15.08.2018
Die Rheinpfalz

Viel spricht für Akku-Hybrid-Triebwagen

Die heute auf den Bahnlinien der West- und Südpfalz eingesetzten Dieselfahrzeuge sollen ab Ende 2023 schrittweise abgelöst werden
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Bei den Plänen für eine Elektrifizierung des Betriebs auf bisher mit Dieselfahrzeugen befahrenen Bahnstrecken in der West- und Südpfalz könnte ein Mix aus dem Einsatz von Akku-Hybrid-Triebwagen und der Leitungselektrifizierung von Teilabschnitten die besten Chancen haben.

Der Vorsteher des für den regionalen Bahnverkehr im südlichen Rheinland-Pfalz zuständigen Zweckverbands, der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU), betonte, der Zweckverband wolle auf sämtlichen Linien des bisherigen West- und Südpfalznetzes ab Ende 2023 schrittweise vom Diesel- zum Elektrobetrieb übergehen.Wie berichtet, gehören in der Pfalz zu dem Netz, dessen Betrieb ab Ende 2023 neu ausgeschrieben werden soll, die Regionalbahn-Linien von Kaiserslautern nach Lauterecken, Kusel, Bingen, Monsheim und Pirmasens, die Regional-Express-Linie von Kaiserslautern über Neustadt nach Karlsruhe sowie die Regionalbahn-Linien von Neustadt nach Karlsruhe, von Landau nach Pirmasens (samt der Züge nach Bundenthal), von Pirmasens nach Saarbrücken und von Winden nach Bad Bergzabern. Derzeit werden die Linien von der Deutschen Bahn (DB) betrieben, die dort vor allem Dieseltriebwagen der Baureihen 642 („Desiro“) und 643 („Talent“) einsetzt. Die Regionalbahn-Linien von Neustadt nach Weißenburg und von Wörth nach Lauterburg fehlen in dieser Liste, weil sie voraussichtlich Teil eines separaten Vergabeverfahrens für grenzüberschreitende Züge unter anderem von Neustadt nach Straßburg werden.

Für das künftige Pfalznetz sollen lokal emissionsfreie Fahrzeuge gefordert werden. Dies könnten Brennstoffzellenfahrzeuge wie der I-Lint von Alstom sein oder Elektrotriebwagen mit zusätzlicher Batterie. Bombardier und Siemens sind dabei, ein solches Fahrzeug, das im Fachjargon E/E-Hybrid genannt wird, zu entwickeln. Siemens will auf der kommenden Fachmesse Innotrans erstmals einen Triebwagen vom Typ Desiro Main Line in einer E/E-Hybrid-Version präsentieren. Tatsächlich anbieten will Siemens als E/E-Hybrid-Serienfahrzeug aber den neuen Typ Mireo, der in der Pfalz (allerdings in der reinen Oberleitungsversion) künftig auch auf der neuen S-Bahn-Linie von Mannheim über Ludwigshafen und Frankenthal nach Mainz fahren soll.

Für das Pfalznetz zeichnet sich bereits ab, dass an einigen Stellen die Elektrifizierung von Teilabschnitten erforderlich wäre, um die Reichweite der Batteriefahrzeuge auf das erforderliche Niveau zu bringen. Nicht überall sind die Voraussetzungen für den Einsatz von E/E-Hybriden so gut wie auf der Linie von Kaiserslautern nach Kusel, die zwischen Kaiserslautern und Landstuhl auf einer elektrifizierten Strecke verläuft. Wenn Streckenabschnitte und Bahnhöfe elektrifiziert werden, um Batteriefahrzeuge flexibel einsetzen zu können, sollen diese Elektrifizierungen „aufwärtskompatibel“ erfolgen, so dass sie als Einstieg in eine Gesamtelektrifizierung dienen können, betonte Brechtel. Für den Germersheimer Landrat haben diese punktuellen Maßnahmen für die Elektrifizierung des Betriebs auf dem heutigen Dieselnetz Vorrang vor der Leitungselektrifizierung einzelner Strecken wie der von Neustadt nach Wörth. Falls dank eines Sonderprogramms des Bundes genügend Mittel zur Verfügung stehen, sei auch die Elektrifizierung der Strecke Neustadt–Wörth wünschenswert. „Wir wollen nicht nur auf einer einzigen Strecke mit elektrischen Zügen fahren, sondern auf einem umfangreichen Netz in der West- und Südpfalz, um die Mobilität der Bürger zu verbessern und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Je mehr Finanzmittel dafür zur Verfügung gestellt werden, umso rascher kann diese Umstellung erfolgen, daher blicken wir erwartungsvoll auf die angekündigten Bundesmittel“, betonte Brechtel.

Der Zweckverband in Kaiserslautern lässt vom gleichen Gutachter, der auch die inzwischen viel zitierte Untersuchung für die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) über die Elektrifizierung des Bahnbetriebs erstellt hat, verschiedene Varianten der Elektrifizierung in der Pfalz analysieren. Das Ergebnis dieser Untersuchungen soll laut Brechtel im Sommer 2019 vorliegen.

Nils fragt: Was ist ein Hybrid?

Das Wort Hybrid kann je nach dem Zusammenhang, in dem es verwendet wird, ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Am häufigsten hört man das Wort heute, wenn es um Fahrzeuge geht, die zwei verschiedene Antriebe haben. Besonders bekannt sind die Autos des japanischen Herstellers Toyota, der als erster in großem Stil Fahrzeuge mit einem Benzin- und einem Elektroantrieb ausrüstete. Der Elektroantrieb wird besonders in der Stadt genutzt.

Auch im Bahnverkehr wird nun an Hybrid-Fahrzeugen gearbeitet. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine besteht darin, dass Dieseltriebwagen zusätzlich einen Akku bekommen. Er kann Energie speichern, die beim Bremsen entsteht. Eine andere Möglichkeit sind elektrische Triebwagen, die einen Akku haben, aber Strom auch aus einer Oberleitung holen können. Der Betrieb mit einer Oberleitung ist fast immer am günstigsten. Dabei geht weniger Energie verloren, als wenn Strom in einer Batterie gespeichert werden muss. Eine Oberleitung zu bauen, ist aber teuer. Es lohnt sich deshalb am meisten dort, wo viele Züge fahren. Strecken mit wenig Verkehr werden dagegen auch künftig meist keine Oberleitung haben. ebu

Kommentar: Rechnung mit vielen Unbekannten

Von Eckhard Buddruss

Bei der Elektrifizierung regionaler Bahnstrecken gibt es bundesweit großen Nachholbedarf. Nicht für alle sinnvollen Projekte steht Geld bereit. Die Elektrifizierung des Bahnverkehrs ist ein Thema, das derzeit starken politischen Rückenwind hat. Bei dem im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Elektrifizierungsprogramm für Regionalstrecken ist aber bisher leider noch sehr viel ungeklärt. Dies gilt vor allem für die Höhe der bereitstehenden Mittel sowie die Kriterien und Konditionen bei ihrer Vergabe.

Eines zeichnet sich allerdings jetzt schon deutlich ab. Die Liste der Kandidaten wird länger sein als die Liste der Projekte, für die Mittel bereit stehen. Ein im Auftrag der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) erstelltes Gutachten ist zum Ergebnis gekommen, dass überall dort, wo mehr als ein Stundentakt gefahren wird, eine Leitungselektrifizierung die beste Lösung ist. Wenn auf einer Strecke besonders lange oder schwere Züge fahren, tritt dieser Effekt sogar schon beim Stundentakt ein. Damit ist abzusehen, dass für eine ganze Reihe von Strecken eine Leitungselektrifizierung eigentlich die zumindest langfristig beste Lösung wäre, dafür aber in absehbarer Zeit wohl nicht die nötigen Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Hier werden dann Prioritäten gesetzt werden müssen, wobei neben fachlichen sicher auch politische Kriterien eine Rolle spielen werden.

Dabei ist es legitim, wenn jede Initiative und jeder Politiker für „ihr“ Projekt kämpfen. Eine besonders elektrifizierungswürdige Strecke ist sicherlich die von Neustadt nach Wörth, sie ist aber auch sicher nicht die einzige. Beispielsweise könnte es ein gewichtiges Argument für die Elektrifizierung der Ahrtalbahn von Remagen nach Ahrbrück sein, dass dadurch die Chancen steigen, auch künftig auf dem extrem stark befahrenen Abschnitt Remagen–Bonn der linken Rheinstrecke noch Fahrplantrassen für die Ahrtalbahnzüge zu bekommen. Es ist jedenfalls vernünftig, dass ein ausgewiesener Fachmann nun ein Gutachten über die Elektrifizierung des rheinland-pfälzischen Bahnverkehrs erstellt.