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21.07.2015
Die Rheinpfalz
(Druckausgabe mit Fotos)

Wunderlich weist Weg auf Westrichbahn-Trasse

Wirtschaftswandern: Die Schienenstrecke von Kusel nach Freisen wurde spät gebaut und früh stillgelegt – Nur die Seitenlinie durchs Ostertal wird noch befahren
Von Eckhard Buddruss

Wandern auf den Spuren der regionalen Wirtschaft. Dazu laden wir mit unserer RHEINPFALZ-Serie „Wirtschaftswandern“ ein. Die heutige Tour führt von Kusel aus auf dem nach dem Opernsänger Fritz Wunderlich benannten Weg auf der Trasse der früheren Westrichbahn bis zur Talbrücke in Oberkirchen.

Unsere Wanderung beginnt am Bahnhof Kusel. Fast direkt hinter dem Prellbock, an dem der Zug aus Landstuhl hält, zeigt ein Wegweiser den Radweg nach Freisen (Entfernung 21 Kilometer) an, dem wir nun folgen. Heute gibt es wieder die Situation, wie sie schon einmal zwischen 1868 und 1936 bestand. Auch damals fuhren Züge nur bis Kusel. Die Bahnstrecke von Landstuhl nach Kusel war schon relativ früh gebaut worden. Am 15. Februar 1866 konstituierte sich die Aktiengesellschaft der Pfälzischen Nordbahnen. In ihrem Konzessionsantrag für den Bau der Strecke nach Kusel, der im Buch „Die pfälzischen Eisenbahnen“ von Heinz Sturm zitiert wird, hoben die Initiatoren hervor, dass „eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Aufgaben der Zeit darin bestehe, mit den Eisenbahnen auch in seitlich gelegene Gegenden vorzudringen, um auch deren Bewohnern einen beschleunigten und wohlfeilen Verkehr zu ermöglichen und auf diese Weise Landwirtschaft, Handel und Gewerbe zu fördern.“ Sturm vermutet, dass die Pfälzische Ludwigsbahn vielleicht schon damals an eine Fortsetzung der Linie über Türkismühle nach Trier gedacht habe, für die sich ein Eisenbahnkomitee in Trier engagierte. Diese wurde dann auch wirklich gebaut – allerdings erst mehr als 60 Jahre nach der 1868 eröffneten Strecke Landstuhl–Kusel.Der nach dem in Kusel geborenen Tenor Fritz Wunderlich benannte Rad- und Wanderweg verläuft meist auf der Trasse der Westrichbahn von Kusel nach Freisen. Knapp vier Kilometer hinter dem Bahnhof Kusel, beim Kilometerstein 28,9 haben wir einen schönen Blick auf die Burg Lichtenberg. Die 1214 erstmals erwähnte Burg gehörte vom 15. bis 18. Jahrhundert den Herzögen von Pfalz-Zweibrücken und kam auf Umwegen 1834 in preußischen Besitz. Erst seit der Gebietsreform von 1969 gehört die Burg zum pfälzischen Landkreis Kusel. Beim Kilometerstein 28,6 zweigt ein Weg zur Burg ab. Wir folgen aber weiter dem Fritz-Wunderlich-Weg, der kurz vor der Station Thallichtenberg durch einen Tunnel führt. Hier sieht man am deutlichsten, dass sich der Wanderweg auf einer früheren Bahntrasse befindet.

Die Bemühungen um den Bau der Westrichbahn kamen jahrzehntelang nicht voran – wohl auch deswegen, weil trotz der relativ kurzen Strecke drei Länder betroffen waren: neben Bayern und Preußen auch das zu Oldenburg gehörende Birkenfeld. Erst Anfang der 1930er-Jahre gelang der Durchbruch. 1927 wurde eine „Vereinigung zur Förderung des Bahnbaus Türkismühle–Kusel“ gegründet. Am 23. Mai 1930 erstattete die Gruppe Bericht an den Regierungspräsidenten in Trier und argumentierte vor allem mit der Notlage im Grenzbezirk. Große Teile des heutigen Saarlands (aber nicht die Gegend, durch die die Bahn führen sollte) waren von Deutschland abgetrennt. Am 31. März 1931 wurde der Bahnbau in ein spezielles „Grenzlandprogramm“ aufgenommen und damit finanziell möglich gemacht. Der Bau der eingleisigen Nebenbahn zwischen Kusel und Türkismühle an der Strecke von Saarbrücken nach Bad Münster begann Ende 1932 und hatte nicht zuletzt den Charakter einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Zeitweise waren 1200 Arbeiter mit dem Projekt beschäftigt. Am 15. November 1936 wurde die Strecke von Kusel nach Freisen eröffnet

Wir sind auf unserer Wanderung am ehemaligen Bahnhof Pfeffelbach angekommen, dem letzten Bahnhof auf Pfälzer Gebiet. Hier sind noch Reste einer Verladeanlage erkennbar, die wohl vor allem vom benachbarten Steinbruch genutzt wurde. Steine aus Pfeffelbach und Thallichtenberg wurden unter anderem beim Bau der großen Ostertalbrücke, dem Ziel unserer Wanderung, verwendet.

Kurz hinter der pfälzisch-saarländischen Grenze erreichen wir Schwarzerden und kommen vorbei an dem Betrieb, der lange die Existenz des Bahnhofs Schwarzerden gesichert hat. Die Industriewerke Saar (IWS) waren als größter ziviler Instandsetzer von Rad- und Kettenfahrzeugen für die Bundeswehr lange Zeit Ziel von Gütertransporten auf der Schiene. 2001 setzte die Deutsche Bahn (DB) mit ihrem berüchtigten Programm „Mora C“ der Bedienung des Bahnhofs Schwarzerden ein Ende.

Schwarzerden war 1938 durch den Bau der Ostertalbahn nach Ottweiler zu einem kleinen Eisenbahnknotenpunkt geworden. Für die Strecke von Kusel war die Ostertalbahn stets wichtiger als die kurz zuvor gebaute Westrichbahn. Für Arbeiter aus der Westpfalz, die in Gruben und Hütten des Saarlands arbeiteten, gab es zeitweise direkte Züge von Kusel nach Neunkirchen über diese Strecke. Nachdem wir die recht ausgedehnten Gleisanlagen des Bahnhofs Schwarzerden passiert haben, verläuft der Wanderweg wieder auf der Trasse der Westrichbahn. Von Schwarzerden bis Oberkirchen gibt es einen Eisenbahn-Erlebnisweg, der an sechs Stationen Wissenswertes über Bau und Betrieb der Strecke erläutert.

Die letzte dieser Stationen befindet sich an der Talbrücke Oberkirchen, dem Ziel unserer Wanderung. Das spektakulärste Bauwerk der Strecke ist 275 Meter lang und 30 Meter hoch. Unter anderem wurden dafür 16.000 Kubikmeter Naturstein aus Steinbrüchen in Pfeffelbach und Thallichtenberg verbaut.

Bautechnisch ist die Bahnstrecke zwischen Kusel und Freisen ein Meisterwerk, aber die an sie geknüpften Hoffnungen erfüllten sich nicht. Das Verkehrsauskommen war und blieb schwach. Schon im Mai 1955 wurde der Personenverkehr zwischen Freisen und Schwarzerden eingestellt. 1964 fuhr der letzte Personenzug zwischen Kusel und Schwarzerden. 1969 und 1970 wurde auf beiden Strecken der Gesamtbetrieb eingestellt, bald danach folgte der Abbau der Gleise.

Trotz der respektablen Länge kann man die Strecke von Oberkirchen nach Kusel auch gut zurücklaufen. Im sanften Gefälle wandert es sich sehr angenehm. Noch schöner ist allerdings, an die Wanderung eine Fahrt mit der Ostertalbahn anzuschließen. Diese Bahnstrecke hat bis heute überlebt, obwohl der reguläre Personenverkehr schon 1980 eingestellt wurde. Sie wird seit 2000 vom Landkreis St. Wendel betrieben und dient neben sporadischem Güterverkehr vor allem einem Museumsbahnbetrieb, um den sich ein engagierter Verein kümmert. Besonders liebevoll eingerichtet ist ein Gesellschaftswagen, der dem früheren Sonderzug „Deutsche Weinstraße“ nachempfunden ist.

Nils erklärt: Späte Pfälzer Bahnen

Die erste Bahnstrecke in der Pfalz wurde am 11. Juni 1847 eröffnet und führte von Ludwigshafen, das damals noch Rheinschanze hieß, nach Neustadt mit einer Abzweigung von Schifferstadt nach Speyer. Auf diesen Strecken fahren auch heute noch Züge, unter anderem S-Bahnen. Dagegen sind die beiden letzten Strecken, die in der Pfalz gebaut worden sind, heute größtenteils stillgelegt und teilweise ganz verschwunden, weil es auf ihnen nie viel Verkehr gab. Die Strecke von Eisenberg nach Enkenbach wurde 1932 eröffnet und liegt komplett in der Pfalz. Nur teilweise in der Pfalz befindet sich die Strecke von Kusel nach Freisen, die Ende 1936 in Betrieb ging.

Auf der früheren Bahnstrecke von Kusel nach Freisen verläuft heute ein Rad- und Wanderweg, der nach dem berühmten Sänger Fritz Wunderlich benannt ist. Er war in den 1960er-Jahren ein großer Star und verunglückte leider 1966 tödlich.

Auf der Bahnstrecke von Eisenberg nach Enkenbach fahren dagegen immer noch Züge, allerdings nur auf einem Teilstück. Täglich bis Ramsen, sonntags noch einige Kilometer weiter bis zum Eiswoog. Unterhalb der stillgelegten großen Eiswoogbrücke wurde 1996 sogar noch eine neue Bahnstrecke gebaut, aber diese niedliche kleine „Stumpfwaldbahn“, auf der frühere Feldbahnfahrzeuge unterwegs sind, läuft sozusagen außer Konkurrenz. Sie ist aber gerade bei Kindern besonders beliebt.

Noch später gebaut wurde die Schifferstadter Umgehungsbahn. Sie wurde 2003 fertig. An ihr liegt aber kein Bahnhof, sondern sie dient dazu, dass schnelle Fernzüge wie der ICE und die meisten Güterzüge nicht durch den Bahnhof Schifferstadt fahren müssen, bei dem es eine enge Kurve gibt. (ebu)

Wander-Infos: Tourenprofil

Strecke: Vom Bahnhof Kusel auf dem Fritz-Wunderlich-Rad- und Wanderweg über Thallichtenberg, Pfeffelbach und Schwarzerden zur Talbrücke Oberkirchen.Länge: Einfache Strecke rund 14 Kilometer.Markierung: Radweg Kusel–Freisen, teilweise ausgeschildert als Fritz-Wunderlich-Weg.Einkehrmöglichkeiten: In unmittelbarer Nähe des Radwegs liegt in Schwarzerden das „Gasthaus Jung“, von dem man allerdings keinen Luxus erwarten darf. Wer Wert auf gehobene Gastronomie legt, ist am besten mit einem – allerdings im Sommer oft schweißtreibenden – Abstecher zur Burg Lichtenberg bedient. Sehr empfehlenswert ist eine Einkehr im Gesellschaftswagen der Ostertalbahn-Züge.Anreise mit der Bahn: Der Bahnhof Kusel wird im Rheinland-Pfalz-Takt stündlich von Zügen der Linie Landstuhl–Kusel bedient. In Landstuhl besteht Abschluss von der S-Bahn und vom Regional-Express (RE) aus Richtung Ludwigshafen. Manche Züge nach Kusel fahren auch durchgehend von Kaiserslautern.Abreise mit der Bahn: Für eine stilechte Rückfahrt von der Wanderung empfehlen sich die Züge der Ostertalbahn von Schwarzerden nach Ottweiler, die allerdings meist nur in der Saison zwischen Ostern und Oktober sonntags etwa an jedem zweiten Wochenende fahren. Weil es wegen Sonderzügen manchmal Abweichungen vom regulären Turnus gibt, sollte man sich rechtzeitig informieren, ob ein Zug fährt. Informationen gibt es im Internet unter www.ostertalbahn.de. Von Ottweiler erreicht man mit der Bahn mit einem Umsteigen in Neunkirchen Homburg und hat dort Anschluss an S-Bahn und RE nach Ludwigshafen. (ebu)

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