30.12.2016
Die Rheinpfalz

E-Tarif soll zusätzliche Fahrgäste anlocken

Die Stammkunden des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar sind von dem neuem Preissystem aber nicht betroffen
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Mit dem Jahreswechsel erhöht der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) übermorgen seine Fahrpreise um durchschnittlich 2,1 Prozent und führt einen neuen elektronischen Tarif ein. Die im VRN-Gebiet besonders zahlreichen Nutzer einer Zeitkarte sind von dem neuen E-Tarif aber nicht betroffen.

Der VRN, zu dessen Tarifgebiet die komplette Pfalz gehört, hat einen besonders hohen Kundenanteil mit einer Zeitkarte. Bundesweit einzigartig hoch ist dabei insbesondere der Anteil von Fahrgästen, die eine Jahreskarte für das komplette Verbundgebiet haben. Kunden, die regelmäßig beispielsweise ein Job-Ticket, eine Karte ab 60 oder ein Rhein-Neckar-Ticket nutzen, dürften kein Interesse an einem Umstieg auf den neuen E-Tarif haben, bei dem jede Fahrt nach Ein- und Auschecken mit dem Smartphone einzeln berechnet wird.Anders sieht es möglicherweise bei Kunden aus, die keine Zeitkarte haben. Für Smartphone-Affine, die sich mit der Bedienung eines Fahrkartenautomaten schwer tun, könnte der neue E-Tarif die Hemmschwelle vor der Nutzung von Bussen und Bahnen senken. Das Ende November von der Deutschen Bahn (DB) abgeschaltete System Touch & Travel hatte durchaus seine Fans in der Rhein-Neckar-Region. Wie berichtet, führt der VRN ab 1. Februar Touch & Travel in modifizierter Form unter dem neuen Namen Ticket2go wieder ein. Möglich wird dabei die Nutzung der meisten Regionalzüge in Baden-Württemberg, allerdings nicht mehr die von DB-Fernzügen. Schon am 1. Januar startet eine E-Tarif-App für das VRN-Gebiet. Nach einmaliger Registrierung kann sich der Fahrgast damit im VRN-Bereich vor Fahrtantritt über die Smartphone-App anmelden und nach der Fahrt wieder abmelden. Berechnet wird die Strecke, die sich nach der Luftlinienentfernung von einer zur anderen Haltestelle ergibt. Der Grundpreis pro Fahrt beträgt 1,20 Euro, pro Luftlinienkilometer sind weitere 20 Cent zu zahlen. Auf beide Beträge gibt es mit einer Bahncard 25 Prozent Rabatt.

Günstiger als im parallel weiter existierenden Wabensystem könnten vor allem Fahrten werden, bei denen die Fahrtstrecke deutlich länger ist als die Luftlinie, weil die Verkehrsgeografie zu Umwegen zwingt wie etwa bei der Zugfahrt von Bad Dürkheim nach Kaiserslautern. Ein Preisvorteil ergibt sich in jedem Fall im Vergleich zu einem Tagesticket für das VRN-Gesamtnetz, das ab übermorgen 17,90 Euro kostet. Beim E-Tarif wurde dagegen ein Tageshöchstpreis von 12 Euro festgelegt.

Kommentar: Sinnvolle Ergänzung

Von Eckhard Buddruss

Ein elektronischer Tarif für Kunden mit hoher Smartphone-Affinität ist sinnvoll – solange er den anderen Kunden nicht aufgezwungen wird.

Dass die Tarife für den öffentlichen Nahverkehr zu kompliziert sind, ist eine weit verbreitete Klage. Deshalb kann meist erst einmal auf Beifall gerechnet werden, wenn angekündigt wird, dass mit einem neuen System alles viel besser werden soll. Spätestens wenn es dann konkret wird, folgt allerdings oft Ernüchterung. Systemwechsel produzieren fast zwangsläufig Gewinner und Verlierer. Während die Gewinner sich meist still freuen, gehen die Verlierer auf die Barrikaden. Dann kann es passieren, dass das System – wie beim nun berüchtigten „Preis- und Erlössystem Personenverkehr“ (Pep) der Deutschen Bahn (DB) 2003 – nach kurzer Zeit zurückgezogen wird oder – wie jüngst der elektronische Tarif im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) – schon im Versuchsstadium gekippt wird.

Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) geht zum Glück sehr vorsichtig zu Werke. Vor allem vermeidet er es, seine mit ihren günstigen Flatrate-Tarifen meist sehr zufriedenen Stammkunden zu brüskieren. Bei dem künftigen elektronischen Tarif werden sich wohl noch einige Tücken im Detail zeigen. Sie betreffen allerdings zunächst nur einen relativ kleinen Teil der Kunden. Dies erlaubt auch Experimente wie den günstigeren Tageskartenpreis, ohne damit ein allzu großes Einnahmerisiko einzugehen.