07.10.2022 - Die Rheinpfalz - Zum Artikel

Batterie-Eisenbahn der Zukunft zeigt sich kurz in Zweibrücken

Auf Bahnstrecken in der Region, die derzeit nur mit Dieselloks befahren werden können, soll ab Ende 2025 elektrischer Bahnverkehr möglich sein. Auch dort, wo über den Schienen keine Oberleitungen liegen. Am Freitag unternahm der Prototyp eines batterieelektrischen Zuges eine Testfahrt von Saarbrücken nach Zweibrücken. Solche Batteriezüge sollen künftig als RB68 zwischen Pirmasens und Saarbrücken verkehren. Über Zweibrücken.

„Neben der RB68 wird dieses System im Saarland auch auf der Dillinger Niedtalstrecke RB77 den Dieselverkehr ersetzen“, sagte Silja Kollner, Sprecherin der Eisenbahnen-Herstellerfirma Stadler. Das Berliner Unternehmen wird die neuartigen Batteriezüge ausliefern, die die Deutsche Bahn (DB) ab dem Fahrplanwechsel Ende 2025 in der Pfalz und im Saarland auf die Schienen setzen will. Im sogenannten Pfalznetz sollen dann 44 Stück dieses Zugmodells namens Flirt Akku übers Gleis rollen. Allererste Exemplare des Typs gehen bereits im Mai 2023 in Schleswig-Holstein in den regulären Linienbetrieb.

Von Pantographen und Batterien

Zu Vorführzwecken schickte die Produktionsfirma Stadler am 7. Oktober das Testmodell eines Flirt-Akku-Zuges auf die Reise von Saarbrücken nach Zweibrücken – also auf einen Teilabschnitt der RB68-Route, die über St. Ingbert, Bierbach und Einöd bis nach Pirmasens verläuft. Florian Wiesemann, stellvertretender Regionalleiter der DB Regio, erklärte unterwegs den mitreisenden Eisenbahnern und Journalisten das Prinzip. „Zwischen Saarbrücken und Rohrbach ist die Schienenstrecke elektrifiziert. Dort fährt der Zug ganz unspektakulär wie jedes andere Elektrofahrzeug auch. Seinen Strom bezieht er dort aus der vorhandenen Oberleitung. Am Abzweig bei Rohrbach, von wo aus die Gleise in Richtung Pirmasens nicht von Fahrdraht überspannt sind, lässt den Lokführer während der Fahrt den Pantographen absinken.“ Mit diesem Fachbegriff bezeichnet Wiesemann das bewegliche Metall-Kontaktgestänge auf dem Zugdach, das seit der Abfahrt in Saarbrücken den Strom aus der Oberleitung abgezapft hatte. Am Haltepunkt Rohrbach senkt sich der Pantograph und löst den Kontakt zur Stromleitung. „Auf dem jetzt folgenden Streckenteil, der nicht elektrifiziert ist, schaltet der Flirt Akku seinen Antrieb auf Strom aus der bordeigenen Batterie um.“

In der umgekehrten Fahrtrichtung rollt der Zug im Batteriebetrieb von Pirmasens über Zweibrücken nach Rohrbach, wo ihn der Pantograph dann bis zum Zielort Saarbrücken wieder an die Oberleitung ankoppelt.

Auf Batterie kommt der Flirt 80 Kilometer weit

„Heute sind wir hier mit einem Prototypen unterwegs, der vor vier Jahren gebaut wurde“, verdeutlichte der Fachmann von DB-Regio: „Ab Ende 2025 haben wir Flirt-Akku-Züge der dann allerneuesten, modernsten Generation im Einsatz. Doch schon heute kann so ein Zug im Batteriebetrieb mindestens 80 Kilometer weit fahren.“ Die DB-Regio hat die Ausschreibung für den Betrieb des Eisenbahn-Pfalznetzes mit den neuen batterieelektrischen Zügen ab 2025 gewonnen. Neu aufgeladen wird die Zugbatterie unterwegs auf jenen Streckenteilen, an denen Kontakt zu Oberleitungen besteht. „Zusätzlich richten wir in einigen Bahnhöfen sogenannte Oberleitungsinseln ein, damit sich der Flirt Akku auch dort während der Haltezeit aufladen kann“, erläuterte Wiesemann. Pfalzweit sollen solche Draht-Inseln in den fünf Bahnhöfen Pirmasens-Nord (Biebermühle), Landau, Winden, Kusel und Lauterecken-Grumbach aufgespannt werden.

Strom auch von neuer Leitung, die nach Homburg führt

Ein weiterer elektrifizierter Trassenabschnitt kommt dann noch zwischen Zweibrücken und Einöd hinzu – im Zuge der Ausbauarbeiten zur Reaktivierung der Bahnstrecke Zweibrücken - Homburg.

„Etwa 40 Prozent der Bahnstrecken in Deutschland haben keine Elektrifizierung“, wusste Stadler-Sprecherin Silja Kollner am Freitag zu berichten. „Und von diesen Strecken wiederum sind 80 Prozent kürzer als die Batterie-Reichweite 80 Kilometer.“ Auf Routen, die nur teilweise mit Oberleitungen bestückt sind – wie dies zwischen Pirmasens/Zweibrücken und Saarbrücken der Fall ist – werde im Bahnbetrieb bis zum heutigen Tag „durchgehend komplett mit Dieselantrieb gefahren“, sagte Kollner. „Also auch dort, wo Leitungen gespannt sind. Das ist diesen Zügen technisch nicht anders möglich.“ Dies habe unter anderem den Effekt, dass die Deutsche Bahn die Stromleitungen auf diesen Abschnitten regelmäßig vom Dieselruß reinigen muss. „Wo der Flirt Akku verkehrt, wird das nicht mehr nötig sein.“

Mittelfristig nicht kostspieliger als Dieselzüge

Mit Blick auf die 30- bis 40-jährige Lebensdauer von Eisenbahnzügen seien die modernen Batteriefahrzeuge nicht teurer als die bisherigen Dieselmodelle. Silja Kollner: „Neben dem Anschaffungspreis müssen Sie ja unter anderem auch die laufenden Kosten für den ständigen Einkauf von Dieselöl mit einberechnen. Dieser Ausgabenposten fällt beim batterieelektrischen Zug weg.“ Übrigens gebe es beim Fahrtempo keinen Unterschied zum Diesel: 160 Stundenkilometer seien auch für den geräuschlos gleitenden Akkuzug kein Problem. Über das gesamte Pfalznetz mit seinen knapp sechs Millionen Gleiskilometern gesehen, „sparen wir künftig mit den Batteriezügen jährlich mehr als fünf Millionen Liter Diesel ein und senken den Ausstoß an CO2 um zwei Drittel“, ergänzte Florian Wiesemann.

Jesel: „Batterieelektrische Züge hier besser geeignet“

Einer der beteiligten Auftraggeber, die den Streckenbetrieb ausgeschrieben und letztlich den Zuschlag an die DB Regio erteilt haben, ist der Zweckverband Personennahverkehr Saarland (ZPS). Dessen Saarbrücker Geschäftsstelle wird seit einigen Jahren von Achim Jesel aus Blieskastel geleitet. Wie Jesel am 7. Oktober zur RHEINPFALZ sagte, ergab eine Machbarkeitsstudie, „dass batterieelektrische Züge hier in unserer Region besser geeignet sind als die andere neue umweltfreundliche Antriebstechnologie – die auf Wasserstoff- oder Brennstoffzellenbasis. Aus diesem Grund haben wir den Batterieantrieb von Anfang an gleich fest in die Ausschreibung hineingeschrieben.“ Als die DB Regio dann den Zuschlag erhielt, habe diese die Berliner Firma Stadler mit Bau und Auslieferung der Flirt-Akku-Züge beauftragt.

Mit im Zug saß am Freitag Petra Berg (SPD), die saarländische Ministerin für Umwelt und Mobilität. Für sie ist die bislang gebräuchliche Diesellok-Technologie ein „Auslaufmodell. Die Zukunft gehört eindeutig der Elektrifizierung der Schiene.“ Derweil sei für das Saarland mit einem weiteren Anstieg beim Fahrgastaufkommen zu rechnen. Berg geht auch davon aus, „dass es bald eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket geben wird“.

Eisenbahnfreunde fotografieren den Akku-Zug

Am Freitagvormittag rief der Kurzbesuch des Elektro-Prototypen im Zweibrücker Hauptbahnhof eine Schar von Eisenbahnliebhabern auf den Plan, die den neuartigen Zug ausgiebig fotografierten und filmten. Später am Tag steuerte Lokführer Michael Ruschke das blau-weiß lackierte Testmodell dann zur Wartung ins westfälische Herne. „Für kommende Woche ist noch eine weitere Vorführfahrt geplant – bei Bad Bentheim in Niedersachsen“, erzählte Silja Kollner auf Nachfrage.