01.03.2020
Die Rheinpfalz

Die Pfalz und das Elsass leisten Pionierarbeit

Kalender: Am 1. März 1997 wurde die Bahnstrecke von Winden nach Weißenburg reaktiviert. Von Eckhard Buddruss

Der 1. März 1997 war ein traumhaft schöner Tag, der zur Stimmung entlang der Bahnstrecke zwischen Winden und Weißenburg passte. In Rheinland-Pfalz war es nicht die erste Reaktivierung einer stillgelegten Bahnlinie, aber dieses grenzüberschreitende Projekt hatte eine neue Qualität.

Der französischen Staatsbahn SNCF war dieses Projekt damals höchst unwillkommen. Sie wollte die Strecke zwischen Hagenau und Weißenburg stilllegen. Für die Stadt Weißenburg, wo eine engagierte Bürgerinitiative gegen die geplante Stilllegung kämpfte, bedeutete die Reaktivierung der Bahnlinie nach Winden gleichzeitig auch die Rettung ihrer Verbindung nach Straßburg, denn dass eine Stadt im Elsass mit dem Zug nur noch aus Deutschland erreichbar gewesen wäre, war völlig undenkbar. Dass das Projekt trotz aller Schwierigkeiten gelang, war vor allem zwei Faktoren zu verdanken: Es gab einen breiten politischen Konsens in der Pfalz, für den besonders Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und Gerhard Weber (CDU), Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, standen; zum anderen konnte der Neustadter Bahnexperte Werner Schreiner die Verhandlungen in Frankreich auf Französisch führen und fand für alle Probleme teilweise sehr unkonventionelle Lösungen. So nutzte Schreiner den im 19. Jahrhundert zwischen Frankreich und Bayern vereinbarten Status von Weißenburg als „gemeinsamer Bahnhof“ 1997 dafür, die Strecke Winden–Weißenburg in den Tarif des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) zu integrieren. VRN-Fahrkarten wie das Job-Ticket und die Karte ab 60 gelten deshalb bis nach Weißenburg, was viele Pfälzer gern für Ausflüge in die Stadt nutzen.

Zu den engagierten Befürwortern des Projekts gehörte Adrien Zeller, als Vorsitzender des elsässischen Regionalrats gewissermaßen der französische Kollege von Ministerpräsident Kurt Beck. Zeller begrüßte am 1. März Beck an der Grenze, wo der Eröffnungszug aus Neustadt auf freier Strecke hielt. Beck und Zeller gelang gemeinsam Ende 2002 auch noch, die Strecke von Wörth ins französische Lauterbourg wiederzubeleben. Danach gab es lange Zeit keine größeren Fortschritte mehr für den regionalen Bahnverkehr zwischen der Pfalz und dem Elsass, obwohl es seit 1997 erklärtes Ziel der rheinland-pfälzischen Landesregierung war, Taktzüge zwischen Neustadt und Straßburg einzuführen. Erst in den vergangenen Jahren kam dieses Projekt doch noch Stück für Stück voran und nun wird es wohl Ende 2024 als Teil eines großen deutsch-französischen Pakets Wirklichkeit.

DIE RHEINPFALZ feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag, 365 Tage lang. In diesem Kalender erinnern wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.


Bahnstrecke Neustadt–Wissembourg