29.06.2017
Die Rheinpfalz

Taktzüge von Neustadt nach Straßburg rücken näher

In der Nachbarregion Grand Est wird schon die Fahrzeugbeschaffung vorbereitet – Parteiübergreifender Konsens für das Projekt in der Pfalz
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Die Chancen, dass in einigen Jahren direkte Züge im Takt von Neustadt über Landau und Weißenburg nach Straßburg fahren, haben sich deutlich verbessert. In der französischen Nachbarregion Grand Est wird bereits die Entwicklung und Beschaffung der dafür nötigen Fahrzeuge eingeleitet. Auf rheinland-pfälzischer Seite wird das Projekt von einem breiten parteiübergreifenden Konsens getragen.

Als vor gut 20 Jahren, am 1. März 1997, die Bahnstrecke von Winden nach Weißenburg reaktiviert und in den Rheinland-Pfalz-Takt integriert wurde, wies der damalige Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, Gerhard Weber (CDU), darauf hin, dass es – bei aller Freude über die gelungene Reaktivierung – noch Potenzial für Verbesserungen gab. Weber sagte, als sein Großvater 1903 von Landau nach Neustadt zog, habe es durchgehende Züge mit kürzeren Fahrzeiten als 1997 von Neustadt nach Straßburg gegeben. Auch der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nannte die Reaktivierung der Strecke Winden–Weißenburg 1997 „den ersten Schritt zu einer durchgehenden Verbindung von Neustadt nach Straßburg“. Günter Eymael (FDP) betonte 2005 beim Jubiläum „150 Jahre Pfälzische Maximiliansbahn“, Ziel der rheinland-pfälzischen Landesregierung sei ein Zwei-Stunden-Takt mit Direktzügen von Neustadt nach Straßburg. Seitdem gab es allerdings nur sehr bescheidene Fortschritte in dieser Richtung. Lediglich samstags und sonntags gibt es ein einziges Zugpaar von Neustadt nach Straßburg und zurück. Grund ist der Mangel an Fahrzeugen, die mit der Leit- und Sicherungstechnik sowohl für das deutsche als auch für das französische Netz ausgerüstet sind.

Eine Gelegenheit, solche Fahrzeuge zu beschaffen, wurde verpasst, als der Betrieb für die Strecken in der Südpfalz von 2010 bis 2023 ausgeschrieben wurde. Weil damals die Regionalisierungsmittel, die die Länder vom Bund für den regionalen Schienenverkehr erhalten, gekürzt worden waren, musste in der Pfalz das Zugangebot reduziert werden. In diesem Kontext war es unmöglich, zusätzliche Mittel für die Beschaffung von Fahrzeugen für den grenzüberschreitenden Verkehr aufzubringen.

Die nächste günstige Gelegenheit bietet sich, wenn der Betrieb für die Zeit ab Ende 2023 ausgeschrieben wird. Möglicherweise kommt es dann erstmals zu einer gemeinsamen Ausschreibung deutscher und französischer Regionalverkehrsaufgabenträger. In der neuen Region Grand Est, zu der auch das Elsass und Lothringen gehören, ist das Interesse an dem Thema groß. Regionalratspräsident Philippe Richert, dessen Funktion der eines deutschen Ministerpräsidenten ähnelt, hat den Schienenverkehr zu einem seiner Schwerpunktthemen gemacht. Dabei kombinieren sich verkehrspolitische und industriepolitische Motive. Das Alstom-Werk im elsässischen Reichshoffen, das vor zwei Jahren mangels Aufträgen von der Schließung bedroht schien, ist derzeit besonders froh über Bestellungen von Regionaltriebwagen.

Am 7. Juni stellte Richert bei einem Besuch des Werks für 2018 die Bestellung von 15 Triebwagen für den grenzüberschreitenden Verkehr in Aussicht. Richert verwies darauf, dass sich die derzeit im Verkehr von Frankreich nach Deutschland eingesetzten Triebwagen (X 73.900, Spitzname „Blauwal“) angesichts steigender Fahrgastzahlen als zu klein erweisen. Wie berichtet, hat ihre Ablösung bei einigen Zügen durch größere Fahrzeuge dazu geführt, dass die Anzahl der Direktzüge zwischen Saarbrücken und Straßburg reduziert wurde.

Das große Interesse in der Region Grand Est an dem Thema eröffnet nun Perspektiven, nicht nur Kapazitätsprobleme bei vorhandenen Zügen zu lösen, sondern auch neue Verbindungen zu schaffen. Bei der Feier zum Jubiläum „20 Jahre Bahnreaktivierung Winden–Weißenburg“ herrschte am vergangenen Wochenende Einigkeit darüber, dass dazu auch die Linie von Neustadt nach Straßburg gehören sollte, die unter anderem auch eine Direktverbindung zwischen den Partnerstädten Landau und Hagenau schaffen würde.

Der künftige Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt (CDU), sagte der RHEINPFALZ am Rande der Feier in Weißenburg, dass er direkte Züge von Neustadt nach Straßburg genauso nachdrücklich befürworte wie vor 20 Jahren der damalige Landrat Gerhard Weber. Seefeldt ist derzeit noch Erster Beigeordneter im Landkreis Germersheim, dessen Landrat Fritz Brechtel (CDU) ebenfalls als engagierter Befürworter von Verbesserungen im grenzüberschreitenden Zugverkehr gilt.

Staatssekretär Andy Becht (FDP) vom Wirtschaftsministerium in Mainz befürwortet das Vorhaben sowohl wegen des europapolitischen Symbolwerts einer Verbindung zwischen „zwei Herzkammern Europas“ (der Pfalz und dem Elsass) als auch aus verkehrspolitischen Gründen. Ziel sei es, den Marktanteil der umweltschonenden Bahn auch im grenzüberschreitenden Verkehr zu steigern. Alexander Schweitzer, Vorsitzender der SPD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, misst dem Projekt ebenfalls hohe landespolitische Bedeutung zu. Hier biete sich eine Chance, die es in dieser Form noch nie gegeben habe, ein langjähriges Ziel der rheinland-pfälzischen Politik zu erreichen. Wie berichtet, wird angestrebt, einen Teil der Zusatzkosten für die grenzüberschreitend einsetzbaren Fahrzeuge durch EU-Fördermittel zu decken.

Kommentar: Die Gunst der Stunde

Von Eckhard Buddruss

Der regionale Zugverkehr zwischen Deutschland und Frankreich ist kein einfaches Thema. Nun gibt es aber Chancen für einen Durchbruch.

Ambitionierte Ziele, aber nur wenige konkrete Fortschritte und immer wieder Rückschläge: Das ist das Bild, das der regionale Zugverkehr zwischen Deutschland und Frankreich seit 2002 geboten hat. Immerhin hat die Reaktivierung der Bahnstrecke von Winden nach Weißenburg vor 20 Jahren und sozusagen in ihrem Schlepptau auch der zwischen Wörth und Lauterburg Ende 2002 gezeigt, dass bei gutem Willen auf allen Seiten Fortschritte möglich sind.

Entscheidend voran geht es aber meist nur, wenn mehrere günstige Umstände zusammenkommen. Derzeit zeichnet sich eine solche Situation ab. In der französischen Nachbarregion hat das Projekt, neue Fahrzeuge für einen grenzüberschreitenden Regionalverkehr zu entwickeln, eine bisher nicht gekannte Dynamik gewonnen, nicht zuletzt, weil dabei auch industrie- und arbeitsmarktpolitische Motive eine Rolle spielen.

In vielen Details können sich noch diverse Teufel verstecken. Aber für Rheinland-Pfalz ergibt sich eine Gelegenheit, ein schon 1997 und dann erneut 2005 formuliertes Ziel endlich zu erreichen, die keinesfalls verpasst werden sollte. Die Chancen, verbleibende Schwierigkeiten zu überwinden, sind nicht zuletzt dank des außenpolitischen Kontextes gut. Hier gibt es seit der Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Staatspräsidenten neuen Rückenwind für die deutsch-französische Kooperation und insbesondere für Projekte, die dazu beitragen können, Europa im Alltag für die Bevölkerung zu einem Positiv-Thema zu machen.