06.05.2017
Die Rheinpfalz

Elsass beim Bahnverkehr spitze

Das Regionalzugangebot der Pfälzer Nachbarregion gilt in Frankreich als vorbildlich
Von Eckhard Buddruss

Das laufende Fahrplanjahr 2017 ist das erste, in dem die über 400 Kilometer lange Ost-Schnellbahn (LGV Est) von Vaires bei Paris bis nach Vendenheim bei Straßburg voll genutzt werden kann. Die Fahrzeit von Straßburg nach Paris beträgt nur noch rund eindreiviertel Stunden. Von den 16 Hochgeschwindigkeitszügen, die pro Tag die elsässische Metropole mit der französischen Hauptstadt verbinden, kommt fast die Hälfte aus Deutschland und zwar fünf aus Stuttgart über Karlsruhe und zwei aus Frankfurt über Mannheim und Karlsruhe.Im Elsass wurde jedoch über den hohen Investitionen in die Hochgeschwindigkeitsstrecke, an denen sich die Region in erheblichem Umfang beteiligt hat, der Regionalverkehr nicht vernachlässigt. Er hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls sehr positiv entwickelt. Die französische Fachzeitschrift „Ville, Rail & Transports“ vergibt jedes Jahr einen „Grand Prix du TER“. Die Abkürzung TER steht für Train Express Régional und ist die gängige Bezeichnung für den regionalen Zugverkehr, der in Frankreich nun von den in etwa deutschen Bundesländern entsprechenden Regionen organisiert wird. Anders als in Deutschland gibt es allerdings um die Aufträge bisher keinen Wettbewerb, sondern noch ein De-facto-Monopol der Staatsbahn SNCF als Auftragnehmer.

Als der „Große Preis des Bahn-Regionalverkehrs“ im vergangenen Jahr von „Ville, Rail & Transports“ erstmals nach der Territorialreform vergeben wurde, erhielt die Ehrung die neue Region Grand Est, in der die früheren Regionen Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne aufgegangen sind – und zwar wegen der guten Werte des Elsass, das den gleichen Preis auch schon im Vorjahr gewonnen hatte. Begründet wurde die Auszeichnung von der Fachzeitschrift vor allem damit, dass das Elsass bei den meisten der Servicequalität-Indikatoren auf dem ersten Platz liegt.

Rund 750 Regionalzüge im Elsass befördern pro Tag knapp 80.000 Reisende. Die Länge der im Regionalverkehr betriebenen Strecken beträgt im Elsass 632 Kilometer. In der neuen Region Grand Est kommen außerdem noch 852 Kilometer in der früheren Region Champagne-Ardenne sowie 1243 Kilometer in Lothringen hinzu. Ein wichtiges Thema für die neue Großregion ist derzeit die Übernahme der „Linie 4“ von Paris über Troyes nach Belfort, für die bisher der französische Staat zuständig war. Über diese größtenteils nicht elektrifizierte Strecke lief früher der Verkehr von Paris nach Basel, der seit Inbetriebnahme der Rhein-Rhone-Schnellbahn (TGV Rhin-Rhône) Ende 2011 nun den Weg über diese neue Hochgeschwindigkeitsstrecke nimmt.

Wie berichtet, haben sich der französische Staat und die Regionen geeinigt, dass ein Teil der Linien, für die bisher der Staat zuständig war, von den Regionen übernommen wird. Der Staat finanziert dafür aber noch die Erneuerung des Fahrzeugparks. Derzeit sind auf der Strecke von Paris nach Belfort noch mit Dieselloks bespannte Züge unterwegs, die aus älteren Corail-Wagen gebildet sind. Abgelöst werden sie von Hybrid-Triebwagen vom Alstom-Typ Coradia Liner V 160, die auf elektrifizierten Abschnitten elektrisch fahren können. Diese Fahrzeuge ähneln den schon im elsässischen Regionalverkehr eingesetzten Régiolis-Triebwagen und werden im elsässischen Alstom-Werk Reichshoffen hergestellt.

Zur Sache: „Blauwale“ bringen Pfälzer nach Straßburg

Direkte Regionalzüge zwischen der Pfalz und Straßburg haben Seltenheitswert. Dies liegt vor allem daran, dass es nur wenige Fahrzeuge gibt, die über die Leit- und Sicherungstechnik sowohl für das französische als auch für das deutsche Netz verfügen. Deutsche Triebwagen können deshalb nur bis zu den Grenzbahnhöfen Weißenburg und Lauterburg fahren, aber nicht darüber hinaus.

Im Elsass verfügt die französische Staatsbahn SNCF über zwölf Triebwagen der Baureihe X 73.900, die mit Leit- und Sicherungstechnik für den Einsatz in Deutschland ausgerüstet sind. Dies ist in erster Linie das Verdienst des früheren Regionalratspräsidenten Adrien Zeller, dem am grenzüberschreitenden Regionalverkehr so viel lag, dass er bereit war, die mit der Zusatzausrüstung verbundenen Mehrkosten zu tragen. Diese deutschlandtauglichen „Blauwale“ sind derzeit die einzigen Fahrzeuge, mit denen sich Direktzüge zwischen der Pfalz und Straßburg fahren lassen. Den Spitznamen „Blauwal“ bekamen die Triebwagen dieses Typs wegen ihrer Form und ursprünglichen Farbe.

Auf der Strecke von Saarbrücken über Saargemünd nach Straßburg wurden die relativ kleinen „Blauwale“ wegen der gestiegenen Fahrgastzahlen inzwischen teilweise durch Fahrzeuge mit größerer Kapazität abgelöst, die allerdings nicht nach Deutschland fahren können. Dadurch sind einige Direktzüge von Saarbrücken nach Straßburg weggefallen.

Immerhin ergab sich dadurch die Möglichkeit, mit den dort frei gewordenen „Blauwalen“ am Wochenende zusätzliche Direktzüge zwischen der Pfalz und Straßburg anzubieten. Zusätzlich zu dem ganzjährig samstags und sonntags verkehrenden Direktzug von Neustadt über Landau, Weißenburg und Hagenau nach Straßburg fahren nun ab heute samstags und sonntags in der Ausflugssaison bis Ende Oktober drei bis vier Zugpaare direkt von Wörth über Lauterburg nach Straßburg. ebu