18.01.2017
Die Rheinpfalz

„Es lohnt sich, hier zu leben“

Gestern Abend: Oberbürgermeister Kurt Pirmann gibt Zweibrücken noch nicht auf - Mehr als 300 Gäste bei Neujahrsempfang

„Ich war in mir noch nie so gespalten wie dieses Mal“, gestand Oberbürgermeister Kurt Pirmann gestern Abend in der Zweibrücker Festhalle. Seine Neujahrsrede − die 24. in seiner Zeit als Berufspolitiker − hatte entsprechend zwei große Themen: Geld und die Zukunft Europas. „Es lohnt sich, hier zu leben“, versuchte er den Zweibrückern Mut zu machen − auch wenn die Zeiten schwierig sind.

„Zweibrücken hat eine Viertelmilliarde Euro Schulden“, verdeutlichte Pirmann und forderte − nicht zum ersten Mal − eine Reform: Das System, wie Gemeinden finanziert werden, müsse überarbeitet werden, sagte er vor mehr als 300 Gästen beim Neujahrsempfang der Stadt, der städtischen Töchter und der Bundeswehr in der Festhalle. Viele Städte und Gemeinden bekämen noch immer zu wenig Geld für ihre Aufgaben. Um bei Zweibrücken zu bleiben: Im Sozialhaushalt der Stadt stehen für 2017 Ausgaben von 30 Millionen Euro, aber nur 15 Millionen Euro an Einnahmen. Der OB warnte vor einer „Spaltung in Arm und Reich“, in ländliche Gegenden und andererseits wohlhabende Städte, die immer mehr Einwohner anziehen. „Wir gehen immer weiter auseinander.“ Was Bund und Land verschuldeten Kommunen an Unterstützung bieten, reiche nicht aus, um die Schulden abzubauen − das sei nach jetzigem Stand eher „eine Jahrhundertaufgabe“.Der OB nannte die Zuwanderung als große Herausforderung. „Die Stadt und ihre Bürger sowie der Beirat für Migration und Integration haben Großartiges geleistet und tun es immer noch“, lobte er und nannte auch das Rote Kreuz und den Arbeiter-Samariter-Bund, die bis Mitte 2016 die Zweibrücker Erstaufnahme-Einrichtungen für Asylsuchende betreuten. Doch zeige sich auch beim Thema Flüchtlinge, dass die Kommunen zu wenig Geld für das bekämen, was sie leisten.

„Das Wort Flüchtling darf nicht für Terror und Angst herangezogen werden“, sagte der Oberbürgermeister angesichts islamistischer Anschläge und Terror. „Lassen Sie uns nicht Wut und krankhaftes Verhalten mit den gleichen Antworten bedienen. Lassen Sie uns offen, tolerant und demokratisch im Umgang bleiben“, rief er die Zuhörer auf und erntete Applaus.

Auch Pirmann treibt die Entwicklung Europas um. „Wenn die Wertegemeinschaft Europa nur noch aus einem zahlenden Deutschland und aus verbalen Lippenbekenntnissen besteht, befürchte ich, dass wir leider nur eine Generation lang in Europa Freiheit hatten und zu den alten Grenzen zurückkehren“, sagte der Oberbürgermeister. Er erinnerte sich an die Neujahrsnacht 1992 und wie stolz er war, mit Werner von Blon in Hornbach die Grenzbake zwischen Deutschland und Frankreich zu zersägen. „Mein Gott, wie schön ist es heute ohne Grenzkontrollen.“

Der OB hob in seiner 40-minütigen Rede die Schließung des Evangelischen Krankenhauses als Ereignis des Jahres 2016 hervor. Ein „tiefer Schock“ habe sich über die Stadt gelegt: „Keine Geburtenstation, veränderte Krankenhauswege, verlorene Jobs und keine Kinder mehr, die in Zweibrücken geboren werden. Schlechte Stimmung in der Stadt, in der Zuversicht und Aufbruchstimmung herrschten.“ Nun der angekündigte Arbeitsplatzabbau bei Terex. Die Zweibrücker Maschinenbauindustrie stehe für Qualität und hoch qualifizierte Mitarbeiter. „Dieses Potenzial sollte nicht verspielt werden, nur weil einige Aktionäre in den USA zweistellige Gewinnraten möchten. Das kann nicht sein“, sagte Pirmann, und wieder klatschten die Zuhörer.

Trotz der Rückschläge sei Zweibrücken noch immer „ein Motor der regionalen Wirtschaft, der Kreativität und der Innovation“ und „ein Mittelpunkt des kulturellen Lebens“, betonte Pirmann.

Mit der Alten Ixheimer Straße habe man einen Schandfleck zu einer „schicken, begrünten und mit Parkplätzen versehenen Einfallstür“ gemacht. Pirmann begrüßte, dass sich Rheinland-Pfalz und Saarland beim Thema S-Bahn-Verlängerung näherkommen. Er hofft, noch als Oberbürgermeister mit dem Zug zu fahren, der Zweibrücken und Homburg dann wieder verbindet − bleiben also noch etwa dreieinhalb Jahre. sbn