eckhard Buddruss

Die Bundesregierung hat sich beim Bahnverkehr hohe Ziele gesteckt, tut aber kaum etwas dafür. Das gilt gerade beim Thema Elektrifizierung.

Angesichts der umweltpolitischen Bedeutung des Verkehrs, der weiterhin die Achillesferse der deutschen Klimaschutzpolitik ist, gibt es für die ambitionierten Ziele im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beim Thema Bahn gute Argumente. In völligem Widerspruch dazu steht aber die Planung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), in der für den Schienenverkehr vor allem Stagnation angesagt ist, während es beim Neu- und Ausbau von Autobahnen gewaltige Steigerungen gibt.

Ein besonderes Trauerspiel ist das Thema Elektrifizierung. Hier herrscht eigentlich ein breiter politischer Konsens darüber, dass es einen großen Nachholbedarf gibt. Der Koalitionsvertrag enthält klare Ziele, die realistisch wären, wenn die nötigen Mittel bereitgestellt würden. Gerade die Strecke von Neustadt über Landau nach Wörth könnte von einem Finanzierungstopf für Vorhaben, die weder zu einem Bundesprojekt des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes gehören, noch in den fernverkehrsorientierten Bundesverkehrswegeplan passen, profitieren. Die Dotierung des entsprechendes Haushaltstitels mit ganzen 5 Millionen Euro, die für die Elektrifizierung von vielleicht drei Streckenkilometern reichen würden, ist aber ein schlechter Witz. Wenn diese Summe nicht noch massiv aufgestockt wird, wird das Elektrifizierungsprogramm zur Lachnummer. Dies ist umso gravierender, als bei aller Freude über innovative Akku-Hybridtriebwagen die klassische Leitungselektrifizierung für alle Strecken, auf denen mehr als ein Stundentakt gefahren wird, immer noch die beste Lösung darstellt. Für das Streckennetz in Rheinland-Pfalz, bei dem jetzt eine Neuausschreibung des Betriebs ab Ende 2023 ansteht, muss leider davon ausgegangen werden, dass mit größeren Leitungselektrifizierungen in nächster Zeit nicht gerechnet werden kann.