27.07.2018
Die Rheinpfalz

An Geld für Elektrifizierung sind viele interessiert

Hintergrund: Die Antwort des Bundesverkehrsministers auf einen Brief von Abgeordneten aus der Südpfalz ist ein Ablenkungsmanöver
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass 70 Prozent des deutschen Schienennetzes bis 2025 elektrifiziert sein sollen. Das eröffnet neue Chancen auch für Elektrifizierungsprojekte in der Pfalz. Dass dies aber sicherlich kein Selbstläufer wird, hat in der vergangenen Woche ein Brief von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an Südpfälzer Bundtagsabgeordnete deutlich gemacht. Wie berichtet, hat Scheuer zwar bestätigt, dass die Strecke Neustadt–Wörth, für deren Elektrifizierung sich die Südpfälzer Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, Grünen und FDP ausgesprochen hatten, von einer neuen Förderinitiative des Bundes profitieren könnte. Scheuers Brief vermittelt aber den Eindruck, dass er nicht gerade nach Kandidaten für dieses Programm sucht.

Dass Scheuer in seinem Brief primär auf das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) als mögliche Finanzierungsquelle hinwies, kann von mit der Materie Vertrauten als ziemlich durchsichtiger Abwimmelungsversuch interpretiert werden, denn das Südpfälzer Elektrifizierungsprojekt ist bisher gerade deswegen nicht vorangekommen, weil der für Großprojekte wie die S-Bahn Rhein-Neckar oder die Karlsruher Stadtbahn gedachte Bundes-GVFG-Topf hierfür nicht recht passt.

Optimal passen könnte dagegen die geplante Förderinitiative zur Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken. Hier beschränkte sich Scheuer in seinem Schreiben aber im Wesentlichen auf die erst vage absehbaren Regularien und spielte mit dem Hinweis, dass über die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel der Bundestag entscheide, sozusagen den Ball an die Abgeordneten zurück.

In der Tat wird die Frage, welche Mittel für die Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken zur Verfügung stehen, zum Schlüsselfaktor werden. Der Bund wird ein Interesse daran haben, dass zusätzliche Mittel für Elektrifizierungsvorhaben mit Vorrang Projekten des Bundesverkehrswegeplans zugute kommen, der nur Projekte mit Fernverkehrsrelevanz enthält. Ganz leer ausgehen dürfte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Förderung von Regionalstrecken aber wohl dennoch nicht.

Der abwimmelnde Hinweis auf das GVFG in dem Scheuer-Brief an die Südpfälzer Bundestagsabgeordneten deutet allerdings darauf hin, dass zusätzliche Kandidaten für die Mittel aus der Regionalstrecken-Förderinitiative dem Bundesverkehrsminister eher unwillkommen sind – wahrscheinlich, weil es schon genug Kandidaten aus einem Bundesland gibt, das dem CSU-Minister besonders am Herzen liegt, nämlich Bayern. Die dortigen Landtagswahlen im Oktober könnten dafür sorgen, dass die Regionalstrecken-Förderinitiative nun so schnell vorangetrieben wird, dass sie noch rechtzeitig vor der Landtagswahl neue Perspektiven für wichtige Elektrifizierungsprojekte in Bayern eröffnet. Dies gilt ganz besonders für die drei Strecken der Bayerischen Oberlandbahn nach Bayrischzell, Tegernsee und Lenggries. Auf sie entfällt ein relevanter Teil der noch in den Münchner Hauptbahnhof fahrenden Dieselzüge, die dort angesichts der Luftqualitätsprobleme in der bayerischen Landeshauptstadt zunehmend deplatziert wirken.

Hilfreich dürfte zudem sein, dass die Oberland-Strecken im Wahlkreis der für Verkehr zuständigen Landesministerin Ilse Aigner liegen. Dem innerbayerischen Regionalproporz ist auch noch in idealer Weise dadurch Rechnung getragen, dass es neben dem Projekt in Oberbayern ein ähnlich sinnvolles Projekt in Unterfranken mit der Strecke Aschaffenburg–Miltenberg gibt. Ein wichtiger Vorsprung könnte sich dadurch ergeben, dass der Freistaat die Vorplanung für die Oberland-Streckenelektrifizierung im Vorgriff auf die in Aussicht stehenden Bundesmittel selbst finanziert.

In Rheinland-Pfalz, wo der Anteil elektrifizierter Strecken im Bundesvergleich unterdurchschnittlich ist (siehe Grafik), ist die Vorbereitung auf das Förderprogramm noch lange nicht so weit gediehen wie in Bayern. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte am 14. Juni in einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Landtag zu dem Thema: „Das Land wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Strecken in Rheinland-Pfalz über dieses Förderprogramm elektrifiziert werden können.“

In Frage kommen könnten laut Wissing beispielsweise die Eifelstrecke Köln–Trier, die Alsenzstrecke Bingen–Hochspeyer, Strecken in der Südpfalz wie Neustadt–Wörth, die Lahntalstrecke Koblenz–Gießen, der Lückenschluss Gau Algesheim–Neubrücke auf der Nahestrecke oder stark nachgefragte Pendlerstrecken wie Remagen–Ahrbrück oder Mainz–Alzey. Eine Sprecherin des Mainzer Wirtschaftsministeriums betonte gegenüber der RHEINPFALZ, dass auch weitere Strecken außerhalb dieser Liste nicht ausgeschlossen seien. Wissing teilte außerdem mit, dass ein Gutachten für alle nicht elektrifizierten Strecken im Land untersuchen solle, ob eine Leitungselektrifizierung oder eher eine Umstellung auf alternative Antriebe wie Brennstoffzellen oder Batteriefahrzeuge sinnvoll ist. Speziell für das Pfalznetz, dessen Betrieb ab Ende 2023 bald ausgeschrieben werden soll, wird untersucht, ob dafür die Elektrifizierung einzelner Bahnhöfe oder Abschnitte sinnvoll und wirtschaftlich sein kann. Damit ließe sich möglicherweise der Aktionsradius von Batteriefahrzeugen entscheidend steigern.

Kommentar: Strom ist angesagt

Von Eckhard Buddruss

Ob Rheinland-Pfalz von dem neuen Elektrifizierungsprogramm profitiert, wird vor allem davon abhängen, wie viel Geld dafür bereit steht.

Die Elektrifizierung von Bahnstrecken ist ein Thema, zu dem der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vergleichsweise konkrete Vereinbarungen enthält. Besonders relevant für Rheinland-Pfalz ist das angekündigte Sonderprogramm für Regionalstrecken. Es resultiert aus der Erkenntnis, dass es durchaus elektrifizierungswürdige Regionalstrecken gibt, die aber mangels Fernverkehrsrelevanz keine Aussicht auf Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan haben und auch nicht Teil eines S-Bahn-Projekts sind. In der Pfalz kommt für ein solches Programm vor allem die Strecke von Neustadt über Landau nach Karlsruhe in Frage, die ab Wörth bereits elektrifiziert ist.

Wie groß die Chancen der Südpfälzer Strecke auf die Aufnahme in ein solches Programm ist, hängt entscheidend von dessen finanzieller Dotierung ab. Viele werden ein Stück vom Kuchen haben wollen. Sinnvoll über die Verteilung des Kuchens kann aber nur diskutiert werden, wenn es einen Kuchen gibt, der ausreichend groß ist, um nicht nur Krümel zu verteilen. Hier sind insbesondere die Abgeordneten der großen Koalition gefragt. Auch die Landesregierung in Mainz muss sich über das Thema fundierte Gedanken machen, die über eine Aufzählung aller im Land theoretisch möglichen Strecken hinausgehen.