05.09.2018
Die Rheinpfalz

Akku-Hybrid-Flirt von Stadler kommt

Schweizer Zughersteller stellt Prototypen auf der Fachmesse Innotrans vor – Einsatz in der Pfalz ab Ende 2023 möglich
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Für den geplanten Einsatz von Akku-Hybrid-Triebwagen in der Pfalz zeichnen sich neue Möglichkeiten ab. Der Fahrzeughersteller Stadler hat nun eine Batterieversion seines „Flirt“ angekündigt, die noch in diesem Monat auf der Fachmesse Innotrans in Berlin präsentiert werden soll.

Die Abkürzung „Flirt“ steht bei dem Schweizer Zughersteller Stadler, der in Deutschland ein Werk in Berlin-Pankow hat, für „Flinker leichter innovativer Regional-Triebzug“. In Rheinland-Pfalz wird die fünfteilige Version des „Flirt“ (Baureihe 429) auf mehreren Regional-Express-Linien eingesetzt. Die Pfalz bedienen von den Linien des bei der Deutschen Bahn (DB) Südwest-Express (Süwex) genannten Netzes der RE 1 von Mannheim über Kaiserslautern, Saarbrücken und Trier nach Koblenz, der RE 4 von Karlsruhe über Germersheim, Speyer und Ludwigshafen nach Mainz und der RE 14 von Mannheim über Frankenthal nach Mainz.Stadler hat einen „Flirt Akku“ mit zusätzlichem Batterieantrieb für das Fahren auf nicht- oder nur teilelektrifizierten Strecken entwickelt und will den Prototyp dieses Fahrzeugs Mitte September auf der Fachmesse Innotrans in Berlin vorstellen. Stadler ist damit bereits der dritte Fahrzeughersteller, der im Zusammenhang mit der Innotrans einen Akku-Hybrid-Triebwagen präsentieren will. Ein solches Fahrzeug kann Fahrstrom sowohl aus einem Akku als auch der Oberleitung ziehen. Im Fachjargon werden solche Fahrzeuge zur Unterscheidung von anderen Varianten (etwa mit der Kombination Dieselmotor und Batterie) als E/E-Hybrid bezeichnet. Wie berichtet, stellt Bombardier bei der Innotrans eine E/E-Hybrid-Variante des Talent 3 vor, bei dessen Entwicklung das Werk Mannheim eine maßgebliche Rolle gespielt hat.

Siemens will auf der Innotrans erstmals einen Triebwagen vom Typ Desiro Main Line in einer E/E-Hybrid-Version präsentieren. Tatsächlich anbieten will Siemens als E/E-Hybrid-Serienfahrzeug aber den neuen Typ Mireo, der in der Pfalz (allerdings in der reinen Oberleitungsversion) künftig auch auf der neuen S-Bahn-Linie von Mannheim über Ludwigshafen und Frankenthal nach Mainz fahren soll.

Dass nun drei bedeutende Fahrzeughersteller einen E/E-Hybrid-Triebwagen anbieten, ist von erheblicher Bedeutung für die Pfalz. Wie berichtet, steht hier die Neuausschreibung des Betriebs auf den meisten derzeit mit Dieseltriebwagen befahrenen Regionalverkehrslinien ab Ende 2023 an. Der für den regionalen Zugverkehr zuständige Zweckverband in Kaiserslautern, an dessen Spitze der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU) steht, hat angekündigt, dass er dafür lokal emissionsfreie Fahrzeuge fordern wird.

Zu dem Netz, dessen Betrieb ab Ende 2023 schrittweise auf die neuen Fahrzeuge umgestellt werden soll, gehören in der Pfalz die Regionalbahn-Linien von Kaiserslautern nach Lauterecken, Kusel, Bingen, Monsheim und Pirmasens, die Regional-Express-Linie von Kaiserslautern über Neustadt nach Karlsruhe sowie die Regionalbahn-Linien von Neustadt nach Karlsruhe, von Landau nach Pirmasens (samt der Züge nach Bundenthal), von Pirmasens nach Saarbrücken und von Winden nach Bad Bergzabern. Derzeit werden die Linien von der Deutschen Bahn (DB) betrieben, die dort vor allem Dieseltriebwagen der Baureihen 642 („Desiro“) und 643 („Talent“) einsetzt. Die Regionalbahn-Linien von Neustadt nach Weißenburg und von Wörth nach Lauterburg fehlen in dieser Liste, weil sie voraussichtlich Teil eines separaten Vergabeverfahrens für grenzüberschreitende Züge unter anderem von Neustadt nach Straßburg werden.

Dieseltriebwagen können selbst in einer Hybrid-Version mit zusätzlicher Batterie die Forderung nach lokal emissionsfreien Fahrzeugen nicht erfüllen. Dies könnte derzeit außer den E/E-Hybrid-Triebwagen nur noch ein Brennstoffzellenfahrzeug wie der I-Lint von Alstom. Wie berichtet, ist der I-Lint bereits über das Stadium der Prototyp-Präsentation bei einer Fachmesse deutlich hinausgekommen. Ab 17. September sollen zwei I-Lint-Triebwagen im regulären Fahrgastbetrieb auf der niedersächsischen Strecke von Cuxhaven über Bremerhaven und Bremervörde nach Buxtehude eingesetzt werden.

Der Zweckverband in Kaiserslautern lässt vom gleichen Gutachter, der auch die inzwischen viel zitierte Untersuchung für die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) über die Elektrifizierung des Bahnbetriebs erstellt hat, verschiedene Varianten der Elektrifizierung in der Pfalz analysieren. Das Ergebnis dieser Untersuchungen soll laut Brechtel im Sommer 2019 vorliegen.

Kommentar:
Konkurrenz belebt das Geschäft

Von Eckhard Buddruss

Akku-Hybrid-Triebwagen haben Zukunft. Das zeigt sich daran, dass nun schon drei namhafte Fahrzeughersteller einen Prototypen vorstellen.

Der Schienenverkehr ist dank seiner hohen Energieeffizienz in puncto Umweltfreundlichkeit dem Straßenverkehr generell überlegen. Dieser Vorteil lässt sich noch ausbauen, wenn der Einsatz von Dieselmotoren im Schienenverkehr weiter zurückgedrängt wird. Am effizientesten ist das mit der klassischen Leitungselektrifizierung möglich. Auf vielen Strecken gibt es aber derzeit keine realistische Perspektive für eine baldige Leitungselektrifizierung.

Die künftige Bedeutung dieses Marktsegments der Diesel-Nachfolger hat als erster Hersteller Alstom erkannt. Der französische Konzern, der in Deutschland ein Werk in Salzgitter hat, ist derzeit deutscher Marktführer bei Dieseltriebwagen. Mit seinem Brennstoffzellenfahrzeug I-Lint ist Alstom der Konkurrenz einen Schritt voraus. Doch nun holen die Akku-Hybrid-Triebwagen auf, die mit hoher Wahrscheinlichkeit kostengünstiger sind. In diesem Monat präsentieren mit Bombardier, Siemens und Stadler nun gleich drei Hersteller einen Prototypen.

Für die Ausschreibung des Betriebs auf heutigen Diesel-Regionalzug-Linien in der Pfalz ist das eine wichtige Nachricht. Wenn es drei Anbieter gibt, reduziert das die Gefahr von Monopolpreisen für die Fahrzeuge. Allerdings ist die Zeit von der Präsentation eines Prototyps bis zum planmäßigen Einsatz im großen Stil knapp bemessen. Zeitlich noch ambitionierter als das Vorhaben in der Pfalz ist das Ortenau-Projekt in Baden-Württemberg, bei dem die Betriebsaufnahme schon für Ende 2022 vorgesehen ist. Angesichts der Komplikationen, mit denen die Inbetriebnahme neu entwickelter Fahrzeuge häufig verbunden ist, ist es meist eher ein Vorteil, dabei nicht der allererste zu sein.