Deutsche und Franzosen feiern gemeinsam Wilhelm II. in Bitsch
Von Klaus Kadel-Magin Bitsch. Es war schönstes Kaiserwetter am Sonntagmorgen, als Eisenbahnfreunde und die Paneuropäische Arbeitsgemeinschaft den deutschen Kaiser Wilhelm II. nochmal ins lothringische Bitsch brachten. Eine Idee der Franzosen, die von ihren deutschen Freunden begeistert aufgenommen wurde, vor Ort jedoch auf gemischte Gefühle stieß.
Auf den Tag genau lag das Ereignis 120 Jahre zurück. Das deutsche Kaiserreich hatte in ganz Elsass-Lothringen eine Charmeoffensive gestartet, um das annektierte Land von den Segnungen der wilhelminischen Architektur profitieren zu lassen. Die Post in Straßburg oder der Bahnhof in Metz sind die besten Beispiele dafür. Bitsch bekam auch einen neuen Bahnhofsbau, und zu dessen Einweihung reiste Kaiser Wilhelm II. von der frisch restaurierten Hochkönigburg im Elsass nach Lothringen.
Ziel: Reaktivierung der Bahn Den Anlass wollte die lothringische Initiative Train Touristique Sarreguemines Bitche, abgekürzt T2SB, nutzen, um auf die stillgelegte Bahnlinie zwischen Bitsch und Saargemünd sowie in der anderen Richtung nach Niederbronn-les-Bains hinzuweisen. T2SB hatte vor Jahren die Verantwortung für den Bahnhof übernommen, zusammen mit deutschen Gleichgesinnten saubergemacht und allein ein drei Kilometer langes Gleisstück nach Moutherhouse so weit instand gesetzt, dass wieder Draisinen auf den Gleisen rollen können. Die werden seitdem im Sommer für Touristen angeboten.
Eigentliches Ziel ist aber die Reaktivierung der Bahnlinie für Züge, was der T2SB-Vorsitzende Sonny Sadler am Sonntag betonte und von allen anwesenden Politikern aus dem Stadtrat, Departementrat und dem Parlament der Großregion unterstützt wird, wie die Damen und Herren am Sonntag einmütig versicherten.
Einen Massenauflauf wie 1903 verursachte der gespielte Kaiser Wilhelm II. am Sonntag nicht. Rund 100 Lothringer und Deutsche waren gekommen, um sich das Schauspiel anzusehen, das von T2SB und der Paneuropäischen Arbeitsgemeinschaft grenzübergreifender Eisenbahnfreunde aus Zweibrücken veranstaltet wurde. Als Darsteller für Kaiser und Offiziere war eine Truppe aus Völklingen engagiert worden. Der Zweibrücker Werner Euskirchen fungierte als Kutscher des Kaisers und hatte eine historische Kutsche aus dem Landgestüt mitgebracht.
„Auch unsere Geschichte“So trat dann gegen 11 Uhr der vermeintliche Kaiser aus der Bahnhofstür. Der Applaus war erst nach Aufforderung zu hören. Die anwesenden Lothringer fremdelten sichtbar mit der Vorstellung der Wiederkehr des Okkupanten. „Das ist auch unsere Geschichte“, meinte der Götzenbrucker Alphonse Walter zu der Inszenierung. Ein Satz, der öfter an dem Tag von den Franzosen zu hören war. Laut Walter war es 1903 wohl sogar so, dass die Lothringer sich eher dem Deutschen Reich zugehörig fühlten als Frankreich. 33 Jahre lang war die Grenzregion schon in das Reich integriert. Die Jugend kannte nichts anderes. Entsprechend sollen die Lothringer 1918 bei der Rückkehr zu Frankreich mit den Franzosen gefremdelt haben.
Nun ist es wieder umgekehrt, und die Lothringer fremdelten ein bisschen mit dem gespielten Kaiser. Bitschs Bürgermeister Benoît Kieffer wollte nicht nur an die Ankunft des deutschen Kaisers im Jahr 1903 erinnert haben, sondern betonte, dass auch der französische Staatspräsident Raymond Pointcaré 1919 am Bitscher Bahnhof ankam.
Nach einer gewissen Zeit ließ sich das Publikum auf die Inszenierung ein, wozu sicher auch der gut gespielte Kaiser beigetragen haben dürfte. Immerhin wiederholten die Anwesenden freudig das von Wilhelm II. ausgerufene „Hipp Hipp Hurra“ und zum Abschied der kaiserlichen Kutsche war dann auch ein deutlich größerer Applaus zu hören, als bei der Ankunft.
Dazu am 23.05.2023 ein Leserbrief: Kaiser-Besuch in Bitsch „Kaiser Wilhelm ist kein Vorbild für Demokraten“ Zum Artikel „Der Kaiser kommt zurück“ vom 16. Mai über eine Veranstaltung zur Reaktivierung der Bahnlinie von Saargemünd nach Bitsch, bei der an den Besuch des Kaisers in Bitsch vor 120 Jahren erinnert wurde. Als Eigentümer des ehemaligen „Kaiserlichen Forstamts Bitsch“, heute „Maison forestiere Fissabre“ in der Rue de Sarreguemines hatte ich eigentlich vor, am nachgespielten „Kaiserbesuch“ teilzunehmen. Doch aus Respekt vor der unrühmlichen Geschichte, die einst unsere Völker zu Erbfeinden machte, ließ ich es bleiben. Kaiser Wilhelm ist kein Vorbild für Demokraten, und wichtiger als dieses theatralische Brimborium ist die gelebte Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen. Meine FreundInnen aus dem Bitscherland teilen mit mir diese Einstellung. Wir wissen, was wir aneinander haben. Als Gründungsmitglied der T2SB stehe ich selbstverständlich voll hinter den Plänen zur Reaktivierung der Bahnstrecke von Saargemünd nach Niederbronn. Hans-Joseph Britz, Bexbach