01.08.2017
Die Rheinpfalz

Konkurrenz um die Diesel-Nachfolge

Für Brennstoffzellen-Triebwagen gibt es schon Einsatzpläne – Bombardier und Siemens setzen auf Batterien
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Morgen wollen Bundesregierung und Autoindustrie auf einem Diesel-Gipfel über Wege aus der Autoabgaskrise beraten, die sich durch die näher rückenden Fahrverbote erheblich zugespitzt hat. Zusätzlichen Stellenwert bekommt in diesem Kontext der vergleichsweise leicht elektrifizierbare Schienenverkehr.

Wie der Autoabgas-Skandal plötzlich Bewegung in das Thema Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs bringen kann, hat sich kürzlich in Bayern gezeigt. Im Kontext der Bemühungen, wegen der überhöhten Stickoxid-Werte in München drohende Fahrverbote abzuwenden, räumte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den jahrzehntelangen Widerstand der CSU gegen eine Straßenbahn durch den Englischen Garten ab – mit dem überzeugenden (allerdings nicht gerade neuen) Argument, dass eine Straßenbahn kein Problem darstellen könne, wenn an der gleichen Stelle heute schon ein Bus fährt. Bayern ist das erste Bundesland, in dem das Thema Bahn-Elektrifizierung nun in großem Stil auf die politische Agenda kommt. Ein CSU-Landesverkehrspolitiker hat angekündigt, dass ein großes Bahn-Elektrifizierungsprogramm zu den Forderungen der CSU bei den Koalitionsverhandlungen für die nächste Bundesregierung gehören werde.

Die Diskreditierung des Dieselmotors durch die Abgas-Betrügereien der deutschen Autoindustrie haben auch den Druck erhöht, bei künftigen Ausschreibungen des Betriebs auf derzeit mit Dieselfahrzeugen betriebenen Bahn-Netzen zu neuen Antriebstechnologien zu wechseln, die als zukunftsträchtiger gelten. In der Pfalz bietet sich dafür als erstes das Westpfalz- und Südpfalz-Netz an. Dort läuft der aktuelle Verkehrsvertrag Ende 2023 aus.

In Frage kommt dafür zum einen die Brennstoffzellentechnologie. Die im Grundsatz bekannte Technik ist im Straßenverkehr bisher nicht wesentlich vorangekommen, weil der Aufbau eines Netzes von Wasserstofftankstellen sich sehr mühselig gestaltet. Im regionalen Schienenverkehr, wo die Fahrzeuge stets auf derselben Strecke unterwegs sind, könnte dies deutlich einfacher sein. Alstom hat im vergangenen September auf der Fachmesse Innotrans den Prototyp eines solchen Triebwagens, den I-Lint, vorgestellt. Es gibt bereits konkrete Pläne für den Einsatz solcher Fahrzeuge in Niedersachsen auf der Strecke Buxtehude–Bremerhaven–Cuxhaven und in Nordrhein-Westfalen auf den Strecken von Essen nach Borken und Coesfeld. Beiden Fällen ist gemeinsam, dass dort günstige Voraussetzungen für die Wasserstoffversorgung bestehen. Das Gleiche würde für einen Einsatz auf der Strecke von Frankfurt-Höchst nach Königstein im Taunus gelten.

Dort, wo eine Wasserstoffversorgung erst mit größerem Aufwand aufgebaut werden müsste, kommen wohl eher E/E-Hybridfahrzeuge, die Strom aus Batterie und Oberleitung beziehen können, in Frage. Sowohl Bombardier als auch Siemens arbeiten an der Entwicklung eines solchen Fahrzeugs, das sich besonders für Strecken anbietet, bei denen Teilabschnitte elektrifiziert sind wie in der Pfalz die Linie von Kaiserslautern nach Kusel auf dem Abschnitt Kaiserslautern–Landstuhl.

Kommentar: Das Diesel-Desaster

Von Eckhard Buddruss

Die deutsche Autoindustrie hat den Dieselmotor in Verruf gebracht. Ersetzen lässt er sich im Schienenverkehr aber deutlich leichter als auf der Straße.

Die deutsche Autoindustrie hat den Dieselmotor, auf den sie einen großen Teil ihrer Zukunftshoffnungen gestützt hatte, in Verruf gebracht, weil diverse Manager offenbar dachten, Umweltschutzgesetze ungestraft umgehen zu können. Kunden, die glaubten, einen „sauberen Diesel“ zu kaufen, haben in vielen Fällen Grund, sich betrogen zu fühlen – selbst dann, wenn das Vorgehen der Autohersteller nicht eindeutig illegal war, weil es sich in einer juristischen Grauzone abspielte.

Weil Automanager meinten (und teilweise offenbar immer noch meinen), dass verpestete Luft in den Städten hinzunehmen ist und sie deshalb verfügbare Abgasreinigungstechnik oft mehr abgeschaltet als eingesetzt haben, hat der Diesel nun im Pkw-Bereich das Image einer Technologie ohne Zukunft – obwohl auch Elektroautos diverse Umwelt-Schwachpunkte haben. Derzeit spielt der Diesel auch im Eisenbahnverkehr immer noch eine wichtige Rolle – und zwar eine deutlich größere als nötig wäre. Der Schienenverkehr lässt sich sehr viel leichter mit Leitungen elektrifizieren als der Straßenverkehr, so dass sich das schwierige Batteriethema oft gar nicht stellt. Es ist deshalb absurd, dass nun Pläne für Autobahnabschnitte mit Oberleitung für Elektro-Lkw geschmiedet werden, während die Elektrifizierung viel befahrener Bahnstrecken (selbst solcher mit starkem Güterverkehr) seit Jahrzehnten in Warteschleifen festhängt. Der Eisenbahnverkehr bietet ein hohes noch nicht ausgeschöpftes Elektrifizierungspotenzial. Bei einem großen Teil davon ist die Oberleitungselektrifizierung am sinnvollsten. Für den Rest zeichnen sich vor allem zwei Technologien als potenzielle Diesel-Nachfolger ab. Zum einen die Brennstoffzelle. Hier gibt es mit dem I-Lint von Alstom bereits einen Prototypen und konkrete Einsatzpläne in zwei Bundesländern. Der Einsatz dieser Technik bietet sich vor allem dort an, wo Wasserstoff leicht verfügbar ist. In anderen Fällen wie in der Pfalz spricht wohl mehr für den Einsatz von E/E-Hybridfahrzeugen, die über eine Batterie verfügen, aber Strom auch aus einer Oberleitung beziehen können.


Anmerkung:
Die Strecke Homburg - Zweibrücken wird im Rahmen der Reaktivierung von vornherein elektrifiziert. Hier erübrigt sich sogar die Anschaffung neuer Fahrzeuge, weil diese bereits in Homburg(Saar) Hbf stehen.