29.12.2018 Die Rheinpfalz
Bahnreform bringt Regionalverkehr voran Vor 25 Jahren startete die Deutsche Bahn AG – Rheinland-Pfalz hat profitiert – Aber einiges ging auch schief
Berlin/Ludwigshafen. Seit einem Vierteljahrhundert ist die Deutsche Bahn (DB) eine Aktiengesellschaft mit dem Bund als einzigem Anteilseigner. In den 25 Jahren seitdem hat sich viel getan. Eine Aufstellung der wichtigsten Etappen bundesweit und in der Pfalz.
- Januar 1994: Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn der früheren DDR gehen in der Deutschen Bahn AG auf. Erster Vorstandsvorsitzender ist Heinz Dürr.
- Mai 1994: In der Pfalz wird auf einem großen Teil der Strecken ein integraler Taktfahrplan unter dem Namen Rheinland-Pfalz-Takt eingeführt. Die Strecke von Grünstadt nach Eisenberg wird reaktiviert – eine Deutschlandpremiere mit Vorbildcharakter. Ein Jahr später werden auch die Strecken Eisenberg–Ramsen und Grünstadt–Monsheim wieder in Betrieb genommen.
- September 1995: Die Bahnstrecke von Winden nach Bad Bergzabern wird in den Rheinland-Pfalz-Takt integriert.
- Januar 1996: Die Bundesländer übernehmen die Verantwortung für den Schienennahverkehr. Nicht überall verläuft die Entwicklung so dynamisch wie schon seit 1994 in Rheinland-Pfalz, das eine bundesweit beachtete Vorreiterrolle spielt.
- März 1997: Mit der Bahnstrecke von Winden ins elsässische Weißenburg wird erstmals eine grenzüberschreitende Verbindung reaktiviert.
- Dezember 1999: Hartmut Mehdorn, bisher Chef des Druckmaschinenherstellers Heidelberg, wird neuer DB-Chef.
- Juli 2002: Die DB kündigt die Übernahme des Logistikkonzerns Stinnes an. Dazu gehört auch die Spedition Schenker, die früher schon einmal der Bundesbahn gehörte.
- August/Dezember 2002: Im August wird die ICE-Schnellstrecke Köln–Rhein/Main eröffnet. Nach dem Jahresfahrplanwechsel im Dezember werden auch lang laufende ICE-Linien über die planmäßig mit Tempo 300 befahrene Strecke geführt. Die Fahrzeit von Mannheim nach Köln verkürzt sich um eine Stunde.
- Gleichzeitig mit dem Fahrplanwechsel führt die DB ein neues Preissystem ein, das von Experten aus der Luftfahrtbranche stammt. Das neue System wird ein Flop. Für großen Ärger sorgt vor allem die Abschaffung der Bahncard, mit der es 50 Prozent Rabatt gab.
- August 2003: Die abgeschaffte Bahncard kommt unter der Bezeichnung Bahncard 50 als Teil einer Bahncard-Familie aus Bahncard 25, Bahncard 50 und Bahncard 100 wieder.
- Dezember 2003: Die S-Bahn Rhein-Neckar nimmt ihren Betrieb auf. Im Halbstundentakt fahren S-Bahn-Züge von Speyer und von Kaiserslautern über Neustadt nach Mannheim. Gleichzeitig wird der Haltepunkt Ludwigshafen Mitte eröffnet.
- Mai 2006: Der Berliner Hauptbahnhof wird nach acht Jahren Bauzeit eröffnet, rechtzeitig zur Fußball-WM in Deutschland. Gleichzeitig geht die Neubaustrecke von Nürnberg nach Ingolstadt in Betrieb.
- Dezember 2006: Die S-Bahn Rhein-Neckar wird bis Germersheim und Homburg verlängert.
- September 2007: In ICE und Intercity darf nicht mehr geraucht werden, in Regionalzügen wurde das Rauchverbot schon früher eingeführt.
- Oktober 2008: Die DB sagt einen Börsengang kurz vor dem geplanten Termin wegen der Finanzmarktkrise ab. Vorgesehen war der Verkauf von 24,9 Prozent der Geschäftsfelder des in der Tochter DB ML zusammengefassten Personen- und Güterverkehrs.
- März 2009: DB-Chef Hartmut Mehdorn tritt wegen der Datenaffäre (Ausspionieren von Mitarbeiter-E-Mails) zurück. Nachfolger wird der Daimler-Manager Rüdiger Grube.
- Februar 2010: Die Bauarbeiten für das umstrittene Projekt Stuttgart 21 beginnen. Im September eskaliert der Konflikt, bei der Räumung des Schlossgartens mit Wasserwerfern werden laut Innenministerium mehr als 160 Menschen verletzt.
- Juni 2010: Die DB kündigt die Übernahme des britischen Transportunternehmens Arriva an. Es ist der größte Zukauf der DB-Geschichte.
- Dezember 2010: Die Strecke von Wörth nach Germersheim wird ins Karlsruher Stadtbahnnetz integriert.
- Dezember 2014: Ein wesentlicher Teil des 2008 beschlossenen Konzepts Rheinland-Pfalz-Takt 2015 wird wie vorgesehen umgesetzt. Dadurch verbessert sich das Regional-Express-Angebot auf der Pfälzer Ost-West-Hauptstrecke und in der Verbindung zwischen der Vorderpfalz und Mainz erheblich.
- Januar 2017: Rüdiger Grube tritt nach knapp acht Jahren an der DB-Spitze überraschend zurück. Grund ist ein Streit um die Verlängerung seines Vertrags. Grubes Nachfolger wird im März der bisherige DB-Finanzchef Richard Lutz, der als Sohn eines Pfälzer Eisenbahners in Landstuhl geboren wurde und im westpfälzischen Kindsbach aufgewachsen ist.
- Dezember 2017: Die Schnellstrecke von Erfurt durch den Thüringer Wald nach Ebensfeld geht in Betrieb. Die ICE-Fahrzeit von Berlin nach München verringert sich bei den schnellsten Zügen von rund sechs auf knapp vier Stunden. dpa/ebu
Leitartikel: Jubiläum ohne Feierlaune
Von Eckhard Buddruss
25 Jahre nach der Bahnreform hat kaum jemand so richtig Lust zum Feiern.
Die Bundesregierung hat für den Bahnverkehr hohe Ziele gesetzt. Bisher ist aber nicht erkennbar, was sie tun will, um diese auch erreichbar zu machen.
Vor 25 Jahren, am 1. Januar 1994, gingen die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn der früheren DDR in der privatrechtlich organisierten Deutschen Bahn AG auf. Offizielles Ziel der Reform war, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Dafür fand sich ein breiter politischer Konsens, der für die nötigen Änderungen des Grundgesetzes mit Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erforderlich war. Die von Heinz Dürr, dem letzten Chef der Bundesbahn und ersten Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn (DB) verbreitete Hoffnung, ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen mit einem fähigen Manager (nämlich ihm selbst) an der Spitze werde alles deutlich besser machen als die viel geschmähte Behördenbahn hat sich inzwischen als ziemlich naiv erwiesen. Die Bilanz nach 25 Jahren ist sehr gemischt.
Ein eindeutiger Erfolg ist die Bahnreform nur im Regionalverkehr. Bei den Verhandlungen über die Bahnreform erreichten die Bundesländer, die nach einer Übergangszeit ab 1996 die Verantwortung als Besteller übernahmen, dass der Bund dafür deutlich mehr Mittel zur Verfügung stellte. Diese Regionalisierungsmittel ermöglichten eine deutliche Verbesserung des Zugangebots, und kein Bundesland hat diese Chancen so früh und konsequent genutzt wie Rheinland-Pfalz.
Sehr viel ambivalenter ist die Bilanz im Fernverkehr. Vor allem der am stärksten frequentierte Pfälzer Bahnknoten Neustadt hatte vor der Bahnreform ein sehr viel besseres Fernzugangebot als heute. Die Pfalz gehörte zu den Opfern des berüchtigten Programms „Mora“ (Marktorientiertes Angebot), mit dem die DB einen großen Teil des Interregio-Netzes aufgab. Dies gilt auch DB-intern inzwischen als Fehler. Die Anzahl der Fernverkehrsreisenden war vor der Jahrtausendwende schon einmal höher als 2018. Die in Personenkilometern gemessene Verkehrsleistung der Fernzüge ist dagegen heute dank des ausgebauten ICE-Angebots höher als je zuvor.
Auch im Güterverkehr ist die Bilanz durchwachsen. Konkurrenten der DB haben nun einen Marktanteil von rund 50 Prozent am deutschen Schienengüterverkehr. Großkunden wie der BASF ist es dank des Wettbewerbs gelungen, die Kosten für ihre Transporte in kompletten Zügen zu senken. Kehrseite der Medaille ist, dass es der DB nicht mehr so wie früher möglich ist, mit profitablen Ganzzügen den wirtschaftlich viel schwierigeren Einzelwagenverkehr intern querzufinanzieren. Durch das Programm „Mora C“ haben Pfälzer Unternehmen wie der Drahtzug in Altleiningen ihren Anschluss ans Schienennetz verloren.
Der zentrale Webfehler der Bahnreform war die Annahme, der Unterhalt des Schienennetzes ließe sich allein durch Trassengebühren finanzieren. Dies sorgte von Anfang an für zu hohe Trassenpreise und eine Unterfinanzierung des Schienennetzes, das seit der Bahnreform von der Substanz lebt. Auch wenn die Situation heute immerhin besser ist als auf dem Tiefpunkt vor rund 20 Jahren, ist der Zustand des weiterhin unterfinanzierten Schienennetzes für viele der aktuellen Probleme im Bahnverkehr verantwortlich. Wenn die Schiene, wie verkehrs- und umweltpolitisch dringend geboten, einen größeren Anteil des Verkehrsaufkommens bewältigen soll, muss mehr in das Schienennetz investiert werden und zwar sowohl in den Ausbau als auch in die Erneuerung. Die Bundesregierung tut sich noch schwer damit, dies anzuerkennen. Die Diskrepanz zwischen den hohen Zielen, die die Bundesregierung der DB gesteckt hat und den unzureichenden Mitteln, die sie bisher zur Verfügung stellt, ist der wichtigste Grund dafür, dass 25 Jahre nach der Bahnreform niemand so recht zum Feiern zumute ist.
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