14.05.2019
Die Rheinpfalz

Eine Stunde schneller von Mannheim nach Berlin

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Wie die Metropolregion Rhein-Neckar von dem geplanten Deutschland-Takt profitieren soll – Erfolgsrezept stammt aus der Schweiz
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Deutlich kürzere ICE-Fahrzeiten besonders für Reisen von Mannheim nach Berlin sieht ein neuer Gutachter-Entwurf für einen Deutschland-Takt vor. An dem vorgelegten Zielfahrplan sollen sich künftige Infrastruktur-Investitionen orientieren – so wie das bisher schon mit viel Erfolg in der Schweiz praktiziert wird.

Ausgearbeitet hat den Zielfahrplan Deutschland-Takt federführend das Schweizer Unternehmen SMA, von dem auch das Konzept für den Rheinland-Pfalz-Takt stammt. Grundidee ist dabei das Prinzip, mit dem die Schweiz zum Bahn-Musterland Europas geworden ist, nämlich einen landesweiten Taktfahrplan mit optimalen Anschlüssen zu konzipieren und daraus die dafür nötigen Infrastruktur-Investitionen abzuleiten. In Deutschland erfolgte der Neu- und Ausbau von Bahnstrecken dagegen bisher meist ohne ein Fahrplankonzept. Die Umsetzung derartiger Takt-Konzepte erfordert allerdings einen langen Atem. In der Schweiz wurde 1987 das Projekt „Bahn 2000“ für einen landesweiten integralen Taktfahrplan beschlossen, das dann bis Ende 2004 umgesetzt wurde.

Rheinland-Pfalz als Takt-Vorreiter Integrale Taktfahrpläne gibt es in Deutschland bereits in mehreren Bundesländern, wobei Rheinland-Pfalz mit dem ab 1994 aufgebauten Rheinland-Pfalz-Takt bundesweit eine Vorreiterrolle spielte. Die Planungen für den Deutschland-Takt, die in der vergangenen Woche in einer überarbeiteten Version vorgelegt wurden, sehen deshalb für Rheinland-Pfalz im Wesentlichen das heutige Taktsystem mit einigen zusätzlichen Verbesserungen vor.

S-Bahn nach Zweibrücken ist dabei Wichtigste dieser Verbesserungen ist die Verlängerung der S-Bahn Rhein-Neckar über Homburg hinaus bis nach Zweibrücken. Vorteile für das Bahnangebot in der Westpfalz ergeben sich außerdem durch die geplante Verlegung der Zugkreuzung auf der Linie Kaiserslautern–Pirmasens von Waldfischbach nach Steinalben. Die wichtigsten Verbesserungen bringt das Deutschland-Takt-Konzept für den Fernverkehr. Mit dem neuen Zielfahrplan wird der Knoten Mannheim erheblich aufgewertet. Hier soll es jeweils zur vollen Stunde einen zweiten Taktknoten geben, in dem sich zwei ICE-Linien treffen. Im heutigen Taktknoten zur Minute 30 sollen statt bisher zwei künftig drei Linien miteinander verknüpft werden. Die kürzeste Fahrzeit von Mannheim nach Berlin soll sich von heute knapp fünf auf künftig knapp vier Stunden verringern.

Neue Strecken werden gebraucht Dafür sind allerdings mehrere Neu- und Ausbaustrecken insbesondere in dem heute überlasteten Korridor von Mannheim über Frankfurt nach Fulda erforderlich. Ob der Bund die für diese Projekte nötigen Mittel bereitstellt, ist bisher noch völlig unklar – und damit auch die Antwort auf die Frage, wann der vorgelegte Zielfahrplan Wirklichkeit werden könnte.

Scheuer: Start schon 2021 Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte in der vergangenen Woche bei der Vorlage des Zielfahrplans: „Der Koalitionsvertrag ist der bahnfreundlichste seit vielen, vielen Jahren. Die Schiene kann einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele im Verkehr leisten. Bahnfahren ist aktiver Klimaschutz. Gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden wollen wir bis 2030 die Zahl der Fahrgäste verdoppeln und mehr Güter auf die Schiene bringen. Und das bei gutem Service und hoher Qualität. Wichtiger Baustein: Der Deutschland-Takt. Er soll schnell erfahrbar und etappenweise umgesetzt werden. Wir möchten, dass er bereits zum Jahr 2021 in den ersten Regionen startet.“ Die Deutsche Bahn (DB), die früher lange Zeit auf die Forderungen nach einem Deutschland-Takt eher skeptisch reagiert hatte, bekennt sich inzwischen zu diesem Konzept.

Halbstundentakt Hamburg-Berlin Als eine Etappe „auf dem Weg zum Deutschland-Takt“ kündigte DB-Chef Richard Lutz an, dass ab Ende 2021 die DB-Fernzüge zwischen Berlin und Hamburg im Halbstundentakt fahren werden. Dafür werde das Angebot um sechs zusätzliche ICE-Paare erweitert. Statt bisher 24 fahren dann pro Tag und Richtung 30 Fernzüge zwischen den beiden größten deutschen Städten. Auf dieser Strecke ist die Anzahl der jährlichen Fahrgäste von 4,5 Millionen im Jahr 2014 auf 6,1 Millionen im Jahr 2018 gestiegen.

Kommentar: Scheuers Feigenblatt

Von Eckhard Buddruss
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Die Pläne für den Deutschland-Takt sind ein Lichtblick in der Politik von Bundesverkehrsminister Scheuer. Es bedarf aber mehr als schöner Worte.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist zu einer Art Buhmann geworden, der eine Verkehrspolitik ohne Rücksicht auf Umwelt, Klima und Gesundheit der Bürger verkörpert. Ein aus diesem tristen Bild fallender Lichtblick sind dagegen seine Pläne für einen Deutschland-Takt. Das, was Scheuer bisher zu diesem Thema gesagt hat, ist gut und richtig. Seine Aufgabe wäre es nun, dafür zu sorgen, dass die zur Umsetzung dieses Projekts nötigen Investitionen auch wirklich erfolgen.

Da der schöne Zielfahrplan, der in der vergangenen Woche vorgelegt wurde, noch in weiter Ferne liegt, drängt Scheuer mit Recht auf baldige Verbesserungen des Zugangebots. Solange die DB Fernzüge allerdings auf eigene Rechnung und eigenes Risiko fahren muss, ist das nicht so einfach. Eine große Hilfe wäre es, wenn, wie von Scheuer in Aussicht gestellt, auf Bahn-Fernzugtickets nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gezahlt werden müsste. Besonders krass ist die Benachteiligung der Bahn im internationalen Verkehr, wo auf Flugtickets überhaupt keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Es ist absurd, dass der Staat die relativ umweltschonende Bahn benachteiligt und den besonders klimaschädlichen Flugverkehr steuerlich begünstigt. Ein weiteres Hindernis für den Deutschland-Takt ist die hohe Schienen-Maut. Zu diesem Thema hat man von Scheuer bisher noch nichts gehört.