11.02.2023 - Die Rheinpfalz -

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“

Leser antworten: In der vergangenen Woche wollten wir von unseren Lesern wissen, ob künftig mehr Geld in den Schienen- oder Autobahnausbau investiert werden sollte.
Die Antworten fallen unterschiedlich aus: Viele sind dafür, die Bahn besser auszustatten, bezweifeln aber, dass auf Lastwagen und Fernstraßen verzichtet werden kann.

Aus einer Eisenbahnerfamilie stammend, verfolge ich schon seit Anfang der 1970er-Jahre die Verkehrspolitik der jeweiligen Regierungen. (...) Und mindestens genauso lange versprechen die Politiker, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Tatsächlich wurden aber jahrzehntelang Strecken stillgelegt, und die Bahn zog sich aus der Fläche zurück. (...) So vernünftig und mit Blick auf die selbst vorgegebenen Klimaziele es notwendig ist, mehr in die Schiene zu investieren, um vor allem den Güterverkehr zu stärken, so wenig glaube ich daran, dass unsere von der Autolobby beherrschten Verkehrspolitiker die entsprechenden Schritte tatsächlich einleiten werden. Auch bei dieser Regierung wird es wieder bei den vollmundigen Versprechungen während des Wahlkampfs bleiben, an die sich während der Legislaturperiode keiner erinnern will.
Hubert Fingerle, Klingenmünster

Ein Verkehrsminister sollte eigentlich das kleine Einmaleins der Verkehrsentwicklung kennen. Dazu gehört die Erkenntnis: Wer Straßen sät, erntet Verkehr. Verbesserungen der Straßeninfrastruktur machen den Straßenverkehr attraktiver, bis wieder Tempo Null, also Stau, erreicht ist. Wer das Ungleichgewicht und die bekannten Nachteile des Straßenverkehrs reduzieren will, muss in den Schienenverkehr investieren. Das muss nicht immer Neubau sein wie auf der Rheintalstrecke, sondern kann auch eine Verbesserung vorhandener Strecken ohne zusätzlichen Flächenbedarf sein. Beispiel: Die Strecke von Neustadt nach Karlsruhe komplett zweigleisig, elektrifiziert, moderne Leit- und Sicherungstechnik, eventuell weitere Haltepunkte. Straßenneu- und -ausbau nur in Einzelfällen nach sorgfältiger Prüfung.
Gerhard Stengel, St. Ingbert

Beides ist wichtig. Leider wurde in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, in die Schiene zu investieren.
Es muss nicht sein, dass ein Lkw (...) bis zu 1000 Kilometer kreuz und quer in Deutschland zurücklegen muss. Lastwagen müssten für große Entfernungen auf die Schiene. Lastwagen sind unsere Lebensader! Ohne sie geht es nicht. Sinnvoll wäre es, wenn sie nur eine Strecke von 300 bis 400 Kilometer zurück legen müssten. Vorteil: weniger Verkehr, Einhaltung von Lenkzeiten und weniger Stress für die Helden der Straße.
Alfred Kobel, Bad Bergzabern

Wenn wir unsere Klimaziele erreichen und damit unseren Planeten retten wollen, dann ist der Ausbau der Schienenwege momentan die zu priorisierende Möglichkeit. Allerdings reicht das bei weitem nicht aus. Busse und Bahnen müssen besser vernetzt werden, damit ein reibungsloses Vorankommen möglich wird. Gleichzeitig sollte in den Ausbau von Radwegen investiert werden, denn auch hier gibt es enormen Bedarf. Eine einzige Lösung wird das Problem nicht aus der Welt schaffen. Der größte Unsicherheitsfaktor ist für mich allerdings der Mensch selbst. Nur mit der Bereitschaft, nachhaltig etwas verändern zu wollen, kann diese Mammutaufgabe gelöst werden. Ihre Komfortzone zu verlassen, scheint leider für viele ein großes Problem zu sein.
Angelika Walter, Bobenheim-Roxheim

Die Argumentation des Bundesverkehrsministers, dass zehnmal so viele Güter auf der Straße wie mit der Bahn transportiert werden, hinkt. Wenn Bundesregierungen in der Vergangenheit mehr Geld in den Straßenbau denn in den Schienenausbau (...) investierten, dann muss es ja zu dieser Schieflage gekommen sein. Dennoch neigt mein grünes (nicht zwangsläufig politisch gemeint) Herz dazu, nicht mit allen finanziellen Mitteln den Ausbau der Bahn zu forcieren. Verbesserungen ja, aber mit Augenmaß! Es wird nie so sein, dass der Fracht- oder der Personenverkehr mit der Bahn sämtliche Ziele erreichen wird und kann. Betriebe (...) befinden sich schließlich nicht nur in Ballungszentren, die jetzt schon recht gut durch die Bahn zu erreichen sind, sondern auch in Dörfern und Kleinstädten, die keinen Bahnhof ihr Eigen nennen. Lastwagen werden also weiterhin (...) durch nichts ersetzt werden können. Aber reicht dafür unser bestehendes Straßennetz nicht bereits aus? Bitte keine neuen Straßen bauen, wie dies Herr Wissing möchte, sondern „nur“ die vielen maroden wieder instandsetzen. (...)
Bernhard Fabian, Enkenbach-Alsenborn

Auf Ihre Frage kann es für mich nur eine Antwort geben: Es muss eindeutig die Schiene Vorrang haben. (...) Zur Mobilitätswende gehört auch, dass Alternativen gestärkt werden. Dies wird auch mit dem 49-Euro-Ticket angegangen, dafür muss aber auch Platz in den Zügen für die Fahrgäste sein. Dies bedeutet, dass das Tempo beim Ausbau der Schieneninfrastruktur deutlich erhöht werden muss und endlich deutlich mehr Geld in die Hand genommen wird. Bei der Bundesregierung kommt das Thema Klimaschutz im Verkehr nicht voran. Herr Wissing und die FDP ergreifen keine Maßnahmen im Verkehrssektor, die Grünen machen als einzige Regierungspartei Vorschläge, und der Bundeskanzler mit der gesamten SPD steht als Zuschauer am Spielfeldrand. So kann das doch nicht weitergehen. (...) Der Verkehrssektor hat schon seit vielen Jahren beim Klimaschutz die innerhalb der Regierung vereinbarten Ziele verfehlt. Wie soll man diese Bundesregierung bei dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 noch ernst nehmen? (...)
Franz Metzner, Höheinöd

Im Land mit einem der dichtesten Fernstraßennetze der Welt braucht es keine neuen und zusätzlichen Straßen. (...) Statt neuer Straßen braucht es die Sanierung und den Erhalt der maroden vorhandenen Infrastruktur und den Ausbau des Schienennetzes, was mit weniger Geld und Zeit möglich wäre. Nur so erreicht man die notwendige Verkehrswende und das Einhalten der Klimaziele. Im Verkehrssektor muss der CO2-Ausstoß bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen reduziert werden. 2022 waren es 150 Millionen Tonnen, elf Millionen Tonnen mehr als im Klimaschutzgesetz erlaubt. Es braucht dazu die Dekarbonisierung des Verkehrs, vor allem durch Verlagerung des Lkw-Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Es braucht dazu keinen Verkehrsminister von vorgestern, der mit Ideen aus dem letzten Jahrhundert die (...) Klimakrise immer weiter anheizt.
Werner Schreiner, Wernersberg

(...) Angesichts des dramatischen Klimawandels muss im Individualverkehr dringend und sofort umgesteuert und wesentlich mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden. Unter Merkel wurde die viel beschworene Verkehrswende, sprich: mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, noch nicht einmal ansatzweise geschafft, den Wirtschaftsinteressen zuliebe – und der jetzige Bundesverkehrsminister trägt lieber seiner Klientel, den SUV-Fahrern, unter dem Vorwand der „individuellen Freiheit“ Rechnung als einem nachhaltigen Klimaschutz. Das Schienennetz sowie ein funktionierender ÖPNV müssen umgehend saniert und attraktiv gestaltet werden. Leider sieht es derzeit (...) nicht danach aus und wir rasen unserer vermeintlichen „Freiheit“ zuliebe sehenden Auges mit 160 Kilometer pro Stunde in den endgültigen Klimakollaps. (...)
Peter Bauer, Steinborn


FRAGE an die Leser: Straße oder Schiene: Was hat Vorrang? (04.02.2023)
Die Bundesregierung streitet, ob Geld aus dem Verkehrsetat nur für die Schiene ausgegeben werden soll. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) argumentiert, dass zehnmal so viele Güter auf der Straße transportiert werden wie mit der Bahn und deshalb weiter Mittel in den Aus- und Neubau von Straßen gesteckt werden müssten. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hält dagegen, dass die Klimaziele nur dann erreicht werden, wenn Verkehr auf die Schiene kommt, weshalb vorrangig in die Bahn investiert werden müsse. Was meinen Sie? Soll künftig Geld vor allem in den Ausbau der Schienenwege gesteckt werden oder ist der Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen unverzichtbar? gau


Am 23.05.2023 im Tagesanzeiger Zürich ein etwas ausführlicherer Artikel zu Thema:
Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten

Verweise im Artikel:
Avenir-suisse: Verpasste Chance
Avenir-suisse: Mobility pricing
Sechsspurigew Autobahn
Gegen die verkehrspolitische Sackgasse