05.01.2017
Die Rheinpfalz

Briefe an die Redaktion

Manchmal erhalten wir Zuschriften von Lesern, die eine Entgegnung erwarten. Wenn wir meinen, dass der Inhalt von Zuschrift und Antwort auch für andere Leser interessant sein könnte, veröffentlichen wir den Briefwechsel unter der Rubrik „Brief an die Redaktion“. Heute geht es um Zuschriften unserer Leser Peter Schehl, Friedhelm Jost und Bernhard Endres, die sich zum Leitartikel zum neuen Jahr unseres Redaktionsleiters Georg Altherr äußern.„S-Bahn-Eröffnung Weihnachten 2052“

Das „Rheinpfalz-Zeitungsjahr“ startet mit einem sehr lesenswerten Beitrag. Man kann dem Grundtenor des Artikels nur zustimmen. Wenn da nicht der letzte Absatz einen sehr guten Beitrag nach unten ziehen würde – leider, nein, schade. Zum letzten Absatz: 1. eine etwas euphorische Einschätzung, „die S-Bahn wurde vor Weihnachten aufs Gleis gesetzt“, 2. eine tiefe Verachtung gegenüber dem neuen Medium Facebook.
Ad 1, die Einschätzung, dass die S-Bahn aufs Gleis gesetzt wurde, ist ein schöner Wunsch fast aller Zweibrücker, für den sich viele Bürger seit Jahren engagieren. (...)Aus der Quintessenz der Statements der beiden Protagonisten des S-Bahngipfels kann man jedoch die (...) Euphorie nicht unbedingt ableiten. Einerseits sprach Volker Wissing von „einem entscheidenden Durchbruch“, und man habe die langwierigen Gespräche „in die letzte Phase gebracht“, andererseits sprach Anke Rehlinger (nur) von einem „wichtigen Infrastrukturprojekt, das die länderübergreifende Mobilität verbessere“. Anke Rehlinger hat weder von einem Durchbruch, geschweige denn von einem entscheidenden Durchbruch, noch von aufs Gleis setzen gesprochen. Die Aussagen der Ministerin sind auch auf saarländischer Seite seit geraumer Zeit unstrittig – es ging nur ums Geld und den politischen Willen in Saarbrücken. Und nun soll ein adretter FDP-Politiker das Ruder herumgerissen haben – oder haben eher strategisch/taktische Wahlkampf-Überlegungen für die Landtagswahl am 26. März der Ministerin die etwas gemäßigteren, milderen Töne entlockt? Na ja, für die Leistungsphase zwei wurden fast sechs Jahre benötigt (Beschluss Januar 2011), und zirka eine Million Euro direkte Kosten wurden verbraten bis man sich durchrang, den Schritt nach Leistungsphase drei zu machen. Erst beim Erreichen der Leistungsphase neun wird die S-Bahn auch tatsächlich fahren, hoffen wir alle, dass die noch ausstehenden Schritte etwas schneller absolviert werden. Bei dem bisher vorgelegten Tempo, sechs Jahre pro Leistungsphase, dürfen wir uns auf die Eröffnungsfahrt an Weihnachten 2052 schon freuen.
Ad 2, ob man Facebook mag oder nicht, es ist eine Realität in der heutigen Gesellschaft. Man ist schon sehr verwundert, dass ein leitender Redakteur einer überregional beachteten Zeitung sich derartig negativ diesem neuen Medium gegenüber positioniert. Die Nutzer dieses Mediums sind ein Abbild unserer Gesellschaft, nicht schlauer und nicht doofer, nicht ehrlicher und nicht krimineller, nicht reicher und nicht ärmer, nicht erfolgreicher und nicht erfolgloser, nicht mehr und nicht weniger. Solange man nur Printmedien und einen streng reglementierten Zugang zu öffentlichem Rundfunk/Fernsehen hatte, konnte man sich bequem in eine intellektuelle Ecke zurückziehen und einen signifikanten Teil unserer Gesellschaft ignorieren beziehungsweise ausblenden. In epischer Breite wurde mit anderen, aus vergleichbarer Kaste stammenden Menschen, ein Diskurs über die „wirklich wichtigen Themen“ geführt ohne von den „Facebook-Störenfrieden“ belästigt zu werden. Weder konnten die Weber die Maschinen stoppen, die Pferdekutschenfahrer die Automobile, noch werden Sie, Herr Altherr, das Medium Facebook stoppen. Gerade als Medienmann sollten Sie sich damit arrangieren, die positiven Möglichkeiten nutzen und die negativen Begleiterscheinungen durch eigenes positives Tun zurückdrängen. Sie lassen sich auch sicherlich nicht durch gedruckte „unterirdische, indiskutable“ Zeitungs-Pamphlete (zum Beispiel NPD-Zeitung) in Ihrer Arbeit, eine qualitativ hochwertige Zeitung zu produzieren, negativ beeinflussen – denken Sie an die Kutschenfahrer!
Peter Schehl, Zweibrücken

„Gelaber ist Kommunikation“ Lieber Herr Altherr, ich teile Ihre Ansicht „nicht lästern, machen!“ durchaus. (...) Viele junge Menschen haben versucht, politisch etwas zu verändern, in welcher Partei auch immer, aber ich kenne Dutzende, die es bereut haben und resigniert aufgaben. Die Gründe sind in allen Parteien wohl die gleichen, entweder man schwimmt mit und arbeitet diplomatisch und geschickt in den nötigen Netzwerken, die dann protegieren können, oder aber man geht unter beziehungsweise gehört zur großen Gruppe, die unkritisch abnickt, was „die da oben“ sagen. Demokratie und freie Meinung sind unter anderem durch manchen Fraktionszwang bereits teilweise ad acta gelegt. Und wehe, einer spricht offen an, was er als gewählter Vertreter für seine Wähler nicht vereinbaren kann. Das beginnt doch bereits schon an der Basis und betreffende kritische Mitglieder (die ja auch recht haben können) werden isoliert oder gar gemobbt. Die andere Gruppe der Mitbürger möchte erst gar nicht einer Partei beitreten, da keine größere Schnittmenge der persönlichen Meinung und der einer Partei längerfristig geboten ist.
Sollen nun all diese Bürger sich zu Hause hinsetzen und sagen „Politik geht mich nichts mehr an, ich muss nur ein Kreuz machen und den Mund halten“? Vieler dieser Personen machen bereits viel, in Vereinen, in Sozialverbänden, in Beruf und Familie und nicht zuletzt, indem sie den Mist, den die da oben teilweise entscheiden, mitfinanzieren. (...) Pressefreiheit ist das höchste Gut, auch wenn manches Mal die Beiträge nicht ansatzweise pulitzerpreisverdächtig sind, sondern oft auch nur wie geschriebenes Gebabbel oder gar „Dummgelaber“ wirken.
Wenn man Ihren Leitartikel liest, meint man, dass in Facebook oder im Internet nur „dumm gelabert“ wird und gehetzt wird. Dem stimme ich von meiner Wahrnehmung her bedingt zu, aber wer bewertet, was „dummes Gelaber“ ist? Ich kann es nur für mich selbst einschätzen, vermag aber nicht für andere das zu bewerten. (...) Ich frage mich, wieso Mitarbeiter Ihrer Zeitung in den Zweibrücker Facebook-Gruppen immer mal wieder gerne mitlesen, um auch in Ihrer Zeitung Bezug darauf zu nehmen. Pöbeleien sind nicht okay, falsche Behauptungen et cetera sind absolut verurteilenswert, Hetze, gegen wen auch immer, selbstverständlich auch, aber das Gelaber ist nun mal eine neue Form der Kommunikation, die früher auf Wochenmärkten, in Bierhallen und auch Ämtern und im Rathaus stattfand. Ein gewisser Anteil an Bürgern braucht dies auch, und zwar egal, in welchem Medium dies künftig stattfindet. Mir ist Gelaber, auf das man noch antworten und welches man noch demokratisch und freiheitlich beeinflussen kann, lieber, als wenn Menschen sich zu Hause verbarrikadieren und ihren Unmut durch ein Kreuzchen, welches wir fast alle nicht wirklich möchten, signalisieren. Die Menschen brauchen ein Ventil. (...)
Friedhelm Jost, Zweibrücken

„Engagement füllt mehrere Ordner“ Sehr geehrter Herr Altherr, (...) Nach wie vor verfolge ich als „Saarländer“ mit großem Interesse Ihre Artikel in Sachen „Bahnreaktivierung/S-Bahn“, so auch Ihren „Leitartikel zum neuen Jahr“. Im letzten Absatz führen Sie aus, dass es nach jahrelangem, zähem Kampf kurz vor Weihnachten tatsächlich gelungen sei, die S-Bahn nach Zweibrücken aufs Gleis zu setzen, dies sei ein enormer Erfolg, der zeige: „Politischer Einsatz lohnt sich“! Ich meine, nicht nur „politischer Einsatz“ hat zu dem jetzigen Ergebnis in Sachen S-Bahn geführt, sondern insbesondere auch der jahrelange große Einsatz vieler Bürger und Bürgerinnen beiderseits der Landesgrenze. Ich weise hier insbesondere auf das große Engagement des „Vereins zur Förderung des Schienenverkehrs in und um Zweibrücken“ oder der „Initiative 2015 – Mobilität Saarpfalz-Südwestpfalz“ oder auch des VCD, aber auch auf mein Engagement in Sachen S-Bahn hin. Mein Engagement insbesondere gegenüber unseren (...) saarländischen Mandatsträgern, füllt inzwischen (...) mehrere Aktenordner. (...)Unsere zuständige Ministerin, Anke Rehlinger, zeigte doch bis vor kurzem kein großes Interesse für diese notwendige Reaktivierung. Die bevorstehende Landtagswahl und das Tätigwerden von Minister Wissing haben nun eine Wende gebracht. (...) Trotz meiner großen Zweifel, dass die S-Bahn in wenigen Jahren von Homburg nach Zweibrücken fahren wird, muss ich mich bei Minister Wissing für seine Bemühungen herzlich bedanken. Minister Wissing scheint bei seinem Gespräch in der Fasanerie „unsere Ministerin“ in Sachen S-Bahn, Anke Rehlinger, von der absoluten Notwendigkeit dieser Bahnstreckenreaktivierung zwischen Homburg und Zweibrücken überzeugt zu haben. Die nächsten Monate werden hoffentlich positive Ergebnisse zeigen.
Bernhard Endres, Einöd

Sehr geehrter Herr Jost,
sehr geehrter Herr Schehl,
sehr geehrter Herr Endres,
es freut mich, dass Sie sich so intensiv mit meinem Leitartikel auseinandergesetzt haben. Doch selbst in einem langen Kommentar ist der Platz begrenzt. Deshalb zwei Ergänzungen.
Erstens: Selbstverständlich handelt auch derjenige politisch, der sich nicht in Parteien, sondern in Vereinen, Organisationen, Bürgerinitiativen oder als Einzelkämpfer für das Gemeinwohl einsetzt. Wenn die S-Bahn eines Tages fährt, dann ist das ein gemeinsamer Erfolg aller Organisationen und Initiativen, die sich immer wieder bei Parteien und Regierungen eingesetzt haben.
Zweitens: Selbstverständlich ist das Internet mit all seinen Foren nicht des Teufels. Die Diskussionen im Netz können zum demokratischen Diskurs beitragen, sie beeinflussen die politische Willensbildung inzwischen ja schon stark. In meinem Leitartikel wollte ich allerdings auf Auswüchse aufmerksam machen und dafür werben, bei aller berechtigten Kritik Form und Anstand zu wahren und sich dann auch außerhalb des Netzes für seine Anliegen einzusetzen.
Georg Altherr, Redaktionsleiter