01.03.2017
Die Rheinpfalz

Chancen für Taktzüge Neustadt–Straßburg

Heute vor 20 Jahren wurde die erste Bahnlinie zwischen der Pfalz und dem Elsass reaktiviert – Weitere Verbesserungen sollen folgen
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Heute vor 20 Jahren wurde die Bahnstrecke von Winden (Kreis Südliche Weinstraße) ins elsässische Weißenburg reaktiviert. Diese erste Wiederinbetriebnahme einer grenzüberschreitenden Bahnlinie wurde zwar ein großer Erfolg, Hoffnungen auf einen durchgehenden Taktverkehr von Neustadt nach Straßburg haben sich bisher allerdings nicht erfüllt. Doch das könnte sich in einigen Jahren ändern.

Nach Weißenburg fahren heute im Stundentakt Züge von Neustadt. In der Ausflugssaison von Mai bis Oktober gibt es außerdem je einen direkten Zug von Mainz (über Grünstadt und Bad Dürkheim) und von Koblenz (über Rockenhausen) in die nordelsässische Stadt. Pläne für Züge, die über Weißenburg hinaus nach Straßburg fahren, wurden aber bisher nur in sehr bescheidenem Umfang realisiert. Samstags und sonntags fährt ein Zugpaar von Neustadt nach Straßburg und zurück, das vor allem für den Ausflugsverkehr von Interesse ist.Grund für das Ausbleiben eines von der rheinland-pfälzischen Landersregierung schon 2005 beim Jubiläum „150 Jahre Maxbahn“ als Ziel proklamierten Taktverkehrs nach Straßburg ist das Fehlen von Fahrzeugen, die in Deutschland und in Frankreich auch südlich von Weißenburg fahren können, dessen Station den Sonderstatus eines „Gemeinschaftsbahnhofs“ (gare commune) hat. Die dafür nötige zusätzliche Leit- und Sicherungstechnik für das jeweils andere Land ist ein so großer Kostenfaktor, dass daran bisherige Pläne gescheitert sind.

Derzeit gibt es nur 19 Triebwagen der französischen Baureihe X 73.900 (mit dem Spitznamen „Blauwale“), die in beiden Ländern fahren können. Sie sind auf verschiedenen Strecken zwischen dem Elsass beziehungsweise Lothringen und Deutschland im Einsatz. Dazu gehört die Verbindung von Saarbrücken über Saargemünd nach Straßburg. Ihr Fall zeigt besonders deutlich, wie schwierig es oft ist, das erreichte Angebotsniveau auch nur zu halten, geschweige denn, es weiter zu verbessern.

Weil die Fahrgastzahlen vor allem auf dem Abschnitt zwischen Saargemünd und Straßburg deutlich gestiegen sind, genügen die relativ kleinen „Blauwale“, die maximal als Dreifacheinheit fahren können, inzwischen nicht mehr den Anforderungen. Sie wurden deshalb nun teilweise von größeren Fahrzeugen des neuen Typs „Regiolis“ abgelöst, die aber nicht über die Leit- und Sicherungstechnik für den Einsatz in Deutschland verfügen. Deshalb ist ein Teil der Direktzüge von Saarbrücken nach Straßburg weggefallen. Auch auf der Fahrt von Saarbrücken nach Metz muss nun meist in Forbach umgestiegen werden. Mit den frei gewordenen „Blauwalen“ können, wie berichtet, ab Mai immerhin einige durchgehende Züge von Wörth nach Straßburg angeboten werden.

Eine Gelegenheit, Fahrzeuge für einen Taktverkehr von Neustadt nach Straßburg zu beschaffen, wurde verpasst, als der Betrieb des Regionalbahn-Netzes in der Südpfalz von 2010 bis 2023 ausgeschrieben wurde. Wegen der Kürzung der Regionalisierungsmittel, die die Länder vom Bund für den regionalen Bahnverkehr erhalten, war es damals in einer Situation, in der die zuständigen Aufgabenträger sogar Züge streichen mussten, unmöglich, zusätzliche Mittel für einen grenzüberschreitenden Taktverkehr bereitzustellen. Die nächste Gelegenheit, Taktzüge von Neustadt nach Straßburg einzuführen, könnte sich ergeben, wenn der Betrieb für die Zeit ab Ende 2023 neu ausgeschrieben wird. An dem Thema arbeitet derzeit Werner Schreiner, der bereits bei der Reaktivierung der Strecke Winden–Weißenburg vor 20 Jahren eine Schlüsselrolle gespielt hat. Der frühere Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) ist zum einen weiter für den VRN als Projektmanager unter anderem für den S-Bahn-Ausbau tätig, zum anderen ist er Beauftragter der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Schreiner verfügt über gute Kontakte nach Frankreich und kann Verhandlungen auf Französisch führen, was schon vor 20 Jahren bei der Reaktivierung der Strecke Winden–Weißenburg ein entscheidender Vorteil war.

In einem Gespräch mit der RHEINPFALZ erläuterte Schreiner, dass das Unternehmen Egisrail in Lyon von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, dem Saarland, der Schweiz und der neuen französischen Region Grand Est (zu der das Elsass und Lothringen nun gehören) mit einem Gutachten über den grenzüberschreitenden Fahrzeugeinsatz beauftragt worden ist. Die Auftaktsitzung mit Vertretern der Auftraggeber findet am 8. März in Straßburg statt. Finanziert wird das Gutachten aus EU-Interreg-Mitteln. Münden könnten dieses Gutachten in ein Interreg-Programm, das 50 Prozent der Zusatzkosten für den grenzüberschreitenden Einsatz der Fahrzeuge abdeckt.

Als Ziel stellt sich Schreiner einen Taktverkehr vor, bei dem mindestens im Zwei-Stunden-Takt durchgehende Züge von Neustadt nach Straßburg fahren. Der Zugbetrieb könnte in einem gemeinsamen deutsch-französischen Wettbewerbsverfahren vergeben werden.

Kommentar: Die Mühen der Grenzüberschreitung

Von Eckhard Buddruss

Vor 20 Jahren wurde ein schönes Stück deutsch-französischer Bahngeschichte geschrieben. Heute bleibt aber immer noch viel zu tun.

Dass vor 20 Jahren die Bahnlinie von Winden nach Weißenburg reaktiviert und in den Rheinland-Pfalz-Takt integriert wurde, wirkt auch 20 Jahre danach noch wie ein kleines Wunder. Dass dies überhaupt gelang, lag nicht zuletzt daran, dass der Weißenburger Bahnhof beim Bau der Bahnstrecke im 19. Jahrhundert den Status eines Gemeinschaftsbahnhofs bekam und ihn danach nie verloren hat.

Für Nicht-Experten ist es oft schwer nachvollziehbar, wie viel Mühen es immer noch bereitet, Verbesserungen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu erreichen. Der Elan, den der Erfolg vor 20 Jahren ausgelöst hat, hat noch zur Wiederinbetriebnahme der Strecke Wörth–Lauterburg und zu weiteren kleineren Fortschritten geführt, aber für Taktzüge zwischen der Pfalz und Straßburg hat es bisher nicht gereicht. Hauptgrund dafür waren fehlende finanzielle Mittel zur Überwindung der technischen Hürden. In den vergangenen 20 Jahren ist der Stellenwert der Bahn als umweltschonendes Verkehrsmittel in Frankreich deutlich gestiegen. Das TGV-Netz ist gewachsen, auch der Regionalverkehr hat sich stark verbessert. Im Bahnverkehr zwischen Frankreich und Deutschland gibt es allerdings noch ein großes Potenzial für Verbesserungen, die zwar nicht so spektakulär sind wie eine TGV-Strecke, aber doch bei moderaten Kosten hohen Nutzen und außerdem positiven Symbolwert für das Zusammenrücken der beiden Nachbarländer haben.