26.01.2017
Die Rheinpfalz

Die Lederhose bleibt im Schrank

Von 1818 bis 1919 war der heutige Saarpfalz-Kreis Teil der bayerischen Pfalz – als westlichster Außenposten des weißblauen Königreichs. Dass sich bis heute zahlreiche eindrucksvolle Gebäude aus jener Zeit erhalten haben, beweist die Fotoausstellung „100 Jahre bayerische Saarpfalz“, die jetzt im Homburger Landratsamt zu sehen ist.
Von Gerhard Müller

Homburg. Der Ort der Ausstellung wirkt ungewöhnlich. Es ist kein Museum und keine Halle, in der die gut 40 mit Fotos und Texten bedruckten Stoffbahnen aufgespannt sind. Die mannshohen Textilschilder, neudeutsch als „Roll-ups“ bezeichnet, ziehen sich nebeneinander aufgereiht durch mehrere Flure im zweiten Stock der Kreisverwaltung am Forum. Darauf abgebildet sind Kirchen, Bahnhöfe, Schul- und Fabrikgebäude aus dem gesamten Saarpfalz-Kreis: Die Motive lassen ahnen, was Roland Paul am Dienstagabend bei der Ausstellungseröffnung meinte, als er die Zeit der Bayernherrschaft als „städtebaulich, wirtschaftlich und politisch prägend“ für die hiesige Region bezeichnete. In seiner Ansprache erklärte der frühere Direktor des Kaiserslauterer Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde, wie das Königreich Bayern seinerzeit überhaupt in den Besitz der Pfalz gekommen ist. Die weiträumigen Gebiete links des Rheins, die zuvor der Franzosenkaiser Napoleon erobert hatte, wurden nach dessen Niederlage dem Staat Bayern zugeschlagen. Nicht zuletzt deshalb, weil auf dem Münchner Thron mit Max I. Joseph ein König saß, der am herzoglichen Hof in Zweibrücken aufgewachsen war. Er sicherte seinen pfälzischen Neubürgern nach dem Abzug der Franzosen den Erhalt der napoleonischen Freiheitsrechte zu – und die Beibehaltung des liberalen Gesetzbuches „Code Civil“. Diese Freiheiten wiederum machten Jahre später im Raum Zweibrücken/Homburg das demokratisch-liberale Wirken von Männern wie Schüler, Wirth und Siebenpfeiffer erst möglich. Stichwort Siebenpfeiffer: Unter bayerischer Herrschaft leitete der Jurist und Politiker ab 1818 die Verwaltung des sogenannten Landcommissariats Homburg, das in die vier Kantone Homburg, Blieskastel, Waldmohr und Landstuhl unterteilt war.

1919, nach dem Ersten Weltkrieg, verlor Bayern seine pfälzischen und saarpfälzischen Besitzungen wieder. Doch wie sehr das bajuwarische Königreich dieser Gegend einst seinen Stempel aufgedrückt hat, lässt sich anhand der Ausstellung im Forum anschaulich besichtigen. Die aufgespannten Bildtafeln zeigen Fotos, die Martin Baus von der Siebenpfeiffer-Stiftung aufgenommen hat – ergänzt durch kurze Erläuterungstexte aus der Feder der Historikerin Jutta Schwan, die vor einigen Jahren ein kiloschweres Standardwerk über das versunkene Schloss Karlsberg verfasst hat. Die Fotos der Ausstellung zeigen zahlreiche Gebäude aus dem saarpfälzischen Stadt- und Ortsbild, die eigentlich bestens bekannt sind. Fast täglich fährt man an ihnen vorbei – etwa am Homburger Amtsgericht oder am früheren Gesundheitsamt am Scheffelplatz. Doch erst ihre Ausstellungspräsentation im königlich-bayerischen Zusammenhang macht deutlich, dass es sich bei ihnen um etwas ganz Besonderes handelt.

Oder wer weiß heute noch, was es mit der Maxsäule in Blieskastel auf sich hat? 1823 errichtete die Bevölkerung das Monument zu Ehren des Bayernkönigs Max Joseph – als Dank für den Bau der Fernstraße von Homburg über Einöd, Webenheim und Blieskastel bis nach Saargemünd, der heutigen B 423. Bernhard Becker, Geschäftsführer der Siebenpfeiffer-Stiftung: „So viel Untertänigkeit ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Blieskasteler nur wenige Jahre zuvor in ihrer Stadt den Napoleonbrunnen aufgestellt hatten.“

„Zur Feier des Tages wollte ich heute Abend ja meine bayerischen Lederhosen anziehen“, begrüßte Saarpfalz-Landrat Theophil Gallo die Vernissage-Gäste am Dienstag: „Leider passen sie mir im Moment nicht.“

Angesichts der erstaunlich großen Zahl an Premierengästen wurden die Stühle knapp. Neben Gallos Landrats-Kollegen Paul Junker (Kaiserslautern) und Winfried Hirschberger (Kusel) war die einst bayerische Pfalz vorgestern Abend unter anderem durch den früheren Zweibrücker OB Hans Otto Streuber sowie mit Walter Dury, Willi Kestel und Bernhard Thurn durch zwei frühere und den heutigen Präsidenten des Oberlandesgerichts aus der Rosenstadt vertreten.

Info

- Die Ausstellung „100 Jahre bayerische Saarpfalz – eine fotografische Zeitreise“ ist bis 31. März in den Fluren im zweiten Stock der Homburger Kreisverwaltung zu sehen, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
- Später soll die Ausstellung auf Wanderschaft durch verschiedene Städte und Gemeinden der Saarpfalz geschickt werden.

Zur Sache: Ausgewählte Motive der Bayern-Ausstellung

Homburg Bahnmeisterei, siebenachsiger Bau, 1902
Homburg Katholische Kirche St. Michael, 1836 bis 1841. Baldachin-Altar gestiftet 1898 vom Prinzregenten Luitpold
Homburg Neugotisches Haus Homburger Hof am Rondell, früher Hotel Petershof, 1907
Homburg Klinikkirche im Jugendstil, 1909
Beeden Kraftwerk, pfälzische Überlandzentrale, 1913/14
Homburg Heutiges Saarpfalz-Gymnasium. Gebaut als Distrikts-Krankenhaus, 1898
Jägersburg/Waldmohr Bahnhof Glantalbahn, 1903
Homburg Kulturbauamt mit Säulen am Scheffelplatz, 1914
Homburg Synagoge (zuvor Franziskanerkloster, 1862 profaniert)
Homburg Amtsgericht
Webenheim Neugotische Kirche im Maximiliansstil, 1867
Blieskastel Säule für König Max Joseph an der Straße Homburg - Saargemünd, 1823
Blieskastel Finanzamt, 1904
Gersheim Bahnhof, 1885
Bexbach Endstation der Ludwigsbahn, ältester Bahnhof des Saarlandes, 1849
Niederbexbach Schule, 1899
Bexbach Protestantische Kirche, 1888/89
Erfweiler-Ehlingen Josefskapelle, 1869
St. Ingbert Luitpoldschule, 1884
St. Ingbert Mädchenschule, heute Polizeiwache
Kirkel-Altstadt Glockenturm von 1859
Kirkel-Limbach Steuereinnehmerei neben dem Bürgermeisteramt, 1905
Walsheim Brauereigebäude mit Gewölbekeller
Blieskastel Protestantische Kirche, 1911/12
Niederbexbach Woogsacker Mühle, 1842ghm