28.04.2020
Saarbrücker Zeitung

Das Ende einer Ära in der Gemeinde Gersheim
Das bittere Ende war rasch besiegelt

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(Mit Foto: "Unser Bild zeigt einen Schienenbus beim Aufenthalt im Bahnhof Bliesdalheim. Foto: Rainer Schedler")

Blieskastel/Gersheim Das Ende der Bliestalbahn, der Lebensader des Bliestals. Von 1879 bis 1991 hat sie existiert.
Von Wolfgang Degott

Am 10. April 1989 wurde in einer Rahmenvereinbarung zwischen der Deutschen Bundesbahn und dem Saarland festgehalten den Schienenpersonenverkehr „auf der äußerst schwach frequentierten“ Bliestalbahn auf Busse umzustellen. Erste Stilllegungspläne waren bereits 1977 bekannt geworden. Am 31. Mai 1991 fuhr der letzte planmäßige Personenzug auf der Strecke von Homburg nach Reinheim. Im gleichen Jahr folgte am 28. September die finale Fahrt eines Güterzuges durchs Bliestal. Formell wurde die Bliestalbahn fünf Jahre später stillgelegt. Diese letzten offiziellen Schritte besiegelten das Schicksal einer Schienenstrecke, die der Lebensnerv einer ganzen Region darstellte.

Ihre wechselhafte Geschichte begann mit dem ersten Güterzug am 1. März 1879. Drei Tage später wurden erstmals Menschen transportiert, als einfach ein Personenwagen angehängt wurde. Die Strecke führte von Zweibrücken ins damals deutsche Sarreguemines. 1959 wurde der Personenverkehr zwischen Sarreguemines und Bliesbruck eingestellt. Zwischen Reinheim und Bliesbruck fuhr der letzte Personenzug bereits 1952. 1980 wurde die Strecke Folpersviller-Bliesbruck formal stillgelegt. Der letzte Güterzug passierte 1974 die französischen Grenzbahnhöfe. In seinem vor wenigen Monaten veröffentlichten Buch „Eisenbahnen im Saarpfalz-Kreis“ skizziert der Blieskasteler Florian Bender: „Die Konzession für die Projektierung der Strecke von Lautzkirchen zur französischen Grenze in Richtung Sarreguemines wurde am 1. Oktober 1868 erteilt, doch stoppte 1870 der deutsch-französische Krieg das Projekt, und nach Kriegsende wurden andere Bahnstrecken vorgezogen. Das Interesse an der Strecke war nun jedoch noch größer, da auch Elsass-Lothringen als „Reichsland“ zu Deutschland gehörte und es nur wenige Bahnstrecken über die Grenze gab“.

Der Schienenstrang ermöglichte durch die bestehenden Transportmöglichkeiten in späteren Jahrzehnten, dass sich unter anderem mit der Walsheim Brauerei, dem Gersheimer Kalkwerk und der Breitfurter Bliesmühle wichtige, den Bliesgau prägende Unternehmen zu ihrer späteren Größe entwickeln konnten. Über eine mehr als ein Jahrhundert dauernde Zeitspanne wurde die Bliestalbahn zur pulsierenden Lebensader des Bliestals und zum Garanten dessen wirtschaftlichen Aufblühens. Insbesondere die Kalkindustrie blieb bis in die späten Jahre des 20. Jahrhundert ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Gemeinde Gersheim.

Auf weitere Aspekte wies der Heimatpfleger des Saarpfalz-Kreises, Bernhard Becker, in seinem Grußwort zu dem von Walter Weber geschriebenen Werk „Die Bliestalbahn – von Anfang bis Ende“ hin. Der Schienenstrang hatte es ermöglicht, dass viele Familienväter, die in Gruben und Hütten arbeiteten, nicht wie bisher nur am Wochenende, sondern jeden Werkabend nach Hause zurückkehren konnten. Auch sei Kindern die Chance gegeben worden, weiterführende Schulen in Blieskastel, Homburg oder Zweibrücken zu besuchen.

In der Blütezeit der „Bliestalbahn“ wurde die Strecke täglich mit 38 Zügen befahren und der Gersheimer Bahnhof zählte fünf Gleise. Nachdem der letzte Zug die Bahnhöfe in Reinheim, Gersheim, Bliesdalheim, Breitfurt, Blickweiler und Blieskastel passiert hatte, entstand das Pflänzchen „Wiederbelebung“ in den Köpfen vieler Menschen. Am 3. Juni 1991 gründete sich im Herbitzheimer Bürgerhaus der Förderverein Bliestalbahn. Während der Versammlung trugen sich unter anderem die damaligen Bürgermeister Lothar Kruft (Gersheim), Werner Moschel (Blieskastel) und Maxime Kremer (Bliesbruck) in die Anwesenheitsliste ein. Toni Lembert, damals Erster Beigeordneter der Gemeinde Gersheim, wurde als Vorsitzender gewählt. Unterstützung gab‘s von Richter Werner Euskirchen aus Zweibrücken, dem der Erhalt der Bahnlinie sehr am Herzen lag und der sich in der ganzen Region für die vorhandenen Trassen einsetzte. Der Förderverein versuchte mit Einsprüchen, Eingaben, mehreren Sonderfahrten zwischen 1992 und 1995, aber auch mit Gutachten und Machbarkeitsstudien die Deutsche Bundesbahn zum Umdenken zu bewegen. Ins Feld geführt wurde auch eine „europäische Lösung“, die vorsah, die Strecke wie in ihrer ursprünglichen Konzeption über die Landesgrenze hinaus bis nach Sarreguemines zu reaktivieren. Alles ohne Erfolg. Erreicht wurde immerhin mit einer einstweiligen Verfügung, den Materialabbau der Gleise Ende der 1990er Jahre zu stoppen. Immer wieder flackerten Hoffnungsschimmer für eine Bahn-Renaissance auf. Dazu zählte auch die Idee einer Saarland-Bahn oder später auch die mögliche Verlängerung der Saarbahn über Sarreguemines in den Bliesgau. Kurzzeitig träumte man sogar von einer grenzüberschreitenden Touristenbahn mit dem Namen „Hilgard-Villard-Europa-Bahn“, propagiert von Werner Euskirchen. Sie sollte die Städte Zweibrücken, Sarreguemines, Haguenau und Landau miteinander verbinden. Erinnert werden sollte damit auch an den Zweibrücker Ehrenbürger Heinrich Gustav Hilgard (1835 bis 1900). Er war unter anderem Mitbegründer der weltbekannten Firma General Electric. Unter seiner Regie wurde in den USA die 4400 Kilometer lange Nord-Pazifik-Bahn (Northern Pacific Railroad) gebaut.

Doch zurück zur Bliestalbahn, deren Ende von langer Hand geplant worden war. Bereits Anfang 1986 protestierten Politiker aller Parteien, die Bevölkerung des Bliestals und Umweltschützer gegen die Ankündigung der Deutschen Bundesbahn zum Sommerfahrplan 1986 die Zugpaare von zwölf auf fünf pro Tag zu reduzieren. Am Wochenende sollten keine Züge mehr fahren. Die Bundesbahn begründete es damit, dass der Schienenpersonenverkehr stark rückläufig sei und sie durch die Reduzierung jährlich rund 700 000 DM auf dieser Strecke einsparen könne. Das Ziel war klar: Nach der Ausdünnung folgte das Dauerrotlicht für den „Bliestal-Express“ wie der Zug liebevoll von der Bevölkerung genannt wird. Walter Weber, dessen Bliestalbahn-Buch 2000 vom Förderverein herausgegeben wurde, bilanzierte: „Wägt man sämtliche Maßnahmen und Bemühungen, die zur Erhaltung der Bahnlinie führen sollten, gegeneinander ab, dann wird man lapidar feststellen, die ökonomischen Daten sind in unserem modernen Zeitalter die alleinbestimmenden Fakten, so sehr die ökologische Seite auch mitbestimmt. Letztendlich waren alle Mühen umsonst.“

Sein Fazit: Bis auf der Verwaltungsebene alle Instanzen durchlaufen sind und endlich eine Entscheidung getroffen ist, dauert es lange, aber danach geht alles meistens sehr schnell. Dass die Bahn weiter in Erinnerung bleibt, dafür sorgt heute der Bliestal-Freizeitweg, der über der früheren Schienentrasse verläuft und am 1. Mai 2000 feierlich eröffnet wurde (ausführlicher Bericht folgt).


Walter Weber: "Die Bliestalbahn – von Anfang bis Ende" 2000


03.05.2020
Diesen Weg will niemand mehr missen