20.05.2020
Die Rheinpfalz - Mittelhaardter Rundschau

Bahnhaltepunkt Böbig hat Geburtstag

Außerhalb von Corona-Zeiten zählt der Bahnhaltepunkt Neustadt-Böbig an Werktagen mehr als 4000 Zugreisende. Heute vor 25 Jahren wurde er mit einem großen Bürgerfest eröffnet. Er galt als „Muster“-Bauwerk für die S-Bahn Rhein-Neckar. Begonnen hatte seine Geschichte aber schon 20 Jahre zuvor. Dabei spielten Schüler eine entscheidende Rolle.
Von Werner Schreiner

Als im September 1974 der erste Haltepunkt am Böbig in Betrieb genommen wurde, diente er ausschließlich dem Schülerverkehr. Das Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium und die Realschule waren der ersten Baustufe der Berufsschule in den Neustadter Osten gefolgt: Jeden Morgen zog sich eine Karawane von zwölf Bussen durch die Stadt, um die Schüler zu den neuen Standorten zu bringen.Um den innerstädtischen Verkehr zu entlasten, hatte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Brix, finanziell unterstützt vom Land, das Projekt eines Haltepunkts am Böbig umgesetzt – die Stadt musste aber für die Betriebskosten bei der Deutschen Bundesbahn aufkommen. Das Zugangebot war allerdings nicht so, wie es die Schulen insgesamt benötigten. Änderungen waren indes nur schwer möglich, zumal die Bundesbahn die sogenannten fahrplanmäßigen Regelzüge nicht am Böbig halten lassen wollte. Die Stadtverwaltung – insbesondere Schuldezernent Ulrich Framenau – musste nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Leicht war das nicht, zumal die Deutsche Bundesbahn eigentlich die Strecke nach Bad Dürkheim aufgeben wollte. Der Autor dieses Berichts – damals neu am Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium und wegen seiner Mitarbeit bei der RHEINPFALZ mit Bahnthemen vertraut – wurde vom Schulleiter beauftragt, sich der Fragen des Schülerverkehrs anzunehmen.

In langen Verhandlungen mit der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium konnte dann 1978 – unterstützt durch die Bürgermeister Framenau, Gillich (Deidesheim), Eggebrecht (Wachenheim) und Kalbfuß (Bad Dürkheim) sowie vom Bundestagsabgeordneten Peter Büchner – das Verkehrsmodell „Mittlere Weinstraße“ eingeführt werden. Die städtischen Kosten für den Betrieb des Haltepunkts halbierten sich, alle Züge machten am Böbig Station und der innerstädtische Busverkehr und jener in der Region konnten neugeordnet werden: Anschlüsse an den Bahnhof in Deidesheim wurden möglich.

Miserabler Zustand Allerdings übernahm die Bundesbahn den Haltepunkt wegen des baulichen Zustands nicht in ihr Eigentum. Dafür hatten Baumängel und falsche Sicherheitsmaßnahmen, Stichwort Salzstreuung, im Winter gesorgt. Ein Neubau wurde notwendig. Unter der Ägide von Oberbürgermeister Jürgen Weiler wurde eine zukunftsorientierte Lösung angestrebt, zusammen mit der Bundesbahn, dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar und dem Land Rheinland-Pfalz das Konzept Haltepunkt Neustadt-Böbig erstellt. Im damals geplanten Rheinland-Pfalz-Takt und später bei der S-Bahn Rhein-Neckar war er als Umsteigepunkt zwischen den Bahnstrecken von Neustadt nach Bad Dürkheim und der Pfälzischen Ludwigsbahn in Richtung Kaiserslautern und Ludwigshafen vorgesehen.

1992 wurde der Neubau mit Mittelbahnsteig und drei Bahnsteigkanten begonnen, der Haltepunkt dann am 20. Mai 1995 eröffnet – drei Jahre Bauzeit sind nicht erst heute, sondern waren auch schon damals ein schneller Bauablauf. Zum Eröffnungsfest auf dem Gelände der Haupt- und Realschule in Zusammenarbeit mit allen Schulen im Böbig kamen mehrere tausend Bürger – die Torte der Konditorenklasse der BBS schmeckte hervorragend.

Weil bereits seit 1994 durch den Rheinland-Pfalz-Takt die Bahnstrecke Neustadt-Bad Dürkheim wieder an sieben Tagen in der Woche bedient wurde – und das sogar im Halbstundentakt –, konnte zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 1995 der Haltepunkt mit der Streckenverknüpfung in Betrieb genommen werden. 1996 wurde er mit einer Treppe an die Ibag-Unterführung angebunden.

Alle halbe Stunde Der Haltepunkt Böbig galt als „Muster“ und vorgezogenes Bauwerk für die geplante S-Bahn Rhein-Neckar. Diese wurde dann am 13. Dezember 2003 in Betrieb genommen. Seither wird der Haltepunkt mit den Linien S1 und S2 und den Zügen nach Bad Dürkheim in der Regel halbstündlich bedient.

Mehr als 4000 Menschen steigen an jedem Werktag am Böbig ein und aus, die Bahnstrecke nach Ludwigshafen wird täglich von über 20.000 Fahrgästen frequentiert. Etwa die gleiche Anzahl steigt täglich am Neustadter Hauptbahnhof ein, aus oder um und macht ihn auch ohne den Bahnhofsteil Böbig zum wichtigsten Bahnhof in der Pfalz. Bleibt zu hoffen, dass nach der Corona-Pandemie bald wieder derart gute Fahrgastzahlen erreicht werden.

Info
Ein ausführlicher Beitrag zur Geschichte des Bahnhaltepunkts Böbig und des Schülerverkehrs wird Ende 2020 in den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz erscheinen.


Historischer Verein der Pfalz