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13.07.2015
Frankfurter Rundschau

Bahn Bahnindustrie fordert mehr Geld für die Schiene

Von Matthias Loke

Züge made in China: Werkhalle des Herstellers CNR, der mit dem Konkurrenten CSR fusioniert. Foto: REUTERS

Die deutsche Bahnindustrie bekommt neue Konkurrenz aus China. Doch Ben Möbius vom Verband der Bahnindustrie bleibt im Interview mit der Frankfurter Rundschau gelassen.

Herr Möbius, in China ist kürzlich der weltgrößte Hersteller von Eisenbahntechnik gebildet worden. Was bedeutet das für die deutsche und europäische Bahntechnikindustrie?
Wir sehen dem Wettbewerb selbstbewusst entgegen. Die deutsche Bahnindustrie ist Technologieführer auf dem globalen Markt. Wir rechnen uns daher weiter gute Chancen aus, auch wenn in China ein Riesenkonzern entstanden ist. Wir erwarten aber, dass es einen fairen Wettbewerb gibt. Die Standards müssen für alle Wettbewerber gleich sein. Darauf muss die Politik sehr genau achten, in Deutschland wie in Europa.

Was heißt gleiche Standards?
Unsere Firmen nehmen Compliance sehr ernst. Wir beachten die Regeln guter Unternehmensführung und gewährleisten Transparenz, und zwar auch in den Bilanzen und Finanzierungsstrukturen. Das erwarten wir von allen Unternehmen, die auf dem europäischen Markt unterwegs sind.

Sie zweifeln, dass der neue Weltmarktführer diese Tugenden hat?
Wir erwarten, dass diese Regeln überall ernst genommen werden. Da darf keine Unwucht entstehen. Chinesische Firmen haben zudem oft überaus günstige Finanzierungszusagen in der Hinterhand. Hier darf der Wettbewerb nicht darüber entschieden werden, wer – mit staatlicher Unterstützung – die besten Finanzierungspakete verteilen kann.

Das chinesische Unternehmen hat aus dem Stand heraus genug Kapazitäten, um die Hälfte des Weltmarktes allein bestücken zu können. Haben Sie keine Sorge, dass die hiesigen Anbieter überrollt werden?
Ich bin davon überzeugt, dass unsere Mitgliedsunternehmen die Innovationskraft haben, um weiter vorneweg zu gehen. Die Bahnindustrie in Deutschland verkauft 50 Prozent ihrer Produkte im Export, darunter auch viel in China. Das zeigt, wie gut unsere Entwicklungen sind. Wir haben eher die Sorge, dass sich hierzulande die Rahmenbedingungen nicht verbessern. Wir brauchen in Deutschland eine gezielte Forschungsförderung für die Bahnindustrie. Einen kräftigen Impuls für das Projekt „Schiene 4.0“, die Digitalisierung des Schienenverkehrs. Das macht China längst, und zwar mit enormen Mitteln, weil die Bahnindustrie für China eine strategisch wichtige Branche ist.

Die Deutsche Bahn scheint außerordentlich interessiert zu sein, in China Material und Züge einzukaufen: Wie sehr sind Ihre Unternehmen als Hoflieferanten der Bahn beunruhigt?
Der Begriff Hoflieferant führt in die Irre. Denn der Bahnmarkt in Deutschland und in Europa ist von starkem Wettbewerb geprägt, bei den Systemhäusern wie bei den Zulieferern. Wir haben im Produktwettbewerb keine Sorgen. Wir haben nur Sorgen, wenn es Wettbewerbsverzerrungen gibt.

Oder ist die Ankündigung der Bahn ein kleiner Wink, um hier die Preise zu drücken?
Wir waren als Verband und Unternehmen jüngst gemeinsam mit der Deutschen Bahn in China unterwegs, zwischen uns gibt es ein partnerschaftliches Verhältnis. Die Bahn kauft beileibe nicht nur Produkte von in Deutschland ansässigen Herstellern. Beispielsweise wurden auch Regionaltriebzüge in Polen und Tschechien bestellt.

Was aber eher bisher die Ausnahme ist.
Ja, aber der Blick nach China ist nicht der erste Versuch der Bahn, sich die Produkte anderer Anbieter anzusehen. Natürlich ist es für unsere Unternehmen eine Herausforderung, wenn mehr Anbieter auf den Markt treten.

Apropos Wettbewerb: Im Inland drängen Sie die Politik aber sehr, mehr Geld in den Schienenpersonennahverkehr zu stecken.
Ja, weil es die Politik nicht schafft, da klare Beschlüsse zu fassen. Bis Ende 2014 hätte der Gesetzgeber mit einem neuen Regionalisierungsgesetz die künftige finanzielle Basis für den Schienenpersonennahverkehr fassen müssen. Passiert ist nichts.

Damit wissen die Länder nicht, wie viel Geld ihnen für den Regionalverkehr zur Verfügung steht.
Die Länder nicht, die Verkehrsunternehmen nicht und die Hersteller auch nicht. Dabei ist der Schienenverkehr besonders klimaschonend und sicher. Klimaschutzpolitik zeigt sich in der Praxis – hier leider nicht. Für uns geht es um etwa 1,5 Milliarden – und besser mehr – Euro jährlich, die in die Technik, in Komfort, in neue Züge gesteckt werden müssen. Die Länder brauchten insgesamt mindestens acht Milliarden Euro jährlich, um den Schienenverkehr attraktiv zu halten, bislang gibt es 7,4 Milliarden. Solange der Gesetzgeber nicht entscheidet, weil das Geld als Manövriermasse in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hin und hergeschoben wird, solange haben wir keine Planungssicherheit. Die ist in unserem Geschäft mit den langen Produktionszyklen aber besonders wichtig. Deshalb sollte der Finanzrahmen am besten bis 2030 festgelegt werden.

Bis 2030? Das ist eine lange Perspektive.
Wir können sicher sein, dass wir auch im Jahr 2030 noch Personennahverkehr auf der Schiene haben werden. Verträge mit den Betreibern haben durchschnittliche Laufzeiten zwischen zehn und 15 Jahren. Ebenso werden Verträge zwischen den Verkehrsunternehmen und den Zugherstellern auf Jahre im Voraus abgeschlossen. Und wir müssen darauf achten, dass die Regionalisierungsmittel auch wirklich ihrem Zweck zugutekommen.

Wo fließt Geld ab?
Nötig ist mehr Transparenz. Und es muss verhindert werden, dass zukünftig die Trassenpreise schneller steigen als die Regionalisierungsmittel. Was bisher der Fall ist. Denn so fehlt Geld für Verkehr auf der Schiene und für Ausrüstung.

Die Trassenpreise sind Sache der Bahn AG und der Bundesnetzagentur, die sie genehmigt.
Ja. Wichtig ist ein gesetzlicher Rahmen, in dem die Steigerungsraten der Trassenpreise und die Regionalisierungsmittel verzahnt werden. Und wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene.

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