19.09.2014
Die Rheinpfalz

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Der Mann für die gute Verbindung

Werner Schreiner ist der neue rheinland-pfälzische Beauftragte für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Von Dagmar Gilcher

Von den vielen Ämtern, die der Neustadter Werner Schreiner in seinem Leben bereits innehatte, trägt das jüngste die wohl sperrigste Bezeichnung: Beauftragter der Ministerpräsidentin für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. „Chargé de mission de la Ministre-Présidente pour la coopération transfrontalière“ steht auf der anderen Seite seiner neuen Visitenkarte mit dem rheinland-pfälzischen Wappen. Selbst im sonst so eleganten Französisch klingt auch dies eher spröde. Wie Titel doch täuschen können! Für dieses von der Staatskanzlei in Mainz geschaffene Ehrenamt sind Einfallsreichtum und eine gewisse Wendigkeit gefragt, diplomatisches Geschick sowieso und Französischkenntnisse selbstverständlich auch. Und dann noch jede Menge von dem, was man heute als „interkulturelle Kompetenz“ bezeichnet. Was so viel bedeutet, nicht davon auszugehen, dass die Gesprächspartner genauso ticken wie man selbst. Im vorliegenden Fall etwa, dass Lothringer andere Probleme mit an den Verhandlungstisch bringen als Elsässer, dass Lothringer auch untereinander gewisse Empfindlichkeiten entwickeln, dass augenblicklich beide recht nervös sind wegen der von Paris geplanten Gebietsreform, die sie mit der Region Champagne-Ardenne zusammen sieht. Gar viele der regionalen Belange kümmern in Berlin und Paris, wo die großen deutsch-französischen Projekte auf dem Tisch liegen, recht wenige. Manches bleibt sogar für Mainzer oder Metzer recht abstrakt.

Konkret wird es dann, wenn die Schulklassen aus dem elsässischen Wissembourg nicht im pfälzischen Schwimmbad ins Wasser dürfen – wegen französischer Badekappenpflicht und deutschsprachigen Bademeistern. Oder wenn das Ehepaar aus Saarbrücken nach einem guten Essen in Forbach nicht mit dem Taxi nach Hause fahren kann: weder mit einem deutschen, denn das darf nicht nach Frankreich kommen, noch mit einem französischen, denn das hat ebenfalls keine Konzession fürs andere Land. Was auch für die Taxikollegen in Wissembourg, Kandel und Bad Bergzabern gilt. In solchen Fällen heißt es: Ihr Auftritt, Herr Beauftragter!

Die Sache mit den Badekappen und den Bademeistern hat Werner Schreiners Vorgänger, der Südpfälzer Clemens Nagel, der das Amt zwölf Jahre ausübte, längst geregelt: Der französische Staat erlaubt jetzt den kleinen Elsässern das Baden ohne Badekappen in der Pfalz. Die Sache mit den Taxis steht noch an. Sie muss auf Staatsebene behandelt werden, aber das kann einen gewitzten Pragmatiker wie Werner Schreiner nicht schrecken. Schließlich geht es im pfälzisch-elsässischen Fall um mehr als um eine bequeme Heimfahrt nach dem Schlemmen. Es geht um grenzüberschreitenden Personenverkehr, sein Lebensthema, und darum, dass etwa Reisende aus Straßburg bei Zugverspätungen den letzten Anschluss in die Pfalz verpassen und dann am elsässischen Grenzbahnhof stranden. Schreiner, viele Jahre Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar, hat als Direktor des Zweckverbandes Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Süd entscheidend mitgewirkt, die Bahnverbindung von der Pfalz ins Elsass wieder zum Leben zu erwecken. Aber er ist auch Historiker, und als solcher hat er sich an einen Staatsvertrag erinnert, den die bayerische Staatsregierung 1855 mit dem französischen Kaiserreich abgeschlossen und der den Grenzübergang Weißenburg als „Gare commune“, als gemeinsamen Bahnhof ausgewiesen hatte. Ein Vertrag, der nie gekündigt wurde und der damals schon den Nachbarschaftsverkehr sicherte. Nicht auszuschließen, dass er auch den heutigen Präfekten überzeugt. Und wenn dann die einen Weißenburg anfahren dürfen, müsste sich auch für die andern in Richtung Kandel und Bad Bergzabern etwas bewegen – und am Ende sogar das Forbach-Problem lösen?

Schreiners vielfältiges Aufgabengebiet reicht geografisch vom Schweizer Jura bis nach Luxemburg und ins belgische Wallonien – überall dort, wo das Land Rheinland-Pfalz mit seinen europäischen Nachbarn kooperiert. Und es betrifft eben nicht nur den grenzüberschreitenden Personenverkehr. Mindestens genauso sehr am Herzen liegt dem ehemaligen Studiendirektor Schreiner der Bereich Bildung und Ausbildung. Das Elsass und mehr noch Lothringen klagen über eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, die deutsche Seite sucht Auszubildende. Das könnte eine Chance sein für die jungen Franzosen, hätten sie denn genügend deutsche Sprachkenntnisse. Die haben sie auch deshalb nicht, weil es sowohl im Elsass als auch in Lothringen an Deutschlehrern fehlt. Eine Möglichkeit für junge deutsche Lehramtsanwärter, die noch keine Stelle haben? Herr Beauftragter, übernehmen Sie! In Mainz arbeitet Schreiner zusammen mit den Fachleuten in den verschiedenen Ministerien, in der Großregion – wo Rheinland-Pfalz in diesem Jahr den Vorsitz führt – und am Oberrhein trifft er auf die Experten der anderen Länder. Wie gut, dass er den einen oder anderen von seiner vorhergehenden Tätigkeit noch kennt. Und es wundert im Grunde nicht, dass ihn der Ausschuss Grenzüberschreitender Personenverkehr der Oberrheinkonferenz auch nach dem Ende seiner Geschäftsführerzeit beim Verkehrsverbund Rhein-Neckar in seinen Reihen haben wollte. Mit Reden und Pragmatismus allein ist es allerdings nicht getan. Komplexe Dossiers wie die der neuen europäischen Interreg-Programme für 2014 bis 2020 wollen verhandelt und in Brüssel durchgesetzt werden. Dass nun am Oberrhein europäische Gelder dafür eingesetzt werden können, Schienenfahrzeuge für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr mit der dafür erforderlichen Sicherheitstechnik auszustatten, ist als erster Erfolg zu vermelden. Dass mit der Strecke Straßburg-Saarbrücken auch die Großregion ins Visier gerät, lässt hoffen, dass auch dort Bewegung in die Sache kommt. Schauen, was machbar ist, nennt Schreiner das. Und „Globales hilft nichts, wenn man unten zu Fuß gehen muss. Eines bedingt das andere.“ Ob Brüssel, Berlin, Paris oder in Winden und Wissembourg. Ob es sich um Verkehr, Umwelt und Naturschutz oder Bildung handelt. Der Pragmatiker Schreiner wird in den kommenden Jahren viel zu verhandeln haben – wenn er nicht gerade bei einem der vielen grenzüberschreitenden Termine die Ministerpräsidentin vertritt. Auch Repräsentieren gehört zum neuen Amt.