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11.09.2015
Die Rheinpfalz

Geber gegen Nehmer, Ost gegen West

Noch immer gibt es keine einvernehmliche Lösung für eine Reform des Länderfinanzausgleichs – Aber Fortschritte sind erkennbar
Von Roland Pichler, Berlin

Die Zeit für die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern läuft ab. Um einen Durchbruch wird gerungen – bisher ohne Erfolg.

Seit mehr als eineinhalb Jahren verhandeln Bund und Länder schon über die Neuordnung der Finanzbeziehungen. Da der bisherige Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt für den Osten 2019 auslaufen, ist die Sache eilig, um das Thema aus den Wahlen herauszuhalten. Die Ministerpräsidenten, die sich am Mittwoch auf eine Lösung verständigen wollten, vertagten sich jedoch nochmals.In der Sache gab es aber Fortschritte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor schon ausgemalt, was passiert, wenn sich Bund und Länder nicht einigen: In diesem Fall müssten die bisherigen Regeln fortgeschrieben werden. „Das wäre nicht gerade ein Ruhmesblatt für unseren Föderalismus“, sagte Schäuble im Bundestag.

Tatsächlich haben daran weder der Bund noch die Geber- und Nehmerländer ein Interesse. Die Wünsche aber sind unterschiedlich: Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die viel Geld in den Länderfinanzausgleich einzahlen, möchten entlastet werden. Die Nehmerländer, die in der Mehrzahl sind, wollen sich die Einnahmen nicht wegnehmen lassen. Die ostdeutschen Länder wiederum pochen darauf, dass für die abschmelzenden Leistungen aus dem Solidarpakt ab 2020 Ersatz gefunden wird. In dieser schwierigen Situation legt Schäuble eine schöne Summe ins Schaufenster: Der Bund ist bereit, den Solidaritätszuschlag, dessen Einnahmen dem Bund zustehen, über zehn Jahre hinweg abzuschmelzen. Da anfangs immer noch viel Geld zur Verfügung steht, will Schäuble einen Teil an die Länder abgeben. Schäubles letztes Angebot an die Länder liegt bei 8,5 Milliarden Euro jährlich.

Die Mittel würden die Länder gern einstreichen, doch sie streiten noch über den Weg dorthin. Dazu liegen zwei Vorschläge vor. Mehrere unionsgeführte Länder unter Bayerns Führung präsentierten ein Konzept, das der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) vorstellte. Es läuft darauf hinaus, den Länderfinanzausgleich abzuschaffen. Die CSU hat großes Interesse daran, ihren Wählern die Botschaft übermitteln zu können, den Finanzausgleich zu Fall gebracht zu haben. Doch auch ihr Plan sieht vor, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder ausgeglichen wird. Diese Kompensation soll über die Umsatzsteuer erfolgen. Die Union will mit dem Vorschlag die festgefahrenen Verhandlungen voranbringen. Doch die Idee stößt bei SPD-Länderchefs auf Ablehnung. Am Ende könnte sich eine alte Erfahrung bestätigen: Letztlich setzen sich diejenigen durch, die ihre Gedanken nicht – wie Söder – auf dem Marktplatz ausbreiten. Erfolgreicher sind oft leise Verhandlungsführer. Zu ihnen zählt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der ein durchgerechnetes Modell präsentierte. Scholz hat seine Vorschläge mit Schäuble abgestimmt, was auf Söder nicht zutrifft. Der Vorschlag Bayerns überschreitet Schäubles Limit gleich um 700 Millionen Euro.

Scholz will den Länderfinanzausgleich nicht abschaffen, aber straffen: Mit dem sogenannten Umsatzsteuer-Vorwegausgleich soll eine Vorstufe des Finanzausgleichs wegfallen. Davon profitieren Länder mit großer Bevölkerung wie Nordrhein-Westfalen. In Scholz’ Modell würde das bevölkerungsreichste Land vom Nehmer- zum Geberland. Auch Baden-Württemberg hätte rund 950 Millionen Euro jährlich mehr. Benachteiligt sehen sich aber ostdeutsche Länder. Für sie plant Scholz Zuweisungen des Bundes. Das lehnten die Ost-Länder ab. Noch im September soll ein Kompromiss gefunden werden. Alles deutet auf eine Gesamtlösung: Weil es für den Bund teuer wird, wenn Finanzfragen einzeln verhandelt werden, kommen alle Themen auf den Tisch: die Flüchtlingsfinanzen, die Bund-Länder-Reform, die Zukunft des Betreuungsgelds und der Streit um Nahverkehrsmittel.