23.04.2016
Die Rheinpfalz

Blickpunkt: Die rot-gelb-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz

Mehr Geld für Verkehr, weniger Behörden-Stellen

Drei-Parteien-Bündnis einigt sich bei Koalitionsverhandlungen auf Kompromisse – Bildung soll vom Kindergarten bis zur Universität gebührenfrei bleiben

MAINZ (nob). Spitzenpolitiker von SPD, FDP und Grünen haben sich auf den Entwurf eines Koalitionsvertrags geeinigt. In ihm sind die Ziele festgelegt, die sich die drei Parteien für eine gemeinsame Regierung in den kommenden fünf Jahren gesetzt haben. In dem Papier sollen sich die Partner mit ihren Vorstellungen gleichermaßen wiederfinden. Der Inhalt sei mehr als „der kleinste gemeinsame Nenner“, wurde bei der Vorstellung des Entwurfs gestern versprochen. Die wichtigsten Themen im Vertragsentwurf.

Bildung soll auch in Zukunft vom Kindergarten bis zur Universität gebührenfrei bleiben. Bei diesem Thema habe bei den Verhandlungen sehr schnell Einigkeit bestanden, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gestern. Berufliche und akademische Bildung sollen gleichwertig nebeneinander stehen.Schulen: Die Ampel-Koalition will die Unterrichtsversorgung weiter verbessern. Eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung werde angestrebt, heißt es im Vertragsentwurf. Dreyer hat 270 neue Lehrerstellen angekündigt. Außerdem solle der Vertretungspool für Lehrer aufgestockt werden. Berufsschulen und Realschulen plus sollen gestärkt werden.

Kitas: Die öffentliche Verantwortung für Bildung beginne in den Kitas, heißt es in dem Vertragsentwurf. Diesem Gedanken soll auf Betreiben vor allem der FDP künftig mehr Rechnung getragen werden. Konkret wird angekündigt, die musikalische Früherziehung in den Kitas auszubauen.

Hochschulen: Geplant ist ein Hochschulzukunftsgesetz. Darin sollen die Hochschulen mehr Rechte bekommen zum Beispiel bei der Berufung von Professoren und bei der Verwendung von Geldmitteln. Verkehrspolitik: Bei Straßen und Brücken solle weiterhin der Grundsatz gelten „Erhalt vor Neubau“, sagte die Ministerpräsidentin. Es gehe um einen guten „Verkehrsmix“, deshalb werde es Investitionen in alle Verkehrsträger geben. Deutlich mehr Geld wird für Unterhalt und Ausbau der Landesstraßen bereitgestellt: 600 Millionen Euro in fünf Jahren. Die SPD hatte vor der Wahl 500 Millionen Euro versprochen, die FDP 750 Millionen Euro gefordert. Daneben spricht sich die Koalition für den Neu- und Ausbau zahlreicher Straßen und Brücken aus. Teilweise waren diese Projekte in den vergangenen fünf Jahren zwischen SPD und Grünen umstritten oder sogar auf Eis gelegt.

Für eine Rheinbrücke bei Bingen wird eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.

Der Rückbau der Hochstraße und der geplante Neubau der Stadtstraße in Ludwigshafen werde von der Ampel-Koalition unterstützt, falls der Bund das Projekt angemessen fördere, heißt es in dem Vertragsentwurf.

Die Planungen einer Straßenbrücke im Mittelrheintal soll wieder aufgenommen werden. Dieses Projekt ist umstritten, weil es mitten im Welterbegebiet Mittelrhein liegt. Außerdem bezweifeln Kritiker, dass das zu erwartende Verkehrsaufkommen die Investition von bis zu 100 Millionen Euro rechtfertigt. Vor fünf Jahren war das Projekt auf Betreiben der Grünen auf Eis gelegt worden. SPD und FDP sind nach wie vor für den Bau der Brücke.

Bundesverkehrswegeplan: Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Inhaltlich divergieren die Positionen der Koalitionspartner zu einzelnen Projekten des Bundesverkehrswegeplans, die Entscheidungsbefugnis des Bundes muss jedoch anerkannt werden. Das Land hat diese Projekte durch den Landesbetrieb Mobilität im Rahmen der Auftragsverwaltung umzusetzen.“ Zu den Projekten im Entwurf des Bundesverkehrswegplans zählen unter anderem die zweite Rheinbrücke bei Wörth, der Ausbau der A 61, der vierspurige Ausbau der B 10 zwischen Landau und Pirmasens und der sechsspurige Ausbau der A 643 bei Mainz.

 

 

Öffentlicher Personennahverkehr: Die Ampel-Koalition strebt an, künftig wieder Verkehrsbetriebe bei der Anschaffung von Bussen finanziell zu unterstützen. Sie will den Rheinland-Pfalz-Takt stärken und will sich weiter für die Verlängerung der S-Bahn Rhein-Neckar über Homburg hinaus bis nach Zweibrücken einsetzen.

Internet: Neben dem Ausbau der digitalen Infrastruktur auf dem Weg zu einer „Gigabitgesellschaft“ soll die Arbeit der Landesregierung in Richtung E-Government weiterentwickelt werden. Dreyer kündigte „ein Digitalisierungskabinett“ an, das unter ihrer Führung alle Aktivitäten aus unterschiedlichen Ressorts zusammenführen werde. In 1000 Kommunen sollen WLAN-Hotspots eingerichtet werden.

Sicherheit: Es soll mehr Nachwuchs für die Polizei eingestellt werden, 500 junge Leute jährlich in den kommenden fünf Jahren. In den zurückliegenden Jahren lag die Anzahl der Neueinstellungen nach Auskunft von Innenminister Roger Lewentz (SPD) bei durchschnittlich 416 pro Jahr. Die Bereitschaftspolizei soll in ein eigenes Polizeipräsidium mit Sitz in Mainz überführt werden. Es soll einen Aktionsplan gegen Rassismus geben.

Finanzen: Die von der Verfassung vorgeschriebene Schuldenbremse bindet auch die neue Koalition und reduziert deren politische Gestaltungsmöglichkeiten. 420 Millionen Euro muss die Ampel bis 2020 dauerhaft einsparen. Dazu beitragen soll der Abbau von 2000 Vollzeitstellen beim Land. Wo das sein wird, lässt der Koalitionsvertrag offen. Die Ministerpräsidentin hat gestern darauf verwiesen, dass für verschiedene Bereiche der Verwaltung bereits „Abbaupfade“ festgelegt seien. Konkreter wird es im Koalitionsvertrag an einer Stelle: In den Ministerien und Mittelbehörden – zu letzteren zählt in der Pfalz die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt – sollen 600 Stellen eingespart werden.

Energiewende: Der Ausbau der Windenenergie wird auf Betreiben der SPD gedrosselt. Die Planungshoheit soll zwar bei den Kommunen bleiben, aber es soll höhere Hürden für den Bau neuer Windräder geben (Bericht in der Freitagausgabe). So ist das Biosphärenreservat Pfälzerwald als Standort künftig ausgeschlossen, der Mindestabstand eines Windrads zur Wohnbebauung wird von 800 auf 1000 Meter vergrößert. Für Grünen-Vorstandssprecher Thomas Petry sind das gute Kompromisse, die seine Partei mittragen könne. Denn auf der anderen Seite stehe außer Zweifel, dass Atomausstieg und Energiewende unumkehrbar seien. Die umstrittene Energieagentur, ein Projekt der Grünen, bleibt erhalten.

Wirtschaft: Zur Technologieförderung baut das Land ein Innovationsportal auf und unterstützt die Digitalisierung in der Produktion. Für Unternehmensgründungen soll ein neues Förderkonzept entwickelt werden.

Landwirtschaft: Das Land will konventionelle und Öko-Landwirtschaft gleichstellen, sich für angemessene Erzeugerpreise auf dem Milchmarkt einsetzen und das Potenzial für die Vermarktung von Öko-Wein nutzen.

Gesundheit: Aufgelegt wird ein Zukunftsprogramm zur Sicherung der ärztlichen Versorgung im auf dem Land. Krankenhäuser sollen bis 2020 mindestens 15 Millionen Euro mehr für Investitionen erhalten. Pflegebedürftige sollen einen Anspruch auf einen persönlichen Pflege-Manager erhalten.

Wahlrecht: In den Kommunen sollen künftig nicht nur EU-Bürger, sondern auch Menschen aus anderen Staaten wählen dürfen. Das Landtagswahlrecht soll nach dem Willen der Ampel künftig auch EU-Bürgern zustehen. Dafür will sich die Landesregierung im Bundesrat stark machen, denn zuständig ist der Bundesgesetzgeber. Außerdem soll es einen neuerlichen Vorstoß geben, bei Kommunalwahlen das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Nach der Kommunalwahl 2019 soll sogar geprüft werden, ob auch eine entsprechende Herabsetzung des Wahlalters ab der Landtagswahl 2021 sinnvoll wäre.

Flüchtlingspolitik: Die Koalition will an einer humanitär geprägten Flüchtlingspolitik festhalten. Alle drei Parteien wollen ein weltoffenes und vielfältiges Rheinland-Pfalz, sagte Grünen-Vorstandssprecherin Katharina Binz. Auch künftig will das Land bei ausreisepflichtigen Ausländern vorrangig deren freiwillige Rückkehr fördern. Außerdem spricht sich die Koalition für eine Altfallregelung aus, bei der Flüchtlinge, über deren Asylantrag auch nach mehr als 18 Monaten nicht entschieden wurde, ein Bleiberecht erhalten sollen.