23.08.2018
Die Rheinpfalz

Bombardiers Batteriezug kommt

Bei der Entwicklung eines neuen Akku-Hybrid-Triebwagens spielt Mannheimer Werk eine zentrale Rolle
Von Eckhard Buddruss

Mannheim. Der Verkehrstechnikkonzern Bombardier bringt einen neuen Akku-Hybrid-Triebwagen auf den Markt, dessen Prototyp im September mit Testfahrten beginnen soll. Bei der Entwicklung des Fahrzeugs, das ab Ende 2023 in der Pfalz eingesetzt werden könnte, spielt das Mannheimer Bombardier-Werk eine wichtige Rolle.

Basis für das neue Fahrzeug ist der Talent 3, eine Weiterentwicklung des Talent 2, der auf zahlreichen Regionalverkehrs- und S-Bahn-Linien in Deutschland eingesetzt wird. In Rheinland-Pfalz zählt dazu beispielsweise die Moselstrecke von Koblenz nach Trier. Die Version des Talent 3 für reinen Oberleitungsbetrieb wird künftig unter anderem im Saarland auf der Strecke Neunkirchen–Homburg eingesetzt.Für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Strecken wird versuchsweise zunächst ein Talent 3 mit Batterien ausgerüstet. Solche Fahrzeuge, die Fahrstrom sowohl aus einer Oberleitung als auch aus einer Batterie ziehen können, werden im Fachjargon meist als E/E-Hybrid bezeichnet. Wie berichtet, will auch Siemens von seinem neuen Mireo-Triebwagen eine E/E-Hybrid-Version anbieten.

Gestern hieß es in Mannheim, der erste Talent 3 mit Batterien stehe kurz vor der Fertigstellung im Bombardier-Weg Hennigsdorf. Batteriesoftware und Stromrichter für die E/E-Hybrid-Version des Talent 3 stammen aus Mannheim.

Im Bombardier-Werk Mannheim, das laut Standortleiter Michael Hirschböck rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt, wurde gestern ein neues Hightech-Labor eröffnet, in das Bombardier rund 1 Million Euro investiert hat. In dem IT-Labor mit einer Fläche von rund 1140 Quadratmetern haben rund 40 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Hier werden laut Bombardier Elektroniksysteme für die Zugsteuerung sowie Signal- und Leittechnik entwickelt und getestet.

Laut Hirschböck könnte Mannheim auch von einer Serienfertigung des Talent-E/E-Hybrids profitieren. Die Reichweite des Prototyps beträgt im Batteriebetrieb rund 40 Kilometer, Bombardier strebt aber höhere Reichweiten von bis zu 100 Kilometern an.

Eine Aufladung der Batterie ist mit einer speziellen Nachladeinfrastruktur oder unter einer (vielerorts schon vorhandenen) Oberleitung möglich. Nach Bombardier-Angaben dauert das Aufladen der Batterie des Talent-3-Prototyps an einem elektrifizierten Bahnhof lediglich rund sieben Minuten.

Wie berichtet, sollen bei der Neuausschreibung des Betriebs auf den meisten derzeit mit Dieseltriebwagen befahrenen Regionalverkehrslinien in der Pfalz lokal emissionsfreie Fahrzeuge eingesetzt werden. Diese Anforderung erfüllen sowohl E/E-Hybride wie der im Bau befindliche Talent-3-Prototyp als auch Brennstoffzellenfahrzeuge wie der I-Lint von Alstom. Alstom kündigte gestern an, dass ab 17. September zwei I-Lint-Fahrzeuge im regulären Fahrgastbetrieb auf der Strecke von Cuxhaven über Bremerhaven und Bremervörde nach Buxtehude eingesetzt werden sollen.

Ein Einsatz des Akku-Hybrid-Talents im regulären Fahrgastbetrieb ist für das zweite Quartal 2019 im Raum Ulm vorgesehen. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Die Grünen) verwies gestern auch auf die laufende Ausschreibung des mehrere Strecken im Raum Offenburg umfassenden Ortenau-Netzes, bei dem, wie in der West- und Südpfalz, lokal emissionsfreie Fahrzeuge eingesetzt werden sollen. Hermann bestätigte der RHEINPFALZ gestern in Mannheim, dass im Ortenau-Netz der Betrieb mit den neuen Fahrzeugen im Dezember 2022 beginnen soll.

Kommentar: Der Zug der Zeit ist elektrisch

Von Eckhard Buddruss

Die neuen Akku-Hybrid-Triebwagen

nehmen Gestalt an. Damit ergeben sich große Chancen, Oberleitungs- und Batteriebetrieb zu kombinieren.

Der Dieseltriebwagen, der lange auf vielen Bahnlinien praktisch ohne Alternative war, wird zum Auslaufmodell. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die deutsche Autoindustrie mit ihren betrügerischen Machenschaften den Diesel diskreditiert hat. Auch im Eisenbahnverkehr hat deswegen der Diesel jetzt, besonders wenn es um die Beschaffung neuer Fahrzeuge geht, einen dicken Malus.

Dies schafft nun in einem vor wenigen Jahren noch nicht absehbaren Ausmaß Raum für Innovationen. Dabei darf Innovation aber kein Selbstzweck sein. Ein Trugschluss ist der bei manchen Politikern entstandene Eindruck, dank der schönen neuen Technologien brauche man ja nun keine Strecken mehr zu elektrifizieren. Die klassische Leitungselektrifizierung ist aber schon ab einem gar nicht allzu hohen Verkehrsaufkommen oft weiterhin die beste Lösung. In diesem Bereich besteht immer noch ein enormer Nachholbedarf.

Es gibt aber große Teile des deutschen Bahnnetzes, bei denen es auf absehbarer Zeit keine realistische Perspektive für eine Leitungselektrifizierung gibt. Hier eröffnet sich ein weites Feld für den Einsatz von elektrischen Hybrid-Triebwagen, die Strom aus Oberleitung und Batterie ziehen können. Gegenüber den älteren Akkutriebwagen, die in der Pfalz noch bis Mitte der 1980er-Jahre eingesetzt wurden, haben sie vor allem zwei entscheidende Vorteile. Die Aufladezeiten sind erheblich kürzer und die Fahrzeuge können auf elektrifizierten Strecken Strom aus der Oberleitung holen. Dadurch wird ein breites Spektrum von Varianten aus Oberleitungs- und Batteriebetrieb möglich. In welcher Kombination das Optimum liegt, kann und sollte dabei für jede Strecke in einer spezifischen Untersuchung ermittelt werden. Der zuständige Zweckverband in Kaiserslautern ist bei der Ausschreibung des Betriebs heutiger Dieselstrecken in West- und Südpfalz auf dem richtigen Weg.