21.06.2018
Die Rheinpfalz

Taktzüge Neustadt–Straßburg ab 2025

Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr französischer Kollege Jean Rottner vereinbaren gemeinsame Ausschreibung von Bahnbetrieb
Von Eckhard Buddruss

Mainz/Ludwigshafen. Ab Ende 2024 sollen zwischen Neustadt und Straßburg Direktzüge mindestens im Zwei-Stunden-Takt, eventuell sogar im Stundentakt fahren. Das haben die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr Kollege an der Spitze der französischen Region Grand Est vereinbart.

Jean Rottner, der als Regionalratspräsident der unter anderem aus dem Elsass und Lothringen gebildeten Region Grand Est in etwa mit einem deutschen Ministerpräsidenten vergleichbar ist, nutzte seinen Antrittsbesuch in Mainz, um gemeinsam mit Dreyer die Weichen für deutliche Verbesserungen des Bahnverkehrs zwischen der Pfalz und dem Elsass zu stellen. Dreyer und Rottner unterzeichneten ein Papier, das das weitere Vorgehen für eine gemeinsame Ausschreibung des Bahnbetriebs ab Ende 2024 auf den Linien von Neustadt über Landau und Weißenburg nach Straßburg und von Wörth über Lauterburg nach Straßburg regelt. Dabei betonte Rottner dezidiert, es gehe nicht nur um verbesserten Taktverkehr, sondern besonders auch um die Einrichtung von umsteigefreien Direktverbindungen zwischen Neustadt und Straßburg. Die rheinland-pfälzische Landesregierung strebt schon seit mehr als 20 Jahren einen Zwei-Stunden-Takt zwischen Neustadt und Straßburg an. Bisher gibt es nur ein einziges Direktzugpaar am Wochenende. Im Stundentakt wird bisher lediglich die Strecke zwischen Neustadt und Weißenburg befahren. In Weißenburg haben einige Züge (aber längst nicht alle) einen mehr oder weniger günstigen Anschluss nach Straßburg.

Werner Schreiner, der Beauftragte der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, sagte, für einen Stundentakt zwischen Neustadt und Straßburg könnte sprechen, dass sich dann der Fahrzeug- und Personaleinsatz deutlich effizienter gestalten ließe als bei einem Zwei-Stunden-Takt. Für die Linie zwischen Wörth und Straßburg ist nach den gegenwärtigen Überlegungen ein Zwei-Stunden-Takt vorgesehen. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) und der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) wollen eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Region Grand Est einrichten, die attraktive Tarife für die künftigen grenzüberschreitenden Züge entwickelt. Dazu sollen auch elektronische Tickets gehören.

Rheinland-Pfalz und Grand Est haben vereinbart, Betriebsprogramme und Fahrplanunterlagen für die geplante Ausschreibung im Rahmen eines Interreg-Programms erarbeiten zu lassen. Mit solchen Programmen fördert die Europäische Union (EU) grenzüberschreitende Projekte. Auch die Mehrkosten, die durch die technisch aufwendigeren grenzüberschreitend einsetzbaren Fahrzeuge entstehen, hoffen die Projektpartner teilweise über ein Interreg-Programm finanzieren zu können. Zur Entwicklung des Betriebsprogramms wurden bereits Gespräche mit dem Schweizer Unternehmen SMA aufgenommen, das auch den Rheinland-Pfalz-Takt konzipiert hat. In dem von Dreyer und Rottner unterzeichneten Text ist ausdrücklich festgehalten, dass für den Einsatz auf den künftigen deutsch-französischen Linien eine für den grenzüberschreitenden Verkehr geeignete Version der Regiolis-Triebwagen ins Auge gefasst ist. Dies würde ermöglichen, die Fahrzeuge mit heute schon im Nordelsass eingesetzten Regiolis-Triebwagen zu kuppeln. Es ist absehbar, dass manche Züge von Neustadt nach Straßburg auf dem besonders stark frequentierten Abschnitt zwischen Hagenau und Straßburg um eine zusätzliche Einheit verstärkt werden müssen.

Dreyer und Rottner ließen in Mainz keinen Zweifel daran, dass sie das Projekt schnell und mit Nachdruck vorantreiben wollen. Als sehr hilfreich bezeichnete es Rottner, dass Dreyer das Thema im vergangenen November bei einer Begegnung im Elsass mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron angesprochen hatte. Dreyer hatte sich damals gegenüber der RHEINPFALZ sehr erfreut darüber geäußert, wie viel Interesse Macron an dem Projekt gezeigt habe. In der Pfalz wird das Projekt von einem breiten parteiübergreifenden Konsens getragen. Als vor knapp einem Jahr das Jubiläum der Streckenreaktivierung Winden–Weißenburg gefeiert wurde, sprachen sich maßgebliche Politiker von CDU, SPD und FDP klar dafür aus, darunter der Landrat des am stärksten betroffenen Kreises Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt, und der für Verkehr im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium zuständige Staatssekretär Andy Becht.

Kommentar: Wichtige Weichen schnell gestellt

Von Eckhard Buddruss

Pläne für Taktzüge von Neustadt nach Straßburg sind lange Zeit nicht vorangekommen. Jetzt entwickelt das Projekt ungeahnte Dynamik.

Als im Juni 2017 in Weißenburg das Jubiläum der ersten pfälzisch-elsässischen Bahnstreckenreaktivierung gefeiert wurde, zeichnete sich schon ab, dass es für die von Rheinland-Pfalz schon 1997 angestrebten Taktzüge von Neustadt nach Straßburg neue Chancen geben könnte. Nun geht es tatsächlich nach langem Stillstand in verblüffendem Tempo voran.

Wichtiger als die Frage, ob das von Malu Dreyer und ihrem französischen Kollegen Jean Rottner unterzeichnete Papier eine Resolution, eine Vereinbarung oder ein Abkommen ist, ist der klare politische Wille des Landes Rheinland-Pfalz und der Region Grand Est, das grenzüberschreitende Zugangebot bald massiv zu verbessern. Verkehrs- und europapolitische Motive gehen dabei Hand in Hand.

Bei dem bisher beispiellosen Projekt einer gemeinsamen deutsch-französischen Bahnbetriebsausschreibung können noch sehr viele Teufel in sehr vielen Details stecken. Dennoch besteht nun Anlass zur Zuversicht – nicht zuletzt, weil Werner Schreiner als Beauftragter der Ministerpräsidentin seit Jahren hinter den Kulissen wichtige Vorarbeiten geleistet hat, die nun ihre Früchte zu tragen beginnen. Schon bei der Reaktivierung der Bahnstrecke von Winden nach Weißenburg im März 1997 hat Schreiner, der Verhandlungen auf Französisch führen kann, sein großes Geschick bei der Regelung komplizierter deutsch-französischer Bahnfragen bewiesen. Mit dem klaren politischen Willen von Land und Region im Rücken hat er nun gute Chancen, auch für die verbleibenden Probleme noch probate Lösungen zu finden.